Eva Ollikainen © Nikolaj Lund
Kölner Philharmonie, 20. November 2025
WDR Sinfonieorchester
Eva Ollikainen, Dirigentin
Jan Malte Andresen, Moderation
Richard Strauss – „Ein Heldenleben“ op. 40 (1898)
von Daniel Janz
Richard Strauss und sein Heldenepos für Orchester als kleines Häppchen zum Mitnehmen serviert – was für Konzertkenner wie ein Sakrileg klingt, entspricht in Köln der gelebten Praxis. So kennt man die „WDR Happy Hour“, in der eine Stunde Klassik zu Moderation und anschließendem Freigetränk serviert wird. Dieses Format erfreut sich nicht nur immer größerer Beliebtheit, sondern zieht auch neues Publikum an. In vergangenen Veranstaltungen konnte man hier auch schon Sternstunden des Konzerterlebens erleben. Bleibt nur die Frage, ob ein Konzertjuwel, wie „Ein Heldenleben“ von Richard Strauss, hier ebenso die verdiente Strahlkraft entfaltet?
Den Beweis dafür möchte die finnische Dirigentin Eva Ollikainen antreten. Vom Moderator Jan Malte Andresen (53), der heute erfrischend pointiert und mit Witz in die Veranstaltung einführt, wird sie als jemand angekündigt, der mit Elan und Energie die Orchesterfarben zum Leuchten bringt. Tatsächlich sprüht das 43 Jahre junge Talent vor Energie, als sie die Bühne betritt. Heute Abend fällt sie auch durch ihren lebhaften Dirigierstil auf. Es ist klar: Sie verkörpert ihre Liebe zur Musik.

Der Held strahlt, er wankt und streitet, brilliert aber nicht
Die von Ollikainen interpretierte Musik von Richard Strauss ist immer wieder ein Erlebnis. „Ein Heldenleben“ gehört mit zu den raffiniertesten Programmmusiken, die der spätromantische Komponist hinterlassen hat.
Hier begegnet uns ein strahlender Held, für den Strauss sich auch selbst gehalten hat. Ihm treten jene Widersacher und Kritiker gegenüber, die Strauss in unsauberen Tonsprüngen, frechem Gequake und Quintparallelen in die Holzbläser gesetzt hat. Angefeuert von der Gefährtin des Heldes kommt es zum Kampf, bevor der Held Ruhe und Abgeschiedenheit in seinen Friedenswerken sucht und letztendlich die Vollendung im Heldentod findet.
Alle Stationen dieser Heldengeschichte setzen ganz unterschiedliche Anforderungen. Im ersten Teil muss es strahlen, im zweiten verstören, im dritten verzaubern, im vierten donnern und im fünften und sechsten berühren. Einiges davon gelingt heute, aber nicht alles. Gut fallen von Anfang an die Hörner mit ihrem Heldenthema auf. Sie und die Streicher bilden lange Zeit das Herz dieser Aufführung. Überragend ist auch der Konzertmeister Slava Chestiglazov, der die Gefährtin mit seiner Violine sehr facettenreich darstellt. Auch Flöten und Trompeten stechen positiv heraus. Damit bilden diese vier Gruppen die Höhepunkte im ansonsten soliden Orchester.
Solide alleine ist jedoch nicht der Grund, warum man ins Konzert kommt. Die Musik von Strauss bietet so viel mehr, als nur nach dem Takt zu spielen und da offenbart sich heute noch Luft nach oben. Allen voran bei Eva Ollikainen. Sie bringt sehr viel Elan und Leben ins Orchester und kann die Musiker auch mitreißen.
Für das Verständnis des Rezensenten klebt Ollikainen aber zu oft am Taktstrich, anstatt die Töne zu nuancieren und atmen zu lassen. Dadurch lässt sie Chancen liegen, durch die das Gesamterlebnis mehr gestrahlt hätte. Beispielsweise bleiben zur Vorstellung des Helden einige Nebenmotive und musikalische Formen undeutlich. In den Friedenswerken arbeitet sie einige der Selbstzitate von Strauss nicht klar heraus. Und das Englischhornsolo zum Ende geht in den Nebenstimmen etwas unter.

Auch bei der Balance hätte ein Quäntchen mehr Feingespür geholfen. So stechen die Klarinetten regelmäßig prominent heraus und schlagen dadurch auch mal über die Stränge. Das wirkt bei den Widersachern des Helden hervorragend, stört aber die Friedenswerke. Dem gegenüber steht das tiefe Blech, das zwar keinen Grund zur Beanstandung gibt. Bis zum vollen Einsatz scheint dort aber noch ein Quäntchen zu fehlen. So entsteht der Eindruck, dass der Held in seiner Walstatt nicht unbedingt in den Krieg zieht, sondern eher gesitteten mit den Kritikern streitet. Dem Rezensenten fehlte jedenfalls das Ungezügelte, Explosive. Das ist schade, denn das Schlagzeug und die bis an die Grenze gehenden Trompeten legen hier eigentlich eine gute Grundlage.
Am Ende bleibt es bei einer Vorstellung, die durch das Wort „solide“ wohl am besten beschrieben ist. Es gab einige gute bis hervorragende Aspekte, die unter einem mehr auf den Moment bedachten Dirigat sicher auch noch mehr Strahlkraft entfaltet hätten.
Dieser Held heute konnte aufflammen, wanken und auch wüten. Aber er konnte eben nicht brillieren. Und das ist schade bei einem Werk und Orchester, die das grundsätzlich hergeben. In Summe ließ die Aufführung also Potenzial erkennen, von dem man wünschen kann, dass es sich in Zukunft noch mehr entfalten darf.
Daniel Janz, 21. November 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Meine Lieblingsmusik 70: Richard Strauss „Ein Heldenleben“ (1898)
3. Sinfoniekonzert Wagner/Strauss Sächsische Staatskapelle Dresden, 27. Oktober 2025
Yulianna Avdeeva, Klavier, Chopin und Dmitri Schostakowitsch Kölner Philharmonie, 6. November 2025
Gürzenich-Orchester Köln, Simone Menezes, Dirigentin Kölner Philharmonie, 4. November 2025