Foto © Tobias Götting (Kantor von St. Lamberti)
„VOCES8 – Twenty“
Programm:
Alte und neue Liedkompositionen und Arrangements von Orlando Gibbons, Arvo Pärt, Paul Smith, Felix Mendelssohn Bartholdy, Caroline Shaw, Edward Elgar und weiteren Komponisten
Vokal-Ensemble Voces8
St. Lamberti-Kirche, Oldenburg, 5.Mai 2025
von Dr. Gerd Klingeberg
Ganz ohne instrumentale Begleitung einfach vor sich hin zu singen – etwa bei der Hausarbeit, unter der Dusche oder gemeinsam mit Kindern, ist manchem ein alltägliches Bedürfnis, nichts, was besonders wäre. Aber allein mit der puren Vox humana, der jüngst zum Instrument des Jahres 2025 gekürten menschlichen Stimme, ein abendfüllendes Konzert zu bestreiten, das ist schlechthin chorische Königsdisziplin.
Eine Disziplin, die die drei Sängerinnen und fünf Sänger der seit mittlerweile zwanzig Jahren bestehenden englischen Formation mit dem eher unspektakulären Namen „Voces8“ geradezu perfekt beherrschen.
Die eingangs im Rund der Oldenburger St. Lamberti-Kirche vorgetragene mehrstimmige „O clap your hands“, eine Vertonung des 47. Psalms durch den frühbarocken englischen Komponisten Orlando Gibbons, war dabei keineswegs die Aufforderung zu möglichem Vorschuss-Beifall, sondern die an alle Menschen gerichtete biblische Einladung, Gott als Schöpfer Himmels und der Erde zu loben. Bereits dieses erste, von Fröhlichkeit und Emphase durchdrungene Werk verdeutlichte ohrenfällig, was dieses exzellente Vokal-Ensemble auszeichnet: subtil timbrierte Stimmen, präzise Artikulation und – auch bei diffiziler Chromatik – blitzsaubere Intonation, dazu ein präzises Ineinandergreifen der Einzelpartien in durchweg homogenem, stets auf größtmögliche Transparenz ausgerichtetem Gesamtklang.

Gefühlvolle Gestaltung ohne Gefühlsduselei
Besonders intensiv kamen diese sanglichen Qualitäten zum Ausdruck bei verhalten leise angestimmten Passagen. Etwa beim folgenden „Drop, drop slow tears“ (O. Gibbons), das mit ungekünstelter, glasklarer Stimmgebung in feinstem Piano trauernd-melancholische Gedanken vermittelte. Der innige Wunsch der unmittelbaren persönlichen Gegenwart Christi, den Arvo Pärt in seinem meditativen Lied „The Deer’s Cry“ äußert, fand indes seine Bestätigung nicht in kraftvollem Gesang, sondern in den vielen punktgenau beachteten, bedeutungsvollen Pausen, deren ungestörte Stille geradezu wie ein eindringlicher Appell anmutete, Momente lang die kurzen geistlichen Textpassagen noch verstärkt auf sich nachwirken zu lassen.

Neben weiteren ernsten Gesängen der ersten Konzerthälfte – darunter ein einfühlsam vorgetragenes „Nunc dimittis“ (Paul Smith) und die harmonisch komplexe Vertonung des 84. Psalms der amerikanischen Komponistin Caroline Shaw – waren es vor allem zwei Gesänge, deren überaus sensible und warmtönige, aber niemals auf bloße Gefühlsduselei setzende Darbietung zutiefst beeindruckte und gewiss so manchem Zuhörenden tief unter die Haut ging: Felix Mendelssohn Bartholdys Psalmlied „Denn er hat seinen Engeln befohlen“, das man nur selten derart klangschön und im allerbesten Sinne schlicht und ergreifend erlebt hat.
Und Edward Elgars „Nimrod“ (aus den Enigma-Variationen), von James Cameron mit dem tröstlichen Requiem-Text „Lux aeterna“ als Gesangsstück arrangiert, bei dem die auch in höchstem Diskant schlanke Sopranstimme von Andrea Haines im empfindsamen Pianissimo wie ein zartes Licht über den nicht minder herzbewegend angestimmten Harmonien des Ensembles zu leuchten schien.
Entschleunigung und unterschwellige Spannungsintensität
In die zweite Konzerthälfte startete das Oktett ähnlich gefühlsbetont mit einem Arrangement des irischen Traditionals „Danny Boy“ („Londonderry Air“), einem Lovesong voller Sehnsucht und Wehmut, mit einigen solistischen Partien, bei denen die sonst im Gesamtklang nur schwerlich genauer auszumachenden Einzelstimmen betonter hervortraten.

- Als gleichermaßen entschleunigend, dabei in seinen raffiniert changierenden Harmonien von hochgradiger unterschwelliger Spannung durchzogen, erwies sich der von Traurigkeit und Hoffnung erzählende Song „Give me your Stars“ der aufstrebenden jungen englischen Komponistin Lucy Walker. Nach dem emotionalen Kate Rusby-Song „Underneath the Stars“ wechselte das Oktett zum Genre Filmmusik, genauer: zum Medley der zwei James Bond 007-Melodien „You only live twice“ und „For your eyes only“, fesselnd dramatisch gestaltet bis hin zum fulminanten Schluss.
Gar einen Hauch unterschwelliger Erotik vermittelte das Ensemble mit einer jazzig swingenden Version von Irving Berlins „Cheek to Cheek“, um gleich darauf das Ende einer einstmals überschwänglichen Lovestory mit „The Masquerade is over“ in bluesigen Tönen zu bedauern.
Schönste Frühlingsgefühle, ganz passend zur Jahreszeit, ließen die duftigen Klangfarben des 1932 entstandenen Musical-Songs „April in Paris“ (Vernon Duke/ Yip Harburg) erahnen. Und mindestens ebenso cool wie dereinst der große Frank Sinatra (allerdings ohne dessen obligate Zigarette in der Hand) und allein mit dem Swing ihrer ausgefeilten Stimmen, intonierte Voces8 den berühmten „Kick out of New York“, tatsächlich weit mehr ein „Kick out of you!“.
Das restlos begeisterte Publikum feierte die phänomenale Darbietung der sympathischen Gesangskünstler mit frenetischem Beifall und Standing Ovations. Und durfte sich, als dankende Zugabe und zugleich für einen beschwingten Heimweg präsentiert, auch noch über ein rasantes Medley aus „Come fly with me“ und „Fly me to the moon“ freuen.
Dr. Gerd Klingeberg, 6.Mai 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
4. Premieren-Abo-Konzert: „Rhythmus pur“ Bremer Konzerthaus Die Glocke, 25. April 2025
Antonín Dvořák, Stabat mater St. Petri-Dom Bremen, Karfreitag 18. April 2025
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