Sommernachtskonzert 2022, © Max Parovsky
Sommernachtskonzert
Schönbrunn, Wien, 16. Juni 2022
Werke von Ludwig van Beethoven, Mykola Lysenko, Arturs Maskats, Camille Saint-Saëns, Gioachino Rossini, George Enescu, Bedřich Smetana, Antonín Dvořák, Johann Strauß II
Wiener Philharmoniker
Andris Nelsons, Dirigent
Solist: Gautier Capuçon, Violoncello
von Herbert Hiess
Manchmal gibt es Anlässe, „alte“ Beurteilungen zu revidieren – und wie hier bei Andris Nelsons eine völlig gegensätzliche Meinung zu bilden. Irgendwie fühlte man damals von dem sehr rasch in lichte Höhen katapultierten Maestro eine gewisse Skepsis. Es waren Aufführungen zu erleben, die keinerlei Interpretation hören ließen; er hatte wenig Charisma, eine merkwürdige Schlagtechnik, die in ein oftmals wildes „Gerudere“ mündete und es waren letztlich immer wieder von ihm recht merkwürdige Grimassen zu sehen, die nichts mit der Musik zu tun hatten.
Und bei diesem Sommernachtskonzert 2022 war von dem fast nichts mehr zu bemerken. Zwar immer noch wenig Charisma, dafür aber eine blitzsaubere Schlagtechnik und – was wichtig ist – hoch herausragende Interpretationen.
Gemeinsam mit den Wiener Philharmonikern schnürte er ein Paket mit Werken von europäischen Komponisten, die im Programmablauf eine Reise durch die europäischen Länder bildete. Im Zeichen des Ukraine-Krieges war natürlich auch dieses Land ein Schwerpunkt. Nach der exzellent gespielten „Leonore III“-Ouvertüre, wo sich der Paukist bei den Schlusstakten wieder die Freiheit des unangebrachten Crescendos genehmigte, hörte man den schwermütigen Walzer des ukrainischen Komponisten Mykola Lysenko.
Danach ging es ins Baltikum zum lettischen Komponisten Arturs Maskats mit seinem „Tango für symphonisches Orchester“. Großartig die Rubati und musikalischen Wendungen, die von Nelsons meisterlich geführt wurden. Obwohl Lette, tauchte er mit seinem Werk völlig authentisch in den argentinischen Tango-Flair ein. Echt begeisternd die diversen Orchestersoli – hier noch gewürzt mit einem Bandoneon (Anm.: ein akkordeonartiges Instrument).
Danach kam der französische Meistercellist Gautier Capuçon zum Zuge. Er ist heute einer der besten Cellisten der Welt und verzauberte mit dem Konzert von Camille Saint-Saëns das Publikum; offenbar ist ihm kein Griff, kein Lauf zu schwer. Bewundernswert, mit welcher Souveränität er jede Schwierigkeit meisterte. Das Werk des französischen Komponisten ist im klassischen frühromantischen Stil geschrieben. Der zweite Satz (Menuett) dürfte eine Reverenz an Jacques Offenbach sein – hier hört man deutlich das Menuett aus „Orpheus in der Unterwelt“.
Capuçon spielte danach mit den Streichern eine Bearbeitung eines melancholischen Stückes eines ukrainischen Komponisten; da bewies er wieder einmal seinen singulären Status als Cellist.
Danach kamen eine brillant gespielte Ouvertüre zu Rossinis „La gazza ladra“; eine phantastische, mit vielen Rubati und Einlagen gewürzte „Rumänische Rhapsodie“ von George Enescu und eine hochvirtuos gespielte Ouvertüre zu Bedřich Smetanas„Die verkaufte Braut“, die vielleicht noch mehr Biss vertragen hätte.
Antonín Dvořáks „slawischer Tanz“ in e-moll war ein berührender Abschluss des offiziellen Teiles; der obligat als Zugabe gespielte Walzer „Wiener Blut“ bewies, dass die Philharmoniker noch immer unangefochten das beste Orchester für Werke der Walzer-Familie ist.
Neben Nelsons und dem Orchester brillierten natürlich noch einzelne Philharmoniker als traumhafte Orchestersolisten; stellvertretend Rainer Honeck als Konzertmeister und Daniel Ottensamer an der Soloklarinette.
Das erfreulichste an diesem Abend war, dass Andris Nelsons nun tatsächlich dort angelangt ist, wo viele ihn schon vermutet haben. Und nichts fällt eben leichter, als eine ursprüngliche Meinung zu ändern – vor allem, wenn sie in diese Richtung geht!
Herbert Hiess, 17. Juni 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Sommernachtskonzert 2020, Wiener Philharmoniker Schönbrunn, 18. September 2020
Wiener Philharmoniker, Valery Gergiev, Anna Netrebko, Schlosspark Schönbrunn
Der Eindruck vor Ort ist natürlich ein ganz anderer als zuhause, vor dem 📺, auch wenn der Ton über eine gute Stereoanlage kommt. Abgesehen von der Programmauswahl ( Sommerkonzert ! ) hat mich aber auch das Dirigat nicht überzeugt.
herbert zahorik