© Foto: Tillmann Franzen
WDR-Sinfonieorchester, „Klassik mal anders: Klingende Bilder“
Kölner Philharmonie, 24.1.2018
Christian Măcelaru, Dirigent
Łukasz Dyczko, Saxophon
WDR-Sinfonieorchester
Alexander Glasunow
Konzert für Alt-Saxophon und Streichorchester Es-Dur op.109 (1934)
Modest Mussorgsky
„Kartinki s vystavki“ (Bilder einer Ausstellung) (1874)
Bearbeitung für Orchester (1922)
Von Daniel Janz
Schulkonzerte muten dem gestandenen Konzertgänger schon mal etwas zu. Da herrscht konstante Unruhe; es wird laut geredet oder noch während des Musizierens geklatscht, sogar Whatsapp-Chats mit dem Handy sind zu erleben. Fast ein Wunder, dass immerhin die Unverschämtheit geführter Telefonate während des Konzertes ausbleibt. An ein kleines Wunder grenzt es auch, dass trotz solcher Ablenkung gute Musik gelingen kann. Ein Paradebeispiel dafür lieferte am Freitag das WDR-Sinfonieorchester unter seinem designierten Chefdirigenten Christian Măcelaru .
Es waren wirklich widrige Bedingungen, mit denen Organisatoren und Künstler der Aufführung diesmal zu kämpfen hatte. Ein Teil war sicher auch dem lässig gestalteten Rahmenprogramm geschuldet, welches das ganze Konzert bereits von vornherein moderner, fescher, eben einfach „jünger“ gestalten sollte. Unter dem Titel „Klassik mal anders: Klingende Bilder“ stellten die beiden Fernsehmoderatoren Isabel Hecker und Robert Meyer dem großteils aus Schülern und Jugendlichen bestehenden Publikum das Programm vor. Dabei traten sie mal persönlich, mal interaktiv über eine große als Gemälde getarnte Leinwand auf.
Dieses auf Musikvermittlung aufgebaute Konzept hat durchaus seinen Reiz, verbindet es doch die Einführung mit publikumswirksamer Unterhaltung. Unmittelbare Reaktionen der Zuschauer zeigten jedoch, dass dies nicht von allen gut aufgenommen wurde. Als zum Beispiel der Synchronsprecher und Schauspieler Bernd Kuschmann in eindringlichster Weise Briefe Mussorgskys vorträgt, tönten ihm undankbarerweise Zwischenrufe, wie „Musik, Musik“ entgegen. Auch am Ende würgt ihn das Publikum durch anhaltenden Applaus für das Orchester einfach ab. Schade – besonders weil durch sein Auftreten den Hintergründen zum Hauptwerk des Abends ein besonderer Nachdruck verliehen wurde.
Es fragt sich also, ob die Philharmonie selbst ein geeigneter Ort für solcherlei Rahmenprogramm ist, oder ob man hier und da nicht auch etwas mehr hätte auf den Punkt bringen können. Das erste Werk des Abends tut jedenfalls genau das – zum Werk von Alexander Glasunow befinden sich im Hintergrund des Solisten nur Streicher. Der Fokus liegt damit ganz auf dem Saxophon und auf Łukasz Dyczko, 21 Jahre aus Gorlice in Polen und Preisgewinner des Eurovision Young Musicians Wettbewerbs.
Schnell erweist er sich – trotz seines für klassische Musik eher ungewöhnlichem Instrumentes – als würdiger Preisträger. Sein erster Einsatz zum Streicherchor offenbart viel Einfühlungsvermögen. In ruhigen Passagen verzaubert, in virtuosen glänzt er. Obwohl er sicher sehr angespannt ist, überzeugt sein Spiel durch makellose Technik und er selbst durch ruhiges, feinfühliges Auftreten. Das beweist er auch, als er nach mehrfach störendem Zwischenapplaus mitten im Spiel nicht die Fassung verliert. Ein großes Zukunftstalent, das da auf der Bühne steht.
Man möchte diesem jungen Star wünschen, dass es doch mehr Repertoire für sein Instrument geben möge. Tatsächlich ist das Werk Glasunows karg an Reizen. Es fehlt an Abwechslung, der ausschließliche Fokus auf Streichern als Begleitung ödet mit der Zeit an und gibt den Orchestermusikern kaum Möglichkeit zur Demonstration ihres Könnens. Der Reiz liegt im Wechselspiel zwischen Streichern und dem kraftvollen Spiel des Solisten. Das genügt am Ende immerhin für eine große Portion Applaus.
Kompositorisch mehr zu bieten haben die „Bilder einer Ausstellung“, komponiert von Modest Mussorgsky in Erinnerung an seinen früh verstorbenen Freund Viktor Hartmann und von Maurice Ravel für großes Orchester arrangiert. Diese Komposition ist eines der Paradebeispiele für Programmmusik und weltbekannt für die musikalische Beschreibung von insgesamt 10 Bildern einer Ausstellung über das Schaffen von Mussorgskys Freund.
Die Titel der einzelnen Sätze sind hier also Programm und Herausforderung zugleich. Kräftige groteske Sätze, wie „der Gnom“, der Ochse „Bydło“, der unermüdlich seinen Karren zieht oder „Baba Yagas Hütte“ verlangen selbst einem gestandenen Orchester alles ab. Auch die Kontraste zu leichten, überbordenden Sätzen, wie die Blumenfelder der „Tuileries“, das Ballet der ungeschlüpften Küken oder die Szene auf dem Marktplatz von Limoges müssen erst einmal gemeistert werden.
Zum Glück zeigt sich das WDR-Sinfonieorchester dieser Aufgabe gewachsen. Zwar wirken der Einstieg und das erste Bild „der Gnom“ noch etwas zurückhaltend, spätestens aber bei den Details wissen sie unter Christian Măcelaru (38) zu überzeugen. Besonders präsent sind das Schlagzeug und die Bläser, allen voran die erste Trompete. Die Soli der Tenortuba bei „Bydło“ dem Ochsen oder des Saxophons beim „alten Schloss“ sind herausragend und erhalten am Ende verdienten Sonderapplaus.
Verwunderung kann lediglich darüber entstehen, dass Łukasz Dyczko hier nicht auch zum Einsatz kommt. Dabei soll nicht die fabelhafte Leistung des Orchestersaxophonisten geschmälert werden. Es fragt sich allerdings, warum man bei der Anwesenheit eines ausgezeichneten, jungen Musikers diesem nicht auch die Chance gibt, im Orchester zu performen.
Fraglich ist auch der immense Multimediaaufwand. Völlig unverständlich bleibt, wieso der WDR bei Verwendung einer riesigen Leinwand nicht die naheliegende Entscheidung trifft, zu der Musik auch die entsprechenden Originalbilder, Nachbildungen oder wenigstens Satznamen einzublenden. Immerhin werden dafür bei ausverkauftem Saal extra 200 Plätze auf der Empore leergehalten! Nahaufnahmen von Musikern oder desDirigenten bereichern das Konzerterlebnis jedenfalls nicht, scheinen auf Dauer das Publikum sogar eher abzulenken, als dass sie unterstützend wirken. Hier hätte man der Regie mehr Mut gewünscht.
Mutig agiert indes der aus Timișoara in Rumänien stammende Dirigent, als er das Orchester zu einem Finale der Extraklasse hinführt. Begleitet von Glockenschlägen und Tamtam übertreibt Măcelaru es fast ein wenig mit der Dynamik. Die letzten Takte wirken hastig und hätten mit einem langsamer gewählten Tempo sicherlich noch mehr zur Geltung kommen können.
Nichtsdestotrotz überzeugt diese Aufführung und erntet auch lang anhaltenden, tosenden Beifall. Das macht Freude auf mehr und lässt hoffen, dass ab Mitte des Jahres ein Dirigent diese Orchester übernimmt, der weiterhin das Beste aus diesen Musikern rausholen wird.
Live-Aufnahmen beider Werke stehen bis zum 25.1.2020 unter https://www1.wdr.de/orchester-und-chor/wdrmusikvermittlung/konzerte/klassik-anders-klingende-bilder-100.html zur Verfügung.
Daniel Janz, 25. Januar 2019,
für klassik-begeistert.de