Eine magische "Zauberflöte" überwältigt in der Londoner Royal Opera Covent Garden

Wolfgang Amadeus Mozart, Die Zauberflöte  The Royal Opera London Covent Garden, 8. November 2019

Besser kann diese Oper nicht erklingen – selbst nicht in Salzburg oder Wien.

Foto: ROH ©
The Royal Opera London Covent Garden
, 8. November 2019
Wolfgang Amadeus Mozart, Die Zauberflöte

von Charles E. Ritterband

Im prachtvollen Zuschauerraum der ehrwürdigen Royal Opera in Covent Garden, zwischen dunkelrotem Plüsch, dunklem Holztäfer und goldenen Ornamenten, war ich von dieser „Zauberflöte“ – einer Wiederaufnahme der gefeierten Inszenierung des schottischen Regisseurs David McVicar – schlicht überwältigt. Was sich da auf der imposanten Bühne abspielte, war reine Magie. Ein Mehr an visueller Poesie ist kaum denkbar; Mozarts unsterbliches Meisterwerk in seiner ganzen gewaltigen Majestät und mit all seinem kindlich-liebenswerten Humor.

Da sind die altehrwürdigen Freimaurer in einem mächtigen schwarzen Marmorpalast vor komplizierten Messing-Sphären, Weltkugeln und anderen Instrumenten des Wissenserwerbs, da sind die gezähmten wilden Tiere in köstlichen Masken, da ist die umwerfend komische Marionette eines Vogels, der den Fängen des Papageno zu entfliehen versucht, da sind die drei Knaben in einem zusammengebastelten Luftfahrzeug, das auf der Erde als Seifenkisten-Auto durchgehen würde, da ist der sexhungrige Monostatos mit langen, schrecklichen Klauen und seine furchterregenden Genossen mit turmhohen, silbergrauen Barockperücken. Und da ist eine wahrhaft fürchterliche Riesenschlange als überdimensionierte Stabpuppe, geführt von einem Dutzend Tänzerinnen und Tänzer.

Das ist reinstes Barocktheater mit allen Tricks und Finessen der barocken Bühnenmaschinerie (Bühne: John Macfarlane): Die Figuren kommen von unten durch Falltüren, durch die sie auch wieder in den Untergrund der Bühne verschwinden, oder sie fliegen wie die Knaben durch die Luft. Und da sind die großartigen Stimmungen: Die kalte Mondsichel vor einem sternenübersäten Nachthimmel als Sphäre der Königin der Nacht und da ist, rot und heiß, das lodernde Sonnenfeuer der Welt Sarastros. In dieser Inszenierung wird das Werk, werden Musik und Handlung verstärkt – was sage ich: verzaubert – durch die Inszenierung und nicht, wie in so vielen heutigen Produktionen des überkandidelten Regietheaters, verdrängt, übertönt und verwirrt durch unsinnige Selbstdarstellungs-Ideen des Regisseurs.

Nicht so in der Inszenierung des hervorragenden, öfters in Covent Garden zu sehenden, hervorragenden Regisseurs David McVicar. Seine Inszenierung folgt dem Geist, der Substanz des Stücks – die Musik Mozarts wird illustriert und verstärkt, die simplen Texte Schikaneders erscheinen poetisch und bedeutungsvoll. Da wurden alle Aspekte bedient: Philosophisches Theater und unterhaltsames Volksschauspiel.
Kleine Adaptionen machen den Text für uns heutige verständlich und akzeptabel: So lamentiert Monostatos, der in der Inszenierung im multikulturellen London selbstverständlich keine schwarze Hautfarbe haben darf, nicht wie im Originaltext „weil ein Schwarzer hässlich ist“ – sondern „weil ein Sklave hässlich ist“. Wohl kaum ein Zuschauer hat dieses Detail bemerkt, aber signifikant ist es trotzdem: für eine bis ins letzte Detail durchdachte, stimmige und doch sehr komplexe Inszenierung.

© Tristam Kenton

Und natürlich waren Stimmen und Orchester ganz und gar auf der Höhe dieser phänomenalen Produktion – zweifellos der besten „Zauberflöte“, die ich bis jetzt in den großen Opernhäusern weltweit bewundern durfte. Unbestritten Star des Abends war die Königin der Nacht der großartigen finnischen Sopranistin Tuuli Takala. Ihre Koloraturen waren nicht im geringsten schrill – wie leider so oft bei dieser Figur. Im Gegenteil: Ihre Koloraturen, sicher in den Höhen, präzis in den Tempi und geschmeidig in den Läufen erfreuten die Zuschauer mit ihrem Wohlklang. Eine Neuerscheinung auf der Bühne von Covent Garden, die französisch-dänische Sopranistin Elsa Dreisig begeisterte mit subtiler und zugleich expressiver Ausdruckskraft und stimmlicher Schönheit als Pamina. Ihr Partner, der britische Tenor Benjamin Hulett als bewunderswerter Tamino brachte fließenden, leichten Gesang auf die Bühne, stand aber dennoch etwas im Schatten seiner geliebten Pamina und auch des Papageno. Dieser, verkörpert vom italienischen Bariton Vito Priante verlieh dieser Figur alle erforderliche Komik und Dynamik und viel baritonale Wärme, während seine Partnerin, die chilenische Sopranistin Yaritza Papagenos Komik spiegelgleich erwiderte.

Vor allem schauspielerisch hervorragend in seiner gruseligen und doch komödiantischen Art der philippinische Tenor Rodell Rose als Monostatos. Der an diesem Abend neben der Königin der Nacht vom Publikum am meisten gefeierte Sänger war der deutsche Bassist Stefan Cerny als stimmlich überragender, viel Maskulinität und zugleich sonore Wärme zum Tragen bringender Sarastro. Das Orchester der Royal Opera unter der Stabführung von Leo Hussain wurde der Musikalität Mozarts voll und ganz gerecht. Besser kann diese Oper nicht erklingen – selbst nicht in Salzburg oder Wien.

Dr. Charles E. Ritterband, 12. November 2019, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Dirigent: Leo Hussain
Inszenierung: David McVicar
Bühne: John Macfarlane
Wiederaufnahme-Regie: Barbara Lluch
Königin der Nacht: Tuuli Takala
Pamina: Elsa Dreisig
Tamino: Benjamin Hulett
Papageno: Vito Priante
Papagena: Yaritza Véliz
Sarastro: Stefan Cerny
Monostatos: Rodell Rose
Drei Damen: Kiandra Howarth, Hongni Wu, Nadine Weissmann
Orchester der Royal Opera
Royal Opera Chorus; Chorleiter: William Spaulding

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