Foto: Musikverein Wien / Müller (c)
Musikverein Wien, 12. April 2018
Wiener Symphoniker
Dirigent: David Afkham
Violine: Anton Sorokow
Violoncello: Pablo Ferrández
Johannes Brahms, Konzert für Violine und Violoncello mit Orchester a-Moll op. 102 „Doppelkonzert“
Antonin Dvorák, Symphonie Nr. 7 d-Moll op. 70
von Charles E. Ritterband
Der Jubel im Wiener Musikverein nach dem Brahms-Doppelkonzert war keineswegs übertrieben: Es war fulminant, überwältigend. Die Symphoniker unter der präzisen und zugleich hochsensiblen Stabführung des in Freiburg im Breisgau geborenen David Afkham ließen warme Klangwolken durch den herrlichen Goldenen Saal schweben. Pablo Ferrandez, mehrfacher Preisträger renommierter Wettbewerbe, brillierte auf seinem Cello in schier atemberaubender Virtuosität mit den Wiener Symphonikern. Die Fülle dieses Klangkörpers entfaltet sich nirgendwo so grandios wie im Goldenen Saal des Musikvereins.
Dass der Dirigent Afkham in Madrid groß wurde – er leitete als Chefdirigent das Spanische Nationalorchester (Orquesta y Coro Nacionales de Espana) – und dass Ferrandez in Madrid geboren wurde, mag man als Zufall abtun. Aber das perfekte Zusammenspiel zwischen dem von Afkham geleiteten Wiener Orchester und Ferrandez‘ Cello, dem er sinnliche Töne entlockte und dann wieder atemberaubende Passagen abnötigte, mag schon durchaus mit dem musikalischen Curriculum Vitae von Dirigent und Solist, mit den Ursprüngen in Madrid, zusammenhängen.
Orchester und Solisten bilden, wie von Brahms konzipiert, in diesem Konzert eine vollkommen gleichberechtigte Partnerschaft, einen Dreiklang, der in der ganzen Musikgeschichte seinesgleichen suchen dürfte. Deshalb ist auch das Zusammenspiel des Cellos mit dem anderen großen Streichinstrument, der Violine, das zentrale Element dieses geradezu überirdisch schönen Musikstücks. Das Doppelkonzert des in Wien sesshaft gewordenen Hamburger Romantikers ist tatsächlich Romantik pur – die Querverbindungen namentlich zu Ludwig van Beethoven (Ähnlichkeiten mit dessen Formkonzepten) sind unüberhörbar; der Wiener „Genius Loci“ hatte Brahms geprägt. Doch Brahms schrieb selbstironisch in einem Brief an seinen Verleger Fritz Simrock: „Dann muss ich Ihnen noch meine letzte Dummheit melden. Das ist nämlich ein Konzert für Geige und Cello!“ Der große Beethoven kam jedenfalls nie auf die Idee einer derartigen „Dummheit“…
Der in Moskau geborene Anton Sorokow stammt aus einer Musikerfamilie, und dass dieser Violinist Musik gleichsam im Blut hat, spürt man von den ersten Tönen an, die er mit seinem Instrument produziert. Sorokow ist bereits mit einer Vielzahl namhafter Orchester aufgetreten.
Als zweites Werk boten die Symphoniker Dvoráks 7. Symphonie dar. Im ersten Satz überwiegt das Pompöse – von den Wiener Symphonikern ohne Übertreibung bewältigt –, der Nachhall von Richard Wagner ist unüberhörbar. Die 1885 vollendete 7. Symphonie wurde ursprünglich für die London Philharmonic Society geschrieben. Dieses Werk von großem Ernst wurde von Dvorák nach der Erstaufführung in erheblichen Passagen umgeschrieben. Ein Werk von großem Ernst – umso überraschender die tänzerische Leichtigkeit im Dreivierteltakt des Scherzos im dritten Satz. Für mich der Höhepunkt dieses Werkes, das eindeutig im Schatten der so populären 9. Symphonie „Aus der Neuen Welt“ op. 95 steht.
Charles E. Ritterband, 14. April 2018, für
klassik-begeistert.de