„Don Giovanni“ an der Wiener Staatsoper: Christoph Koncz setzt zum Höhenflug an

W.A.Mozart Don Giovanni  Wiener Staatsoper, 1. November 2025

Foto: Christoph Koncz © Andreas Hechenberger

Mozart wie von einem anderen Stern. Dirigent Christoph Koncz animiert das Wiener Staatsopernorchester zu einem Höhenflug. Der komplette Cast in enormer Spiellaune.

WOLFGANG AMADEUS MOZART

DON GIOVANNI

Heiteres Drama in zwei Akten
Text Lorenzo Da Ponte

Wiener Staatsoper, 1. November 2025

von Jürgen Pathy

Christoph Koncz is back. Früher war er 2. Geiger bei den Wiener Philharmonikern, ebenfalls im Staatsopernorchester. Stimmführer noch dazu. Nun fühlt er sich zu Höherem berufen – und animiert seine Ex-Kollegen zu einer Mozart-Sternstunde.

„Bombastisch“, „sensationell“. Attribute, mit denen an der Wiener Staatsoper gestern Abend nicht gespart wird. Dabei soll es nicht von Anfang an geklappt haben. Die erste Vorstellung der aktuellen Don-Giovanni-Serie – „Das war nichts“, hört man. Viele Substitute sollen es gewesen sein, bei der ersten von vier Vorstellungen. Alleine an den Celli – vermutlich kein einziger aus den Reihen der Wiener Philharmoniker.

Schützenhilfe aus dem Orchestergraben

Komplett anderes Bild gestern. Angeführt vom Stammvater der Primgeiger, Konzertmeister Rainer Honeck, hatte man das Gefühl: Jetzt erst recht – den Koncz lassen wir nicht im Stich! Immerhin ist er noch einer von ihnen – im Herzen sicher, am Papier halt nicht. Bereits die Ouvertüre verspricht viel – und hält alles: Der Graben bebt. Die Einsätze fliegen auch nur so dahin. „Wird der das durchhalten“, schießt mir durch den Kopf.

Thielemann sagt immer, als Junger müsse man sich noch beweisen, auch körperlich. Im Alter könne man das physisch nicht durchhalten. Bei Koncz’ energischen Einsätzen mit der rechten Hand blitzen diese Worte auf. Wie von einer Tarantel gestochen, fetzt er die hinaus – und sie wirken. Akzentuiert, punktiert, scharf wenn notwendig, seidenweich und mozartesk an anderen Stellen. Mit der linken Hand formt er weich. Fast schon wie eine „Cosi“ klingt es manchmal. Kammermusik – das geht beim „Don Giovanni“ also auch. Neue Seiten, die Koncz mit seinen Ex-Kollegen da aufzieht.

Ein Cast in Topform

Auf der Bühne – dasselbe Bild. Animiert vom Zauber des Grabens oder umgekehrt, man weiß es nicht. Alle präsentieren sich in Spiellaune, keiner zeigt Schwächen – auch nicht stimmlich. Dabei fordert Koncz viel. Von Bogdan Volkov kann er das auch. Endlich kostet einer das Tempo wieder völlig aus beim „Dalla sua pace“, dieser enorm schwierigen Arie des Don Ottavio. Breites Tempo – so muss das klingen, um zu wirken. Funktioniert nur, wenn alle in Höchstform agieren. Zum Luft holen bleibt bei diesen gefürchteten langen Phrasen von Mozart so nämlich kaum.

Der Giovanni, dieses Mal von Mattia Olivieri gespielt – ein Traum. Der Italiener weiß, wann man den Spitzbuben durchblitzen, wann man eleganter Verführer sein muss. Der Leporello von Philippe Sly – bis auf kurze Anlaufschwierigkeiten (stimmlich) – fabelhaft wie je zuvor. Die Registerarie mit neurotischen Zuckungen und Sarkasmus, wie sie einst Erwin Schrott in Salzburg zelebriert hat. Der Kanadier ist ebenfalls so etwas wie ein Heimkehrer – er war der Premieren-Bruder in Barrie Koskys Inszenierung, die einem Feuerwerk gleicht.

Wagner-Feuer bei Mozart

Die Donna Anna von Adela Zaharia – endlich hört man dieses Liebesgeschrei wieder ohne forcierte Stimme, mit einer Glut, die beinahe an Größen aus dem Wagner-Fach erinnert. Lise-Davidsen-light sozusagen. Die Zerlina, der Masetto – kein einziger Schwachpunkt. Und dann die Donna Elvira von Tara Erraught. Die setzt diesem Highlight noch die Krone auf. Seit Dorothea Röschmann habe ich keine Elvira gehört, die ihren kompletten Stimmumfang derart kultiviert und feurig einsetzt. Vom zärtlichsten Piano bis zu den Koloraturen – man weiß einfach nicht mehr, wie einem geschieht. Da war ich nicht der Einzige, der regelmäßig mit den Freudentränen kämpfen musste.

Und um die Aneinanderreihung an Superlativen nicht enden zu lassen – ein dickes Lob dem Solocellisten, der zum geheimen Star avanciert. Dessen einfühlsames Continuo-Spiel in den Secco-Rezitativen hat den stillen Momenten durchgehend eine Tiefe verliehen, wie sie eigentlich nur Bach vollbracht hat. Mozart kann das auch. Standing Ovations für alle – vor allem für Christoph Koncz. In dieser Tagesform muss man ihm den kompletten Da-Ponte-Zyklus anvertrauen. Dann taucht man in neue Dimensionen ein.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert