Elsa Dreisig (Fiordiligi), Michael Nagy (Don Alfonso), Marianne Crebassa (Dorabella). Foto: © SF / Monika Rittershaus
Großes Festspielhaus, Salzburg, 9. August 2021
Wolfgang Amadeus Mozart, „Così fan tutte“
von Frank Heublein
Am heutigen Abend ist das große Festspielhaus in Salzburg nahezu bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Bühne für Mozarts Così fan tutte strahlt weiß, wenige Treppenstufen öffnen die Bühne zum Orchester hin. Diese reinweiße Fläche bleibt ganz überwiegend exakt so bestehen in den nächsten zweieinhalb Stunden. Es ist eine speziell auf Corona getrimmte von Regisseur Christof Loy und Dirigentin Joana Mallwitz inspiriert intelligent gekürzte Fassung, die ohne Pause gespielt wird.
Ein wunderbarer Mozartklang. Klar, präzise, rein, spannungsgeladen. Dazu eine souveräne Verbindung zwischen Stimmen und Orchester. All das stellt Dirigentin Joana Mallwitz her. Ich merke in jeder Bewegung ihre hochkonzentrierte gespannte Dynamik, die sie überträgt auf die hervorragend disponierten Wiener Philharmoniker wie auch die stimmlichen Akteure auf der Bühne. Es ist ein großer Genuss, ihrem Dirigat zuzuschauen, wie die Töne und Klanglinien ihren Armlinien folgen. Zuweilen muss ich mich losreißen von ihr, um dem Bühnengeschehen zu folgen.
Die Bühne als weißes Blatt, worauf die Sängerinnen und Sänger ihren schillernden farblichen Abdruck hinterlassen. Sechs an der Zahl sind es. Einer springt ein. Bariton Michael Nagy singt den Don Alfonso anstatt des erkrankten Johannes Martin Kränzle. Er fügt sich exzellent und nahtlos ein. Außergewöhnlich, da nicht einfach in dieser Spezialversion der Oper und den vielen mehrstimmigen Gesangseinlagen, die gute Abstimmung mit den anderen Sängerinnen und Sängern erfordern. Stimmlich wie schauspielerisch ist sein Auftritt jederzeit souverän.
Wichtig, denn Don Alfonso ist auf der Bühne der Regisseur. Derjenige, der die Handlung antreibt und in Despina eine willige und käufliche Co-Regisseurin findet und so die Gefühle der beiden Paare, Fiordiligi – Guglielmo und Dorabella – Ferrando, mit einem Anteil Grausamkeit instrumentalisiert. Es dient der Läuterung, dieser Zweck heiligt am Ende die Mittel. So soll man die oder den Liebsten so nehmen wie er ist und die Liebe nicht mutwillig auf die Probe stellen. Denn so etwas geht schief und führt zu seelischen Verletzungen.
Lea Desandre als Despina hat phänomenale Auftritte. Eine tolle Schauspielerin, die sich zweimal verkleiden darf. Als Arzt und Notar sorgt sie für große komödiantische Momente. Musikalisch zeigt die Mezzosopranistin in der Arie „Una donna a quindici anni“ (Ein Weib von fünfzehn Jahren), was sie musikalisch drauf hat. Keck und locker leicht ist ihre Stimme. Sie setzt geschickt den beiden Damen den Floh ins Ohr, die „Option“, die unbekannten Verehrer eingehender zu prüfen, um einen zusätzlichen Mann in der Hinterhand zu haben, sollte der Verlobte auf dem Schlachtfeld bleiben.
Bariton Andrè Schuen ist Guglielmo. Ihn zeichnet ein tolles Timbre aus. Der emotional stärkste Moment ist die Duettszene mit Dorabella, die er der Wette mit Don Alfonso wegen in sich verliebt machen soll. Einfühlsam, drängend, verständnisvoll, eine breite Palette der Gefühle, die er stimmlich mit sonorer fester und doch technisch unangestrengter Stimme zu transportieren vermag.
Tenor Bogdan Volkov ist Ferrando. Dramatisch theatralisch überdreht legt er die Rolle an, der schnell aber doch gut vorbereitet zum letzten Mittel greift – Messer schwenkend steht er vor Fiordiligi, die ihm ihre Liebe schenken soll. Das dramatisch drängende ist auch stimmlich angelegt. Auch die solistischen Höhen meistert Bogdan Volkov stabil und sicher.
Elsa Dreisig ist Fiordiligi. Sie stemmt sich stärker als ihre Schwester gegen den schnellen Männerwechsel. Wird von Dorabella und Despina bearbeitet, dass sie sich am Ende Ferrando ergibt, bevor dieser sich umbringt. Ihre klare, feste Sopranstimme überzeugt mich in den solistischen Höhen ebenso wie in den leiseren zweifelnden Pianomomenten.
Marianne Crebassa ist Dorabella. Alle sechs agieren auf sängerisch höchstem Niveau. Dass mir ihre Stimme besonders erscheint, ist allein mein persönliches Empfinden. Das dunkle manchmal leicht raue Timbre ihres Mezzosoprans macht für mich ihre Stimme zu einer besonderen. Auch sie trägt erheblich dazu bei, dass die Duettszene mit Guglielmo zu meinem stärksten emotionalen Moment der Oper wird. Spielerisch abweisend, tastend, prüfend, Guglielmo zur finalen Charmeoffensive nötigend. All das vermittelt sie mir mit ihrer flexiblen variantenreichen Stimme mit dieser wunderbaren persönlichen dunkel-rauen Note.
In dieser Oper gibt es viele Terzette, Quartette, Quintette oder gar Sextette. Diese sind technisch anspruchsvoll und bedürfen einer exzellenten Technik und bester Abstimmung zwischen den Künstlern. Ich staune, wie makellos, entspannt, locker, leicht, oder eben dramatisch inbrünstig am Opernende dies den Sängerinnen und Sängern am heutigen Abend gelingt.
Die Bühne provoziert die volle Konzentration auf diese wunderbaren Stimmen. Sie zaubern mir zusammen mit dem klaren Orchesterklang Farbe, Wärme, Drama, Spannung ein und machen mir meine innere Bühne kunterbunt.
Frank Heublein, 10. August 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Programm
Wolfgang Amadeus Mozart, “Così fan tutte”
Besetzung
Fiordiligi Elsa Dreisig
Dorabella Marianne Crebassa
Guglielmo Andrè Schuen
Ferrando Bogdan Volkov
Despina Lea Desandre
Don Alfonso Michael Nagy
Dirigentin Joana Mallwitz
Wiener Philharmoniker
Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor
Choreinstudierung Huw Rhys James
Regie Christof Loy
Bühne Johannes Leiacker
Kostüme Barbara Drosihn
Licht Olaf Winter