Riccardo Muti unternimmt in Salzburg packende emotionale Achterbahnfahrten

Wiener Philharmoniker, Riccardo Muti  Salzburg, Großes Festspielhaus, 15. August 2023

Riccardo Muti (Dirigent) © SF / Marco Borrelli

Giuseppe Verdi
Stabat Mater und Te Deum aus den Quattro Pezzi Sacri

Anton Bruckner: Sinfonie Nr. 7 E-Dur

Wiener Philharmoniker
Konzertvereinigung der Wiener Staatsoper

Serafina Starke, Sopran
Musikalische Leitung: Riccardo Muti

Salzburg Großes Festspielhaus, 15. August 2023

von Kirsten Liese

Draußen stehen noch Hoffnungsvolle, die eine Karte suchen, der Ansturm auf das letzte der von Riccardo Muti geleiteten Konzerte  in Salzburg ist gewaltig. Er ist wohl der einzige Dirigent, bei dem an drei Vormittagen kein Stuhl im Großen Festspielhaus leer bleibt, wo zu beiden Seiten des Podiums noch zusätzliche Sitzreihen angebaut wurden.

Mit 82 Jahren hat der Italiener, der den Festspielen traditionell zur Augustmitte die Ehre erweist, für die Mozartstadt eine Bedeutung gewonnen wie einst Herbert von Karajan, der ihn erstmals Anfang der 1970er Jahre dorthin einlud. Und wo er seither auch treffliche Opernproduktionen dirigierte, erinnere ich mich nur an Macbeth, Die Zauberflöte oder zuletzt 2017 Aida.

Mittlerweile haben die Hotelpreise stark angezogen. Ein einfaches Zimmer ist unter 200 Euro kaum noch zu bekommen. Es gibt nur wenige andere Künstler, für die ich mir einen solchen Luxus leiste. Muti ist es mir jedenfalls wert, solange ich das Geld aufbringen kann. Auf schlechte Operninszenierungen kann ich verzichten.

Dass kurz vor seinen jüngsten Auftritten die Falstaff- Premiere gewaltig floppte,  erscheint so gesehen schon fast wie eine Ironie des Schicksals. Mit Muti am Pult hätte sich das Desaster sicherlich abwenden lassen, aber Regisseure wie Christoph Marthaler, die Handlungen neu erfinden und Stücke mit allerhand Unsinn verhunzen, jubelt man Muti nicht unter. Kompromisslos lehnt er jeglichen Regiemurks ab. Und dirigiert – weil die Misere weit verbreitet ist – Opern selten nur noch konzertant oder in Zusammenarbeit mit seiner Tochter Chiara, die in Neapel und Turin gezeigt hat, dass sie von Opernregie etwas versteht. Für diese Konsequenz und die damit einhergehende Mitverantwortung, der sich andere Dirigenten nicht stellen, liebt ihn sein Publikum. Ich auch.

Aber genug der Vorrede.

Verdi kam jedenfalls doch noch gebührend zu Ehren in Salzburg. Die zwei ausgewählten Stücke aus seinen Quattro Pezzi Sacri  habe ich zum ersten Mal unter Muti gehört. Noch nie zuvor in anderen Interpretationen hatten sie mich derart gepackt. Das lag an erster Stelle freilich an der gewaltigen Dramatik, die der Maestro schon mit dem ersten Ton des Stabat Mater an den Tag legt. Bisweilen erbeben die Wände des Großen Festspielhauses, wenn von Schmerz und Marias Leid die Rede ist wie in den Versen Quis non posset contristari oder Pro peccatis suae gentis. Das besitzt eine Wucht wie beim Dies Irae in Verdis Requiem. Aber dabei geht es nicht allein um Dynamik. Die Wiener Philharmoniker und der von Huw Rhys James trefflich einstudierte Wiener Staatsopernchor spielen und singen eben nicht nur laut, sondern mit einem Ausdruck des Unheilvollen, dass einem die Musik durch Mark und Bein geht.

Hier ist rundum eine Gestaltung zu erleben, die bewusst macht, was auch Verdis Requiem im Besonderen ausmacht: des Komponisten Skepsis allem Religiösen gegenüber und seine Zweifel an der gleichwohl unermüdlich erflehten Barmherzigkeit. Das vermittelt sich nahezu in jeder Silbe. In den a cappella-Gesängen Me sentire vim doloris/Fac ut tecum lugeam (Dass ich mich mit dir betrübe, dass ich fühl die Schmerzen dein) wie in den Momenten, wo Muti jeder einzelnen Note besonders Gewicht gibt: Et plagas recolere (Fählen wie dein Mutterherz).

Bei aller Wucht, die jeder dramatische Ausbruch besitzt, hat Muti für den nächsten immer noch eine Steigerung in Reserve. Zum  Höhepunkt werden die letzten Phrasen  vor dem Amen, Quando corpus morietur/Fac ut animae donetur/ Ad palmam victoria (Jesus, wann mein Leib wird sterben, Lass dann meine Seele erben Deines Himmels Seligkeit), in denen Verdi bei allem Pessimismus mit der denkbar größten Dringlichkeit der Hoffnung Raum gibt. Energetisch ist das ein einzigartiger Moment im Festspielhaus, die geballte Kraft schwingt bis in den Boden unter die Füße hinein.

Das Te Deum hinterlässt – wiewohl seitens des Textes mehr auf Lobpreisungen abgestellt – einen ähnlichen Eindruck, jedenfalls kommt es nicht ansatzweise so majestätisch, festlich und strahlend daher wie das Te Deum des streng gläubigen Katholiken Anton Bruckner, dessen siebte Sinfonie im zweiten Teil des Konzertes folgen sollte.

Mit einem längeren Chorgesang a cappella, der an liturgische gregorianische Gesänge erinnerte, beginnt dieses Stück in einer sehr homogenen Darbietung.

Auch hier folgen  im weiteren Verlauf explosive Momente der Erschütterung, insbesondere bei der flehentlichen Bitte Salvum fac populum tuum, Domine (Rette Dein Volk, o Herr).

Wirklich alles, was man an Schönheit, Demut und Herrlichkeit in die Waagschale werfen kann, um den Herrgott gnädig zu stimmen, bietet Verdi in seinen letzten Versen mit einem himmlischen Solo auf, das üblicherweise Sängerinnen aus dem Chor übernehmen, weil es so kurz ist.

An diesem Vormittag aber gönnte man sich den Luxus einer Solistin, durfte man eine bezaubernd lichte Sopranstimme entdecken, von der man bei anderer Gelegenheit gerne viel mehr hören würde: Serafina Starke, noch am Anfang einer vielversprechenden Karriere, breitet da gleichsam einem Engel ihre Schwingen aus, hellt die trübe, furchterregte Musik mit ihrem glockenhellen, lieblichen Timbre auf. Ein bisschen fühlt man sich dabei an das Libera me im Requiem erinnert. Absolute Ruhe nach dem großen Sturm.

Die anschließend folgende Sinfonie scheint Muti besonders von Bruckner zu lieben, jedenfalls hat er sie schon einmal mit den Wienern bei einem Gastauftritt 2018 in Berlin dirigiert. Mir ist dieses Konzert unvergesslich, weil er diese Musik so herrlich in aller Breite zelebrierte, dass ich mit verbundenen Augen hätte meinen können, der geniale Bruckner-Dirigent Sergiu Celibidache wäre von den Toten auferstanden.

Allzu gerne würde ich weitere Bruckner-Sinfonien unter Muti hören, aber das war mir bislang leider nicht vergönnt. Egal, dann halt nochmal die Siebte. Und nochmal so toll.

In der Corona-Zeit haben die Wiener, mit Muti seit 50 Jahren in einer engen freundschaftlichen Beziehung, Bruckner viel rauf und runter gespielt. Gleich für zwei Labels hat das Orchester sämtliche seiner Sinfonien als Zyklus mit Christian Thielemann maßgeblich aufgenommen. Und da Muti und Thielemann in ihrem musikalischen Verständnis sehr dicht beieinander liegen, musste sich niemand groß umstellen.

Vielleicht auch deshalb wirkt Mutis so plastische Zeichensprache, die selbst versteht, wer von Dirigieren keine Ahnung hat, im Bruckner deutlich reduzierter als beim Verdi. Er muss nicht so tun, als müsste er an den lyrischen Stellen ein noch größeres Piano einfordern, wo ohnehin schon sensitiv leise musiziert wird, allenfalls für einen kraftvollen Einsatz wie zum Beginn des Scherzos mit den Armen weiter ausholen.

Ansonsten macht er das, was Celibidache von einem exquisiten Dirigenten einforderte: Er tut nichts, sondern lässt geschehen, badet mit sparsamen Bewegungen in der Musik, durchlebt sie, kostet sie – insbesondere das herrliche Adagio mit seinen wunderbaren lieblichen, ariosen Themen –  wie ein Priester bis in kleinste Verästelungen aus.

Satt und seelenvoll tönen die Streicher, ganz besonders die viel beschäftigten Celli, denen schon der erste Einsatz im Allegro vorbehalten ist, und die ihre Begleitfiguren zum trostreichen zweiten Thema im Adagio so zärtlich spielen wie ein Wiegenlied.

Überhaupt alle zeigen sich bei dieser Wiedergabe in denkbar bester Disposition: Posaunen, Hörner und Tuba, die den dunklen Einfärbungen in ihren Solo-Chören die entsprechende Farbe geben und dabei selbstredend makellos spielen ohne den geringsten Kiekser. Die Holzbläser mit ihren mal melancholischen, mal lichten Soli. Der Trompeter, der sein Solo im Scherzo den gebotenen majestätischen Glanz gibt, ja selbst der Schlagwerker, der das Becken bei seinem einzigen exponierten Einsatz im Kopfsatz, dem dynamischen Höhepunkt, mit einer solchen Verve zum Klingen bringt, dass man  überwältigt wird von Glücksgefühlen. Die emotionale Achterbahnfahrt, die einen Verdi das Fürchten lehrte, sie ist nun also fast im Himmel auf der anderen Seite angekommen.

Das Finale, das manche Dirigenten für meinen Geschmack gerne eine Spur zu schnell angehen, besitzt bei Muti exakt das richtige Zeitmaß, so dass nicht nur das Kopfthema seinem federleichten Charakter gerecht werden-, sondern sich alle Motive in Ruhe trefflich entfalten konnten. Und wenn dann einmal das ganze Orchester unisono Zacken von ganz oben nach unten und wieder nach oben schlägt, kann das Ohr dank des moderaten Tempos den opulenten Tutti-Klang gut erfassen.

Was für ein Vormittag, welch herrliche Musik, was für ein Jubel.

Und zugleich die Frage: Muss es wirklich so sein, dass „nur“ noch Konzerte an der Salzach eine Zugkraft besitzen?

Als Operndirigent wäre Muti in Salzburg unangefochten die Nummer eins unter allen Festspielen. Es muss nur ein guter Regisseur oder eine gute Regisseurin her, dann würde der Maestro bestimmt auch wieder eine Oper von Verdi oder Mozart dirigieren. Es lässt sich schwer verstehen, warum ein solcher Versuch nicht unternommen wird. Das Publikum liebt ihn wie keinen anderen. Das sollte doch zu machen sein!

Kirsten Liese, 17. August 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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11 Gedanken zu „Wiener Philharmoniker, Riccardo Muti
Salzburg, Großes Festspielhaus, 15. August 2023“

  1. Sehr geehrte Kollegin Liese,

    das ist für mich eine der besten Konzert-Rezensionen, die ich je gelesen habe, obwohl es ja nicht mein Mainstream Metier ist. Aber wie Sie das – auch mit interessanten persönlichen Erlebnismomenten – einleiten und dann in einer perfekten Mischung aus verständlichen und gleichwohl von hoher Sachkenntnis geprägten Worten darstellen, das hat eine ganz besondere Qualität.
    Ich weiß nicht, ob ich danach noch etwas zu diesem phänomenalen Konzert, das ich auch besuchte, schreiben kann. Wohl eher nicht!

    Beste Grüße,
    Klaus Billand

    1. Lieber Kollege,

      herzlichen Dank für Ihre so begeisterte, tolle Resonanz! Das ist wohl die ziemlich höchste Auszeichnung, die man von einem Kollegen bekommen kann. Das freut mich natürlich sehr!!

      Beste Grüße, Kirsten Liese

  2. Liebe Liese,

    in Wien hätte Riccardo Muti vor paar Jahren Mozart dirigieren sollen. Hinter vorgehaltener Hand hatten aber viele gemunkelt: Er macht das eh nur wegen seiner Tochter Chiara, um deren Karriere zu pushen. Die hätte eine „Così“-Neuinszenierung damals verantworten sollen. Warum das Ganze ins Wasser gefallen ist, weiß ich gar nicht mehr. Dürfte wohl Corona gewesen sein. Was denn sonst, wenn ich gerade google, wann das über die Bühne hätte laufen sollen: Ende 2019 bis Anfang 2020 herum. Neugierig wäre ich natürlich gewesen. Vollkommen egal, aus welchen Beweggründen er da dirigiert hätte. Hauptsache: Er wäre mit ganzem Herzen dabei gewesen.

    Liebe Grüße
    Jürgen Pathy

    1. Lieber Kollege,
      in Neapel im wunderschönen Teatro Carlo kam diese Così-Produktion zur Premiere, 2019 meine ich oder 18. Hatte das Glück, dabei zu sein. Es war eine bezaubernde Inszenierung, nur die Sängerbesetzung hätte noch besser sein dürfen. Der Vorwurf ist absurd. Muti hat z.B. nie mit seiner Frau Cristina zusammen gearbeitet, obwohl die auch eine wunderbare Regisseurin ist, wovon ich mich in Ravenna überzeugen konnte, wo ich tolle Arbeiten von ihr sah. Auf meine Frage warum, sagte Muti damals „don’t mix family things“. Von wegen er mache das nur wegen seiner Tochter…

      Abbado erging es übrigens weiland ähnlich mit seinem Sohn Daniele. Der inszenierte eine herrliche Zauberflöte in Baden-Baden unter der Leitung seines Vaters und wurde schlecht geredet. Völlig unbegründet. Danach machten die beiden auch nichts mehr zusammen. Das war eben auch gutes Musiktheater und kein Murks.

      Dagegen nahm in früheren Zeiten niemand Anstoß daran, dass Götz Friedrich an der Deutschen Oper Berlin als Intendant alle großen Frauenfiguren mit seiner Frau Karan Armstrong besetzte, das fand man ok, obwohl es bessere Sängerinnen gab, die deshalb an diesem Haus nicht zum Zuge kamen. Edda Moser zum Beispiel.
      Das soll jetzt aber auch kein nachträglicher Vorwurf sein. Ich habe durchaus Verständnis dafür, wenn Künstler gemeinsam etwas machen wollen. Der Beruf ist einsam genug.

      Liebe Grüße, Kirsten Liese

      1. Liebe Kollegin,

        Ja, die Bürde einen großen Namen zu tragen, ist bekannt. Das kann auch mal nach hinten los gehen. Vor allem, wenn man als Träger des großen Namens nicht aus besonders hartem Holz geschnitzt ist.

        Liebe Grüße
        Jürgen Pathy

  3. Sehr geehrte Frau Liese,
    mit sehr großer Freude lese ich immer Ihre Rezensionen zu Riccardo Muti und kann Ihnen in jedem Fall 200% zustimmen.
    Wenn ich sie lese, meine ich geradezu meine Worte zu lesen, die ich in meinen Opern und Konzerttagebüchern niederschreibe.
    Genau wie Sie werden die Konzerte des Maestro akribisch von mir beschrieben, sowohl von der musikalischen Seite her, als auch seine unvergleichliche Art, die Musik, die Gefühle und Intentionen des Komponisten zu visualisieren.
    Ich kenne über die vielen Jahre seine Körpersprache wie keine andere und weiß sozusagen schon vorher, wie er die folgende Passage bildlich umsetzen wird. Bei Opernproduktionen braucht man eigentlich keine Bühne, um die Geschichte zu erzählen. Ruht das Auge auf ihm, erzählt er durch seine Gestik und Mimik diese oft um Vieles anschaulicher.
    Ich hatte und habe das Glück Maestro Muti in Salzburg seit 1995 in all seinen Konzerten und Opernproduktionen erleben zu dürfen. Es ist ein „Muss“ für mich.
    Bei den Konzerten besuche ich immer alle 3, wenn ich Glück habe noch die Generalprobe. Dadurch bietet sich mir ein Vergleich und das Erkennen einer Entwicklung von
    1-3. Das dahingehend,dass sich die Konzerte in ihrer Qualität hin steigen. Das 3. Konzert ist dann immer das Überragendste, das alles sprengt. Auch Muti wächst da noch über sich hinaus. So war es auch dieses Jahr und ich stimme Ihrer Sicht voll zu. Seine Opernproduktionen in Salzburg besuchte ich im gl. Jahr jeweils nicht nur einmal, sondern bis zu 4x. So zB.
    seinen unerreichten “ Macbeth“
    2011. Ja, und das bereue ich nicht. Denn bei seinen Produktionen stimmt alles. Sie sind durchdacht, nicht gegen das Libretto, und sie setzen das um, was schon in der Musik vorgegeben ist. Liest man diese, so erübrigen sich so manche unlogischen Darbietungen auf der Bühne. Vorausgesetzt der Regisseur ist überhaupt gewillt, dies zu beachten. Dass es solche Regisseure nicht mehr gibt und dadurch verhindert wird, dass man wieder in den Genuß einer grandiosen Oper unter Maestro Muti kommt, bedauere ich enorm und sie fehlen mir. Die Salzburger Festspiele müssen so auf mich, als treue Besucherin seit 40 Jahren, in punkto szenische Opern verzichten bzw. haben mich verloren.
    Auch ich würde es mehr als begrüßen, wenn es gelänge, Maestro Muti durch entspr. Voraussetzungen zurückzugewinnen. Dann würde ich ohne mit der Wimper zu zucken das Geld für die teuersten Karten für mehr als eine Vorstellung hinlegen. Denn das ist überragende festspielwürdige Qualität. Und Maestro Muti wäre auch glücklich dabei. Es ist ja sein Leben und seine ganze Liebe.
    Was Sie, Frau Liese, über das heurige
    Konzert geschrieben haben, kann ich nur mit ganzem Herzen unterstreichen. Es wieder 3x gehört haben zu dürfen ist ein unausprechliches Glück!!
    Übrigens habe ich bei den Salzburger Festspielen schon 2x Bruckner unter Muti gehört:
    Nr.2 und Nr.6. Unvergesslich!
    Ich verehre Maestro Muti für sein
    unvergleichliches Können, Wissen, aber auch für die Courage, sich den heutigen „Möchte gern“ Regisseuren entgegenzusetzen. Bravo Maestro!!
    Auch wenn ich es sehr bedauere, dadurch keine Maßstab setzende Opernproduktionen mehr erleben zu können. Ich hoffe trotzdem noch auf ein Wunder.

    Mit den besten Grüßen
    Sabine Jesch

    1. Liebe Frau Jesch,

      herzlichen Dank für Ihre so sehr lieben, freundlichen Zeilen! Ein so emphatisches Feedback erhält man nicht alle Tage!!
      Es ist mir eine große Ehre, dass eine solche Kennerin meine Texte liest!!
      Und wie sehr beneide ich Sie, dass Sie stets alle drei Konzerte genießen können!!! Das würde ich auch allzu gerne, übersteigt dann aber doch meine finanziellen Möglichkeiten.

      Zu Mutis 85. habe ich etwas Größeres geplant, das wird Sie bestimmt auch interessieren.
      Herzliche Grüße, Kirsten Liese

  4. Riccardo Muti und Salzburg 1.2.
    Ich komme nicht umhin, nochmals einige Gedanken zu szenischer Oper mit Riccardo Muti in Salzburg laut zu formulieren.
    Es ist natürlich nicht mehr so einfach, einen Regisseur mit gleicher Wellenlänge für Maestro Muti zu finden. Und v.a. einen, der auch Partituren lesen kann. Eine allerdings unabdingbare Voraussetzung für eine kluge Regie.
    Doch so aussichtslos wäre die Sache nicht, und man müsste auch gar nicht so weit suchen. Wie einer meiner Vorredner(-innen) schon
    erwähnte, liegt das Passende nicht so fern und bringt Muti durchaus zu szenischen Produktionen.
    Chiara, seine Tochter, hieße das Zauberwort. Sie ist, man merkt es an ihren Arbeiten, nicht nur die Tochter dieses Vaters ,sondern sie hat auch musikalisches Wissen. Weiters war kein geringerer als G. Strehler ihr Lehrmeister. Der Mann, der für Muti einen der Idealregisseure darstellte .
    Warum wird diese Gelegenheit nicht genutzt? Weil die zu entscheidenden Gremien es nicht wollen. Lieber verkauft man den immer wieder gleichen Unsinn mit dem Argument, die besten Regisseure gewonnen zu haben. Nur um nicht als rückständig zu gelten und mit dem internationalen Niveau mitzuhalten. Es scheint, als würde mit aller Gewalt nach neuen Interpretationen gesucht werden, die im Grunde immer wieder der gleiche Unsinn sind und auch schon langsam langweilig werden. Die obige Konstellation würde das Publikum sicher mehr als danken und viele Festspielbesucher würden wieder zurückgewonnen werden. So wie ich. Man würde ihnen die Karten aus den Händen reißen, wie damals bei Mutis „Macbeth“, der 5fach überbucht war. Das alles hat doch seine Gründe.
    Warum müssen denn die Festspiele alle szenischen Produktionen mit sich verwirklichenden Regisseuren betrauen? Nicht alle Menschen wollen das so sehen. Um für alle ein adäquates Festspielerlebnis anbieten zu können, sollte auf eine Mischung gesetzt werden. Jedem das seine oder für jeden etwas. Es gäbe mehr glückliche Festspielbesucher, die bereit wären dafür auch wieder die hohen Kartenpreise zu zahlen. Und man könnte sehen, welche Paarung wirklich zieht. Man sah es ja bei den Pfingstfestspielen unter der Leitung des Maestro 2007 – 2011.Diese brachten den Festspielen eine der höchsten Einnahmen.

    Sollten sich das die Festspiele entgehen lassen? Oder wäre es nicht an der Zeit, der Entwicklung, die sich diese Festspielsaison so langsam abzeichnet (“ Falstaff“) entgegenzuwirken? Doch noch scheinen die Verantwortlichen auf tauben Ohren zu sitzen und gleichzeitig blind zu sein, um um jeden Preis modern zu sein. Ob es vom Publikum gewollt wird oder nicht. Das scheint zweitrangig zu sein. Noch. Aber irgendwann könnte der Schuss nach hinten losgehen.

    Nochmals beste Grüße
    Sabine Jesch

  5. Liebe Frau Jesch,

    ich stimme Ihnen zu 200 Prozent zu!!
    Ich habe zwei Arbeiten von Chiara Muti gesehen – Così fan tutte in Neapel und Don Giovanni in Turin – beide waren wunderbar. Vater und Tochter: das ideale Duo!

    Darüber hinaus könnte ich mir noch Marco Arturo Marelli als Regisseur für Muti vorstellen, von ihm konnte man auch sehr schöne poetische Arbeiten erleben, denke ich seinen Pelléas in Berlin oder Turandot in Bregenz.

    Beste Grüße, Kirsten Liese

  6. Liebe Frau Liese,
    ganz herzlichen Dank für Ihre Antworten auf meine Kommentare.
    Damit hätte ich gar nicht gerechnet. Umso größer ist meine Freude. V.a. sich einmal mit einer so kompetenten Frau austauschen zu können, wie Sie es sind.
    Jedesmal nach der Lektüre Ihrer Beschreibungen Ihrer Erlebnisse mit Maestro Muti, überlegte ich, wie ich Ihnen meine so deckungsgleiche Gesinnung mitteilen könnte. Besonders auch bei Ihrem Bericht über seine Opera Academy mit „NABUCCO“. Sie sprachen mir so aus der Seele und ich konnte gar nicht glauben, dass es noch einen 2. Menschen gibt, der alles so sieht, empfindet und beschreibt wie ich. Eben auch seine Körpersprache, die in der Ausdrucksstärke und Empfindsamkeit seines Gleichen sucht. Meine Aufzeichnungen beinhalten ja auch jede seiner kleinsten (Hand-)Bewegungen. Aber auch wenn er sich tief zu Boden begibt, sich über’s Pult beugt oder hechtet. Im nächsten Moment sich enorm nach hinten neigt und selbstvergessen die Arme ausbreitet und den Kopf nach hinten legt. Es ist die pure Identifikation mit der Musik und den Gefühlen, wie es höher nicht mehr geht. Wenn es mit ihm dann „durchgeht“, vibriert sein ganzer Körper wie unter Strom und er befindet sich im nächsten Moment einen 1/2 Meter über dem Boden, um dann sofort im Ausfallschritt energisch auf den Boden zu stampfen. Sie sehen, ich könnte endlos beschreiben. In den 28 Jahren, die ich dir Ehre habe, Maestro Muti persönlich zu kennen, und wir uns sehr oft und lange angeregt ausgetauscht haben, ist mir seine Einstellung zur Regie, zur Musik, im speziellen zu seinem Verdi und seine Mission, wie er es nennt, mehr als vertraut. Dieses Jahr lernte ich auch seine Tochter Chiara kennen.
    Da ich mich seit meinem 12 Lebensjahr mit klass. Musik befasse, alle 28 Verdi Opern und ebenso dass übrige ital. Repertoire auswendig beherrsche, sowie auch nach dem 3 maligen Hören der Symphonien in seinen Konzerten, jeden Ton kenne, ist es für mich immer schwierig, ruhig auf meinem Platz sitzen zu bleiben. Man müsste mich fast festbinden.
    So wie Sie in Ihren frühen Zeiten zu Hause die Opern nachgespielt haben, habe ich es gemacht. Mit viel Leidenschaft. Meinen Kostümfundus habe ich heute noch. Auch wenn ich das so heute nicht mehr mache, hält es mich zu Hause beim Hören „meines Repertoires“ nicht am Platz. Es singt aus mir heraus. Ich wechsle meine Identität. Erst wenn die Oper oder auch Symphonie zu Ende ist, kann ich meine urspr. Beschäftigung wieder aufnehmen. Die in jeder Hinsicht perfekten Opernproduktionen mit Muti und deren Konzerte, die ich immer mehrmals besuchte im gl. Sommer, waren und sind zwar nicht billig, aber ihr Geld mehr als wert. Das muss ich mir gönnen. Und ich bereue keinen Cent. Ich bin dankbar, dass ich es gemacht habe und es kann mir niemand nehmen. Es war gut so, wie man sieht. Nun gibt es keine Opernproduktionen mehr mit Muti.
    Es freut mich sehr, in Ihnen geradezu eine Seelenverwandte kennengelernt zu haben.

    Nochmals mit besten Grüßen!
    Sabine Jesch

    1. Liebe Frau Jesch,
      die Freude unserer Bekanntschaft liegt ganz auf meiner Seite.
      Ihre Beschreibung Mutis ist ja auch ganz wunderbar, da sehe ich ihn genau vor mir, exakt so!
      Vielleicht können wir uns ja mal persönlich begegnen, das würde mich freuen. – Vielleicht bei einem der nächsten Muti-Events? Wenn Sie mögen, kontaktieren Sie mich doch mal per mail, dann verabreden wir uns.
      Liebe Grüße, Kirsten Liese

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