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Wiener Musikverein, Goldener Saal 17. Oktober 2018
Tonkünstler-Orchester Niederösterreich
Yutaka Sado, Dirigent
Beatrice Rana, Klavier
Gottfried von Einem, Tanz-Rondo, op. 27
Frédéric Chopin, Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 E-moll, op. 11
Frédéric Chopin, Prelude op. 28 Nr. 16 in B-moll ( Zugabe)
Jean Sibelius, Symphonie Nr. 5 Es-Dur, op. 82
von Julian Dworak
Der Herbst ist angebrochen, die Blätter werden gelb, und die Vorbereitungen auf ein fröhliches Weihnachtsfest sind nicht mehr allzu weit entfernt. Doch der Übergang von Sommer auf Herbst ist dieses Jahr ein wenig verzögert. So ist heuer immer wieder die Frage: nur ein Hemd oder doch mit Sakko? Wie soll man ihn besuchen, den Wiener Musikverein?
Ebenfalls von einer gewissen Unentschlossenheit geprägt waren zwei Werke, die das Tonkünstler-Orchester Niederösterreich unter der Leitung von Yutaka Sado am 16. Oktober zum Besten gab. Gottfried von Einems Tanz-Rondo schwankt zwischen dramatischem Tanz und hochromantischer Verträumtheit und die spätromantische 5. Sinfonie in Es-Dur von Jean Sibelius hat wiederum moderne Momente. Chopins Klavierkonzert ist aber durchweg romantisch
Mit kühlem Kopf und einem souveränen Lächeln betrat der japanische Dirigent Yutaka Sado zügig die Bühne des Goldenen Saals und gab den Auftakt zu Gottfried von Einems Tanz-Rondo. Ein akzentuiertes, tänzerisches Motiv der Oboe stand sogleich im Rampenlicht, ein wenig später übernahm es die Klarinetten, weitere Instrumentengruppen wechselten sich fortan ab.
Einems Musik war von Spontanität geprägt. Mal war es ein wilder Tanz über glühende Kohlen, mal ein friedvoller unter Sonnenschein. Und mittendrin eine wunderschöne romantische Melodie.
Für die goldene Mitte des Konzerts, betrat die Solistin des Abends die Bühne. Die italienische Pianistin Beatrice Rana erschien im goldenen Glitzerkleid – vielleicht inspiriert durch den goldenen Saal? – sie zog aber nicht nur durch ihre auffällige Garderobe alle Aufmerksamkeit auf sich
Frederic Chopin schrieb im Alter von 20 Jahren gleich zwei Klavierkonzerte. Nicht minder bemerkenswert ist, wie die erst 25-jährige Rana mit einer Selbstverständlichkeit Chopins erstes Klavierkonzert in E-moll spielte.
Während einer längeren Einleitung des Orchesters, ruhte Rana auf ihrem Stuhl, der Blick starr. Eigenartig muss es sein im Mittelpunkt zu sitzen und dennoch gute fünf Minuten auf seinen ersten Einsatz zu warten. Doch dann, mit großer Entschlossenheit, entwichen die ersten wuchtigen Klänge aus dem Klavier.
Ranas Spiel ist präzise, technisch auf allerhöchstem Niveau und gleichzeitig sehr musikalisch. Die für Chopin typischen chromatischen Melodien phrasierte sie mit großer Musikalität. Einzig ein wenig Leichtigkeit, das Spiel mit den Tempi, das oftmals gefürchtete „Chopin-Rubato“ ließ sie vor allem im ersten Satz vermissen. Im zweiten Satz, eine sensible Romanze, stand die feinfühlige Seite Ranas im Vordergrund. Und das finale Rondo spielte sie pointiert und mit trockenem Humor.
Chopin gab dem Orchester eine unterstützende Rolle. Das Klavier und sein Pianist soll im Vordergrund stehen. Dies steht im Kontrast zu vielen anderen Klavierkonzerten namhafter Komponisten, die oftmals den Dialog von Orchester und Klavier forcierten. Die Tonkünstler drängten sich in manchen Momenten leider ein wenig zu sehr in den Vordergrund und spielten eine Spur zu laut während der Klavierparts.
Nach starkem Applaus brillierte Rana solo mit einem Prelude von Chopin. Presto con Fuoco (also wirklich schnell) ist die Tempoangabe von Chopins sechzehntem Preludes – in der rechten Hand notierte Chopin durchgehend Sechzehntel – Chopin mochte wohl das Spiel mit Zahlen.
Kaum eine Minute dauerte Ranas hochvirtuose Darbietung. Manch Klavieranfänger hatte vermutlich Tränen in den Augen. Rana spielte die Läufe der rechten Hand klar und fehlerfrei, dies bei höchstem Tempo – Chapeau.
Nach dem Werk eines Polen mit französischem Namen, stand ein Werk eines Finnen mit französischem Namen auf dem Programm.
Die fünfte Symphonie des finnischen Nationalkomponisten Jean Sibelius zelebriert Simplizität. Ist es im ersten Satz ein anfängliches Motiv des Horns, welches bereits einen Großteil des motivischen Materials preisgibt, beschäftigen sich die Sätze zwei und drei umfangreich mit einzelnen Intervallen – im zweiten mit der Quart und im dritten mit der Quint.
Mit idyllischen Frühlingsgefühlen eröffnete der erste Satz. Die Hörner spielten ein erweckendes Motiv, die restlichen Bläser untermalten, doch mit einem zarten Paukenwirbel begab sich die Musik in dramatischere Gefilde. Die Streicher tremolierten unentwegt, stellenweise hörte man regelrecht Bienenschwärme. Doch mit Bezug auf den Beginn entfaltete sich schlussendlich ein imposanter Sonnenaufgang. Kurz und bündig erstrahlte das Orchester schlussendlich in voller Klangfülle – wagnerianische Ausmaße.
Der Glanzmoment des Niederösterreichischen Tonkünstlerorchesters war sicherlich die Sibelius Symphonie. Malerisch war es, wie im zweiten Satz die Streicher über sanfte Töne der Bläser strichen. Und der finale Satz emotionalisierte durch eine simple Akkordprogression, wie man sie von Aram Khatschaturjans Spartacus oder Something von den Beatles kennt.
Das Ende dieser durchweg (spät)romantischen Sinfonie ist dann gar skurril, und gar nicht mehr romantisch. Eine Folge aus sechs Schluss-Akkorden verblüffte den Unwissenden. Abgehackt und mit unregelmäßigen Pausen stellt diese finale Kadenz den „Zusammenhalt“ eines Orchesters auf die Probe. Spielen Sie synchron, die Tonkünstler?
Prüfung bestanden!
Julian Dworak, 19. Oktober 2018
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