Filigrane Finessen – dieses Mozart-Programm schwebt schwerelos

Wiener Philharmoniker, Daniel Barenboim, Mozart_programm  Staatsoper Unter den Linden, 6. April 2022   

Foto: Wiener Philharmoniker, Daniel Barenboim, © Peter Adamik

Daniel Barenboim präsentierte mit den Wiener Philharmonikern ein reines Mozartprogramm

Staatsoper Unter den Linden, 6. April 2022

Wiener Philharmoniker
Daniel Barenboim  musikalische Leitung

Wolfgang Amadeus Mozart:

Sinfonie g-moll KV 183
Klavierkonzert B-Dur KV 595
Sinfonie D-Dur KV 504 „Prager“

von Kirsten Liese

An der Mozartinterpretation scheiden sich die Geister. Zweifellos hatte Nikolaus Harnoncourt seinerzeit mit seinen, an der historisch informierten Aufführungspraxis orientierten Einstudierungen bedeutsame Akzente gesetzt, ungemein schlank und transparent tönte da die Musik, Dissonanzen und Reibungen traten deutlich hervor, Klang wurde zur Rede.

Parallel dazu finden sich  immer noch und glücklicherweise bedeutsame Dirigenten, die Mozart mit modernen Instrumenten und jenseits dieser Stilistik wunderbar leichtfüßig und zärtlich musizieren und dankbarerweise mit Allegro oder Presto überschriebene Sätze weniger schnell herunter hasten als so manche sogenannten Originalklangensembles.

Der geniale Riccardo Muti gehört ganz vorne dazu und der ein Jahr ältere Daniel Barenboim, der nun  mit bald 80 Jahren immer mehr  einen sehr minimalistischen Altersstil ausprägt, der an Otmar Suitner erinnert, seinen einstigen Vorgänger an der Berliner Staatsoper, seinerseits ein grandioser Mozart-Dirigent. Da schließt sich der Kreis.

Kurzum, mit kleinsten Bewegungen erreicht Daniel Barenboim bei seinem  ersten Konzert der diesjährigen österlichen Festtage mit den Wiener Philharmonikern größte Wirkungen.

Die g-moll Sinfonie besitzt im ersten Satz das nötige vorgegebene Brio, kraftvoll tönen die  Quartsprünge in den ersten Takten, der innere Aufruhr des von unruhigen Synkopen und jagenden Tremoli bestimmten Kopfsatzes vermittelt sich von Anfang an. Und wie herrlich dann die Momente, wenn der an diesem Abend viel beschäftigte Solo-Oboist Clemens Horak seine lyrischen Melodien anstimmt, zutiefst beseelt und mit der denkbar größten Zärtlichkeit.

Überhaupt wirkt dieses Mozart-Programm  schwebend und schwerelos, moderate Tempi kommen dem Rokoko-Charakter zugute.

Im Andante fühlt man sich dann dank des Wohlklangs der Streicher wie auf Wölkchen gebettet, bevor es im Menuett noch einmal energischer-  und schließlich im Finale durchaus einmal flotter zugeht.

Bekanntlich stellt gerade der geforderte leichtfüßige Charakter viele Interpreten bei Mozart vor große Herausforderungen, insbesondere auch Pianisten tun sich oft schwer damit.

Barenboim, der an diesem Abend auch als Solist mit dem Klavierkonzert KV 595 hervortritt und vom Flügel aus dirigiert, brilliert  an den Tasten mit einer bewundernswert leichten Anschlagskultur, von der viele nur träumen können. Die vielen schnörkelreichen Girlanden und die hübschen Melodien im Diskant perlen nur so dahin, jedes noch so kleine Motiv wirkt filigran ausziseliert, und das in vollendeter Perfektion ohne den geringsten Fehlgriff. Mozart, das sagte schon die Klavierlegende Menahem Pressler, verleiht uns Flügel.

Schon in jungen Jahren hat Barenboim die Mozart Klavierkonzerte- und fortan unzählige Male gespielt, umso faszinierender ist es zu erleben, dass er all die teils ohrwurmartigen Themen mit der gebotenen Schlichtheit fern jeglicher Routine in den Raum stellt, als sei es ein Kinderspiel. Alles lebt und vibriert aus dem Augenblick. Dabei ist auch der Einsatz des rechten Pedals sparsamer geworden. So dezent wie Barenboim davon Gebrauch macht, hätte man mit geschlossenen Augen meinen können, der Interpret sei Walter Gieseking, der Mozart meist ganz ohne Pedal spielte.

In der den Schlusspunkt bildenden „Prager“ –Sinfonie zeigte sich dann, dass durchaus mit einem Orchester in mittelgroßer Besetzung und moderner Spielweise der Streicher transparente Strukturen zu erzielen sind, wenn einer wie Barenboim, der die Sinfonie aus dem FF kennt, die Architektur des Stücks deutlich auffächert. Wie die Stimmen  einander imitieren, sich ins Wort fallen, widersprechen oder ineinander verschränken- das alles ließ sich hier genau nachvollziehen.

Das Publikum in der nahezu ausverkauften Philharmonie feierte ihn dafür verdient mit Ovationen.

Kirsten Liese, 7. April 2022, für
klassik-begeistert.de und Klassik-begeistert.at

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