Der Tod auf der Bühne – Ein Abend für Annika Schlicht

Giuseppe Verdi, Messa da Requiem, Deutsche Oper Berlin, 18. Oktober 2018

Foto: © Thomas Bartilla
Giuseppe Verdi, Messa da Requiem, Deutsche Oper Berlin, 18. Oktober 2018

von Regine Neudert

Wenn der Chor der Deutschen Oper das Dies Irae mit geballter Kraft in den Saal der Deutschen Oper schickt, beschleicht einen das Gefühl, man könne die Musik noch auf der vielbefahrenen Bismarckstraße hören. Das Verdi-Requiem in der Produktion von 2001 steht aktuell wieder auf dem Spielplan der Deutschen Oper.

Nicht selten wird Verdis Messa da Requiem als seine eigentlich „beste Oper“ bezeichnet. Die dramatische Kraft, die dem Werk innewohnt, veranlasste viele Opernhäuser in den letzten Jahren immer wieder dazu, Regisseure mit einer Inszenierung der für die Konzertbühne gedachten Totenmesse zu beauftragen. So bekam auch Achim Freyer in Berlin die Gelegenheit, den Tod in seiner eigenen Ästhetik auf die Bühne zu bringen.

Schwarz und weiß und zunehmend blutrot ist diese Bühne. Freyers Bilder sind stark, grotesk und symbolistisch. Interaktion zwischen den Charakteren, eine dazu gedichtete Handlung gar, wird zum Glück nicht in Verdis Requiem hineininszeniert. Achim Freyer stützt sich vielmehr auf die szenische Kraft seiner einzelnen Figuren und Farben. Der Tot ist in seinen Bildern allgegenwärtig.

Der minimalistische Bühnenraum wird geteilt durch eine horizontale Schräge, die wie ein Laufsteg funktioniert für Statisterie und SolistInnen. Gezeigt wird hier, in einem ständigen Menschenstrom, den der Regisseur von links nach rechts über diese Plattform schickt, das qualvolle Dasein des Menschen auf der Erde. Darunter, in der Unterbühne, platziert Freyer die Hauptakteure des Abends – den Chor. Wie Tote in der Unterwelt, die keine Ruhe finden. Gedeckelt klingt das und zu allem Überfluss singt der Chor zwischenzeitlich sogar im Dunkeln. Wie lässt es sich wohl singen dort unten, unter solch schwierigen Bedingungen?

Der Chor der Deutschen Oper gibt an diesem Abend alles, läuft, was die Lautstärke betrifft, zu Höchstformen auf. Vor allem der Bass glänzt an diesem Abend mit Wohlklang und Intonation. Die unheimlich gefühlvollen Pianissimi des Chors im Libera Me werden zum heimlichen Höhepunkt des Abends. Lediglich eine verständliche Textartikulation lässt der Chor vermissen. Dies ist mit großer Wahrscheinlichkeit der unglaublichen Lautstärke des Orchesters, angetrieben von Benjamin Reiners am Dirigentenpult, zuzuschreiben. Dieser holt alles aus seinen MusikerInnen heraus, schafft es allerdings nicht, den Abend musikalisch zusammenzuhalten. Der Fairness halber muss gesagt werden, dass die Positionierung der SolistInnen im Raum ein gelungenes Ensemblesingen äußerst erschwert. Bedauernswerterweise vernachlässigt der Dirigent bei aller Kraft eine differenziertere Dynamik, die Verdis Totenmesse durchaus verlangt. So donnert und grollt es den gesamten Abend über im Orchestergraben und die SolistInnen haben hörbar Mühe, sich Gehör zu verschaffen.

Dies gelingt am Ende auch nur Mezzosopranistin Annika Schlicht und das mit Bravour. Als „Der Tod-ist-die-Frau“ personifiziert, trägt sie den Abend mit einer majestätischen Durchschlagskraft in der Stimme, die in keinem Moment angestrengt oder forciert klingt. Mit ihrem imposanten Stimmvolumen begeistert sie restlos und stellt dabei die anderen Ensemblemitglieder in den Schatten. Zweifelsohne lohnt sich dieser Abend bereits allein ihretwegen.

Trotz eines etwas zu lauten Orchesters, einer Regie, von der man entweder überzeugt ist oder eben nicht, eines etwas schwach besetzten Ensembles und eines in die Unterwelt verbannten Chors, belohnt das Publikum die Akteure und Akteurinnen des Abends mit stürmischem Beifall und enthusiastischen Bravorufen.

Weitere Vorstellungen am 18., 24., 30. Oktober und am 9. November jeweils 19.30 Uhr in der Deutschen Oper Berlin.

Regine Neudert, 19. Oktober 2018,
für klassik-begeistert.de

Musikalische Leitung, Benjamin Reiners
Inszenierung, Bühne, Kostüme, Licht, Achim Freyer
Lichtgestaltung, Ulrich Niepel
Chöre, Jeremy Bines
Sopran (Der Weiße Engel), Michelle Bradley
Mezzosopran (Der Tod-ist-die-Frau), Annika Schlicht
Tenor (Einsam), Robert Watson
Bass (Der Beladene), Derek Welton
Tänzerinnen und Tänzer, Opernballett der Deutschen Oper Berlin

Chor der Deutschen Oper Berlin
Orchester der Deutschen Oper Berlin

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