Schlußapplaus Solisten, Photo: Andreas Ströbl
„Und, gibt es bei euch auch wieder Bachs Weihnachtsoratorium?“ – Ja, man würde es irgendwie vermissen, wenn es so gar nicht jauchzen und frohlocken würde an den kürzesten Tagen des Jahres, aber seien wir ehrlich: In den Kultursendern oder solchen, die sich als solche verkaufen, wird es seit Wochen täglich rauf und runter gespielt und man freut sich, wenn kunstsinnige Menschen sich mal etwas anderes einfallen lassen, um es am 1. Weihnachtsfeiertag klingend funkeln zu lassen.
Werke von Reger, Mendelssohn-Bartholdy, Korngold, Humperdinck, Brahms, Nicolai und Rheinberger
Takahiro Nagasaki, Dirigent, Klavier und Programmkonzept
Elizaveta Rumiantseva und Aditi Smeets, Sopran
Delia Bacher und Frederike Schulten, Mezzosopran
Wonjun Kim, Tenor
Jacob Scharfman, Bariton
Changjun Lee, Bass
Youngho Park, Orgel
Chor des Theaters Lübeck
Philharmonisches Orchester der Hansestadt Lübeck
Theater Lübeck, 25. Dezember 2024
von Dr. Andreas Ströbl
Es geht auch (spät)romantisch
Das Theater Lübeck ist immer für Überraschungen gut und so hat der Erste Kapellmeister und stellvertretende GMD Takahiro Nagasaki für den 25. Dezember 2024 ein wunderschönes Programm erdacht, um mit sehr selten gehörten Stücken vor allem aus der Spätromantik das Lübecker Publikum im Jugendstiltheater festlich zu erfreuen.
Nach einer Einstimmung auf der Orgel (Youngho Park) mit Regers „Vom Himmel hoch“ verkündeten Elizaveta Rumiantseva mit hell-freudvollem Sopran, Wonjun Kim (Tenor), Jacob Scharfman (Bariton) und Changjun Lee (Bass) sowie der Chor des Theaters Lübeck die Geburt Christi, wie Felix Mendelssohn-Bartholdy sie in Töne gesetzt hat. Die drei unterschiedlichen Stimmlagen der Herren harmonierten wunderbar miteinander, der Bariton Scharfmans dominierte dabei durch Stärke und Ausdruck. Die Damen und Herren des Chors bildeten einen kraftvollen Gegenpol zu den Solisten.
Delia Bacher (Mezzosopran) war vor Kurzem in Weinbergs „Passagierin“ in Lübeck zu erleben und sang mit Klarheit und Strahlkraft Max Regers „Mariä Wiegenlied“, bevor die Serenade aus Erich Wolfgang Korngolds Ballett „Der Schneemann“ erklang. Es war das Debütstück des damals 11-jährigen Komponisten und wird, wie die meisten Werke Korngolds, viel zu selten gespielt. Hier verlieh Tzu-Jen Chou mit seiner Violine dem zauberhaften Stück tönendes Schneeglitzern.
Frederike Schulten (Mezzosopran) gab die Lieder „Der Stern von Bethlehem“ und das „Altdeutsche Wiegenlied“ von Engelbert Humperdinck sowie das „Geistliche Wiegenlied“ von Johannes Brahms mit feierlicher Wärme und ausgewogener Dynamik wieder. Beim letzten Stück bot Christopher Sandberg auf der Viola mit großer Sensibilität und leuchtendem Ton den instrumentalen Gegenpart, bevor die Weihnachtsouvertüre über den Choral „Vom Himmel hoch“ von Otto Nicolai mit triumphalem Gesang des Chors den ersten Teil beschloss. Übrigens gehören mit Ausnahme von Frederike Schulten und Jacob Scharfman alle Solistinnen und Solisten des Abends dem Lübecker Opernstudio an – durchweg reife Leistungen dieser jungen Künstler!
In den Pausengesprächen war man sich ebenso einig über die Originalität dieses Konzerts wie über die Qualität der Wiedergabe. Nagasaki beeindruckt immer wieder durch seine Vielseitigkeit und Kenntnis auch solcher Werke, die eher unter dem Radar des üblichen Kanons fliegen; das Philharmonische Orchester der Hansestadt Lübeck verlieh den Stücken festlichen Glanz und changierte mühelos zwischen Forte-Leuchten und heimeliger Intimität. Das Licht von Falk Hampel tauchte die Bühne in (weih-) nächtliches Blau.
Eine selten gehörte Weihnachtskantate
Den zweiten Teil bestritt die Weihnachtskantate „Der Stern von Bethlehem“ von Josef Gabriel Rheinberger, einem Komponisten, der eher durch seine Orgelwerke bekannt ist. Man fragt sich bei diesem facettenreichen Werk, weshalb es nicht öfter aufgeführt wird, denn es verbreitet ebenden Optimismus, der zu Weihnachten (in Krisenzeiten, aber auch grundsätzlich) so wohltut. Der Text aus der Feder der Gattin des Komponisten ist geprägt durch einen Ton, der einen traditionell-sakralen Duktus mit einer fast modern anmutenden Schlichtheit und Geradlinigkeit vermengt. „Die Erde schweigt, es leuchten die Sterne“ – so beginnt die erste und die letzte Strophe der Kantate.
Zu den bereits im ersten Teil gehörten Solistinnen und Solisten gesellte sich der satte und zugleich lichtvolle Sopran von Aditi Smeets; wiederum sang der Chor, wobei die hohen Lagen der Damen mitunter eine metallische Schärfe hören ließen. Die mittleren und tiefen Lagen gerieten hingegen einwandfrei, bei allgemein guter Textverständlichkeit.
Ein beträchtlicher Teil des Publikums hatte offenbar noch nie eine Kantate gehört, denn es wurde wirklich jede Pause zwischen den einzelnen Abschnitten genutzt, um hineinzuklatschen. Das tat weder der Stimmung des Werks noch der Konzentration der Mitwirkenden gut, was man an kleinen, aber merklichen Reaktionen ablesen konnte. Ein Handzeichen seitens des Dirigenten wäre zumindest einen Versuch wert gewesen.
Insgesamt aber gelang allen Künstlerinnen und Künstlern ein ganz bezaubernder Weihnachtsabend mit klingenden Überraschungspäckchen. Den Bach gab es aber dennoch und zwar in Form zweier Zugaben aus – natürlich – dem Weihnachtsoratorium. Mit dem leuchtenden Trompetenschmettern und dem freudvollen Gesang bekamen dann die Barockliebhaber auch ihr prachtvoll verpacktes Geschenk.
Ein ganz besonderer Applaus gilt nun denjenigen, die nie auf der Bühne stehen, sondern im Hintergrund für die Technik sorgen, die Pressearbeit übernehmen und an der Kasse und Garderobe Dienst tun.
Gerade die freundlichen Damen an diesen so wichtigen Plätzen machen das Miteinander an solch einem Haus durch Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft erst möglich.
Vielen lieben Dank!
Dr. Andreas Ströbl, 26. Dezember 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at