Johannes Wildner, https://wjso.at/de-at/Home/Kontakt/Presse-Bilder
Elbphilharmonie, 3. Februar 2024, Matinee
Wiener Johann Strauss Orchester
Dirigent Johannes Wildner
PROGRAMM
Johann Strauss (Sohn)
Ouvertüre zu »Die Fledermaus«
Tritsch-Tratsch-Polka op. 214
Wiener Blut / Walzer op. 354
Im Krapfenwaldl / Polka française op. 336
Eduard Strauss
Ohne Bremse / Polka schnell op. 238
Franz Lehár
Gold und Silber / Walzer op. 79
Josef Strauss
Eingesendet / Polka schnell op. 240
Johann Strauss (Sohn)
An der schönen blauen Donau / Walzer op. 314
Zugaben:
Hans Christian Lumbye
Champagner-Galopp op. 14
Johann Strauss (Sohn)
Vergnügungszug / Polka schnell op. 281
Johann Strauss (Sohn)
Leichtes Blut / Polka schnell op. 319
Johann Strauss (Vater)
Radetzky-Marsch op. 228
von Harald Nicolas Stazol
Ich habe nun in der Elbphilharmonie schon VIELES erlebt, auch im Orchester sitzende Dirigenten – wir denken an Joshua Bell – aber, dass einer sich langsam, fiedelnd, um 360 Grad im Dreivierteltakt dreht, langsam, um alle Ränge zu erfreuen, nun, das ist schon einmalig! Einmalig Johannes Wildner, der Dirigent des „Wiener Johann Strauss Orchester“ tut es bei „Wiener Blut“, ganz hinreißend und unterhaltsam und eben total lebendig.
Als ehemaliges Mitglied der Wiener Philharmoniker (und auch sonst von Rang Vielbeschäftigter!), von denen man doch einige im Orchester finden wird. Kein Wunder also, dass dies zum einzigartigen Profi-Klang heute führt, fehlerlos und klanglich erster Güte, an einem frühlingshaften Sonnabendmorgen (so nennt man in Hamburg den Samstag), und dass man dies im Hohen Hause erleben darf, ja, da weht die alte k.u.k. Monarchie plötzlich durch die Hansestadt, mit Orkanstärke, möchte man sagen, beziehungsweise: Alles Walzer! Vielmehr – Alle Walzer! Nun ja, WIR alle, und nicht alle, aber die schönsten Walzer!!! Es zucken die Beine allenthalben, meine auch, man möchte eigentlich wirklich tanzen!
Vier Zugaben, das muss man erstmal bringen, aber das enthusiasmierte hanseatische Publikum, sonst eher ja zurückhaltend und emotionsarm, vergisst sich gerade selbst, und bettelt, und bettelt im Stehen um mehr, ja noch mehr – die gute Laune hat sich allüberall schon bei der Ouvertüre der Fledermaus festgesogen und etabliert!
Vom ersten Dreivierteltakt an strömt das reine Amüsement über die nun wirklich populäre Aufführung, man wähnt sich beim Hofball in der Hofburg, so glänzend ist die Darbietung, und wer das Neujahrskonzert im ORF am 1. Januar 2024 verpasst hat, wird hier auf das Füglichste entschädigt – man muss wissen, dass Johann Strauss Vater wie Sohn „so etwas wie DJs des 19. Jahrhunderts waren“ (wieder ein Sammlerstück von Programmheft), wir hören nun also quasi den Techno der Kaiserzeit, und neben mir sitzt Sisi!
„Wir sind ja viel auf Kreuzfahrtschiffen“, die Kaiserin lieh sich mehrmals die Jacht von Queen Victoria, braungebrannt ist sie, die reinkarnierte Sisi neben mir, „da hören wir nur B- und C-Klasse“ – „Na dann, Gnädigste“ – das Eure Majestät verkneif ich mir – „da sind sie ja zum Frühstück schon in der A-Klasse unterwegs, ganz ohne Elchtest“, was ein huldvoll-amüsiertes Lachen hervorbringt, nun wirklich fast kaiserlich, auf jeden Fall ist sie braungebrannt, wie Sisi, wenn sie aus Korfu heimkehrt zum ob ihrer häufigen Abwesenheit traurigen Franz Joseph, dem mit dem Bart, ja, „Wir wollen unseren Kaiser wieder hobn“ könnte man anstimmen, und der Maestro dirigiert nun wirklich kaiserlich, wohlbeleibt hüpfend zuweilen, darf man es sagen?
Er sieht tatsächlich so aus, wie man sich einen fracktragenden Walzerkönig vorstellt, und die Agilität und Lebensfreude reißt alle mit, allen vorab das Orchester, und dann die 2100 Walzerliebhaber, die heute zusammengefunden haben! Und so können sich die Wiener voll entfalten, es brandet ihnen die vollste Sympathie des Saalrundes entgegen, nicht zuletzt der „Krapfenwaldl Polka schnell“ wegen.
In einem nun wirklich lustig inszenierten Sketch zwischen den beiden Schlagzeugern rechts und links, der eine der Kuckuck, der andere das Vogelgezwitscher, dazu führt, dass der Kuckuck geradezu revoltierend zum Dirigenten hinuntersteigt, gar nicht einfach an den wirbelnden Geigenbogen vorbei, und dem Vollbeschäftigten und sich immer mit dem Taschentuch den Schweiß von der Stirn trocknenden Maestro anklagend seine Noten vorhält – die reine Gaudi bricht nun aus.
Als aber der als virtuos-populäre Radetzky-Marsch gegeben wird – der größte Erfolg damals von Strauss Vater –, wird geklatscht, dass sich die Balken biegen, Johannes Wildner befehligt nun die Ränge einzeln, da ist der Höhepunkt des sonnenüberstrahlten Hamburg Morgens erreicht!
Der wahre Kaiser aber erscheint mir zweimal, als Sechsjähriger im blauen Blazer. Vorher entdeckte ich ihn im Foyer: „Du bist ja heute der jüngste hier!“ – und zum Ende, der Zufall will es, neben den treusorgenden Großeltern! „Wie hat’s Dir denn gefallen, Kleiner?“ – „Einfach super!“
Und dem ist nichts hinzuzufügen.
Harald Nicolas Stazol, 6. Februar 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Die Fledermaus, Musik von Johann Strauß Wiener Staatsoper, 31. Dezember 2023
Neujahrskonzert Wiener Philharmoniker, Franz Welser-Möst Musikverein, Wien, 30. Dezember 2022