Patrick Lange beweist: Wer Mozarts "Zauberflöte" ernst nimmt, kann Großes erschaffen

Wolfgang Amadeus Mozart, Die Zauberflöte   Wiener Staatsoper, 12. September 2025

Zauberflöte,  Drei Knaben OPERNSCHULE © Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Manchmal ist Oper wie ein Fußballmatch. Die erste Halbzeit: top, nach der Pause eine Flaute, kurz vor Schluss gibt man noch einmal Gas. Genau so legt Dirigent Patrick Lange Mozarts „Zauberflöte“ an. Selten habe ich einen Dirigenten erlebt, der dieses Werk – die „Oper aller Opern“ womöglich – so behutsam anfasst. „Spielen die Wiener Philharmoniker mit links“, hört man oft. Eine Oper, die man im Schlaf beherrsche. Wer so an die „Zauberflöte“ herangeht, ist zum Scheitern verurteilt. Patrick Lange begeht diesen Fehler nicht.

Wolfgang Amadeus Mozart
Die Zauberflöte


Wiener Staatsoper, 12. September 2025

von Jürgen Pathy

Das Problem der „Zauberflöte“ ist klar: Sie wird viel zu selten ernst genommen. Patrick Lange hingegen weiß: Schon mit der Ouvertüre muss man alles geben. Und sofort ist es spürbar – diese Liebe zum Detail, dieses Gespür für Phrasierung, für Spannung und Auflösung. Klar, es ist bereits die vierte Aufführung dieser Serie.

Die Eigenheiten der Wiener Staatsoper

Kenner der Wiener Staatsoper wissen: Die erste Vorstellung ist wie eine Probe, die zweite wie eine Generalprobe, die dritte sitzt. Die vierte rundet ab. Gerade im Repertoire, wo der straffe Zeitplan keine Orchesterproben zulässt. Bei der vierten läuft das Werkel wie geschmiert.

Die Harmonie im Graben ist von Anfang an da. Auch wenn vermutlich viele Substitute spielen. Die Philharmoniker sind noch bis 16. September mit Franz Welser-Möst auf Tournee. Doch genau dieser Nachteil wird womöglich zum Vorteil. Weil nicht ständig im Graben gewechselt wird, sondern vielleicht einmal der Großteil der Musiker von der ersten bis zur letzten Vorstellung gleich bleibt. Sonst variiert man doch relativ stark.

Julian Prégardien in bestechender Form

Aus dieser Harmonie heraus wird Taminos „Bildnisarie“ endlich wieder zu dem, was sie ist: eine Schnulze par excellence. Julian Prégardien zelebriert sie wie Michael Schade zu seinen besten Zeiten. Schade ist mit Sicherheit DER Mozart-Tenor der letzten Jahrzehnte gewesen: leicht und graziös die Stimme, hell, ein Meister der Intonation. Prégardien steht an diesem Abend um nichts hinten nach.

Pamina an seiner Seite hatte ich ebenfalls noch selten derart lyrisch, derart leicht in der Tongebung und sicher erlebt. Nur bei der „Pamina-Arie“, dem Zeitpunkt in g-Moll, an dem Mozarts Singspiel eine Wendung nimmt – hin zur Opera seria, zur Ernsthaftigkeit, weg vom Volkstümlichen –, fehlt bei Kathrin Zukowski der Nachdruck. Die Gewissheit: Jetzt ist alles dahin.

Auch weil Lange dort nicht seine Stärken ausspielen kann. Wo Romantik, Süffigkeit, überbordende Weichheit gefragt sind, ist er der König. An dieser Stelle ist aber Abwechslung gefordert, die Geharnischten stehen ebenfalls vor der Tür. Dort zeigt Mozart, warum die „Zauberflöte“ zu Recht eine der meistgespielten Opern ist. Nicht nur, weil vom Kleinkind bis zum Philosophen jeder etwas mit dem Sujet anfangen kann.

Regisseurin Barbora Horákova liefert dazu übrigens eine Inszenierung, die nicht Fisch, nicht Fleisch ist: eine Märchenwelt im Geisterschloss. Dazu Freimaurer-Parolen auf die Schlossmauer projiziert, die etwas im Kontrast zur restlichen Szene stehen.

Nein, auch weil Mozart musikalisch alle Stückeln spielt. Eine Art Fuge hat er da eingebaut, im kontrapunktischen Stil, die etwas mehr Akzentuierung und Kanten benötigt hätte. Andernfalls passiert das, was leider zu oft passiert: Erst beim Schlusschor packt es einen wieder, auch, weil der Chor der Wiener Staatsoper hier herrlich exakt intoniert.

Prinzessin statt Königin

Die Königin der Nacht hatte zuvor die Kurve gekratzt. „O zittre nicht“ war für Serena Sáenz noch eine Nummer zu groß. Zumindest an diesem Abend klingt die Stimme da dünn, überfordert mit den unbarmherzigen Herausforderungen dieser Partie. Doch die Spitzentöne bei „Der Hölle Rache“ sitzen dann wieder. Nicht königinnenhaft, aber als Prinzessin darf man sie durchaus ernst nehmen.

Papageno schließlich rundet die Vorstellung perfekt ab. Endlich wieder Wiener Charme. Schikaneders Lustspiel pur. So wie bei Bariton Michael Nagl muss der Papageno in Wien klingen: Wiener Slang, a bisserl Insiderschmäh, ein Bier im Schweizerhaus, dann klappt es auch mit dem Weibchen für ihn.

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