Philharmonische Liebesgrüße aus Wien

Sommernachtskonzert 2020, Wiener Philharmoniker  Schönbrunn, 18. September 2020

Sommernachtskonzert 2020
Konzert am 18. September 2020 in Schönbrunn
Wiener Philharmoniker
Valery Gergiev

Foto: Stadt-wien.at

von Herbert Hiess aus Schönbrunn

Aufgrund der derzeit allgegenwärtigen Corona-Pandemie wurde aus dem Sommernachtskonzert eine „Gerade-Noch-Sommernachtskonzert“ – denn drei Tage vor Herbstbeginn gab es diese Veranstaltung unter geänderten Vorzeichen am 18. September 2020.

Anders war die Höchstzahl von 1000 Personen im Publikum; da wurde das Publikum genau registriert; der Park wurde generell am Konzerttag und am Vortag (Generalprobe) um 18h gesperrt; das Publikum musste natürlich beim Einlass und beim Verlassen des Konzertes maskiert sein und es wurde beim Einlass auch Fieber gemessen.

Anders war aber auch die Besetzung – denn zum ursprünglich schon für Mai 2020 geplanten Startenor hat man den Stardirigenten Valery Gergiev gewinnen können. Und genau dieser machte aus diesem Abend ein ganz besonderes Fest. Die ursprünglich unter dem Motto „Liebe“ stehende Veranstaltung wurde noch um das Symbol „Hoffnung“ erweitert – vor allem hinsichtlich der Pandemie, wie Philharmonikervorstand Daniel Froschauer bei der Eingangsansprache erwähnte.

Und das konnte niemand besser vermitteln als diese beiden begnadeten Künstler. Schon bei dem Fragment der Rosenkavalier-Suite spürte man die brennende Begeisterung von Dirigent und Orchester. Großartig hier der 1. Oboist, den man später noch bei vielen Stücken bewundern konnte.

Dann kam als philharmonische Premiere ein orchestraler Ausschnitt von Wagners „Tristan und Isolde“ – wie immer kunstvoll arrangiert von Leopold Stokowski. Da bewies sich Gergiev wieder als glänzender Wagner-Dirigent. Grandios, wie es da im Orchester bei der um Isoldes Liebestod klingenden Motive vibrierte.

Dann ging es nahtlos nach Frankreich. Nach der wunschkonzerttauglichen Barcarole aus Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“ kam der lang erwartete  Auftritt des Startenors Jonas Kaufmann, der Werthers traurige Arie aus dem dritten Akt der gleichnamigen Oper sang. Mit unnachahmlichen Schmelz in seiner kostbaren Stimme vermittelte er deutlich das Leiden von Goethes Romanfigur.

Orchestral ging es dann munter weiter mit einem traumhaft gespielten Scherzo von Mendelssohns Sommernachtstraum. Genial, wie hier die Streicher und vor allem die Holzbläser virtuos spielten – da konnte man sich deutlich die Streiche von Puck und den Elfen vorstellen.

Danach ein Abstecher in die österreichisch-ungarische Monarchie. Jonas Kaufmann zelebrierte geradezu die Hymne an die Frauen von Kalman. Unglaublich, wie er die Legatobögen hier in höchste Höhen kunstvoll führte. Und Gergiev begleitete die ebenso unglaublich großartigen Wiener Philharmoniker mit einer großartigen „Edelsüße“.

Zwei philharmonische Konzertpremieren gab es im Anschluss. Nach der Doktor Schiwago-Suite von Maurice Jarre, die man selten so eindrucksvoll hören konnte, spielten die Philharmoniker das Adagio aus Chatschaturjans Ballett „Spartacus und Phrygia“. Der Komponist hatte das Stück mit dem Orchester vor Jahrzehnten aufgenommen; von den damals im Orchester spielenden Mitgliedern gibt es heute natürlich niemanden mehr im Orchester. Trotz alldem hörte man diese großartige Musik, die übrigens auch als Signation der in den 70ern entstandenen Serie „Onedin Linie“ diente. Und hier war Gergiev mit den Philharmonikern voll in seinem Element – da spürte man völlig die Emotionen und die Leidenschaft.

Nach einem brillanten „Nessun Dorma“ aus Puccinis „Turandot“ ging man stil- und ortsgerecht zurück in die österreichisch-ungarische Monarchie. Vor der Traumkulisse des Schönbrunner Schlosses ließ Jonas Kaufmann mit „Wien, Wien, nur du allein“ die Herzen (vor allem der Frauen) höher schlagen. Mit stilecht eingesetztem Wiener Dialekt und fast kecken Augenzwinkern sang der die heimliche Hymne der österreichischen Hauptstadt.

Und zum Abschluss spielten die Philharmoniker unter Gergiev einen mitreißenden und gleichzeitig wehmütigen „Wiener Blut“-Walzer. Phantastisch wurde das Streichquartett in der Einleitung gespielt; da glaubte man tatsächlich, man befände sich an einem schönen Sommerabend bei einem romantischen Heurigen. Und der Walzer war eine eindrückliche Empfehlung von Gergiev als Neujahrskonzert-Dirigent. Phantastisch, mit welcher Übereinstimmung er und die Musiker diese großartige Musik zum Klingen brachten.

Trotz aller Unbilden in der derzeitigen Situation war es ein mehr als gelungenes Konzert – und dank des sprichwörtlichen „Kaiserwetters“ wurde es ein unvergesslicher Abend.

Herbert Hiess, 19. September 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Richard Strauss: Der Rosenkavalier – Suite (Vorspiel 1. Akt, Überreichung der Silbernen Rose)
Richard Wagner: Tristan und Isolde (Love Music  – Ausschnitt) Arr.: Leopold Stokowski
Jaques Offenbach: Les Contes d’Hoffmann: Barcarole)
Jules Massenet: Werther – Pourquoi me réveiller
Felix Mendelssohn-Bartholdy: Ein Sommernachtstraum: Scherzo
Emmerich Kálman: Gräfin Mariza: Wenn es Abend wird (Grüß mir mein Wien)
Maurice Jarre: Doktor Schiwago – Suite
Aram Chatschaturjan: Spartacus und Phrygia, Adagio
Giacomo Puccini: Turandot – Nessun Dorma
Zugaben:
Rudolf Sieczyńki: Wien, du Stadt meiner Träume (Wien, Wien, nur du allein)
Johann Strauß (Sohn): Wiener Blut, Walzer, op. 354

Ein Gedanke zu „Sommernachtskonzert 2020, Wiener Philharmoniker
Schönbrunn, 18. September 2020“

  1. Guten Morgen,
    der Eindruck vor Ort ist immer ein anderer als jener, den die Medien übermitteln können. Leider war diesmal eine schlechte Tontechnik daran schuld, dass ich leider diesen Abend nicht so empfinden konnte. Über die Interpretation einzelner Stücke kann und soll man auch diskutieren dürfen. Allerdings ist das diesmal eben nicht so einfach.
    Ich wünsche allen Klassikfreunden einen schönen Sonntag.
    Herbert Zahorik

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