Wiener Staatsoper: Bertrand de Billy rettet den Abend vor einer Pleite

Wolfgang Amadeus Mozart, Die Zauberflöte  Wiener Staatsoper, 7. September 2022

Foto: Günther Groissböck als Sarastro © Michael Pöhn

Wiener Staatsoper, 7. September 2022

Wolfgang Amadeus Mozart, Die Zauberflöte

von Jürgen Pathy

„Kellner frisst diese Partie wie nichts!“. Damit sollte er leider nicht Recht behalten. Ein Fachmann, der felsenfest davon überzeugt war, dass Peter Kellner als Papageno einen sicheren Kantersieg einfahren würde. In die Quere ist dem jungen Slowaken dabei eines geraten: sein unbändiges Selbstbewusstsein. Was ihm bei anderen Mozart-Partien in die Karten spielt, steht ihm als Papageno eindeutig im Weg – davon konnte man sich Mittwochabend in der ausverkauften Wiener Staatsoper überzeugen. Dabei hatte der Abend so verheißungsvoll begonnen.

Zauber nur aus dem Graben

Bereits nach den ersten Takten, die Bertrand de Billy geschlagen hatte, sprudelte es nur so vor Energie. Da war sofort klar: Hier lotet einer die Grenzen der Agogik, der Kunst der leichten Veränderung des Tempos, bis an ihre Grenzen aus – ohne sie jemals zu überschreiten. Denn: So einfach die Zauberflöte auch scheinen mag, wer sich bei der Wahl der Tempi vergreift, scheitert klaglos. Anweisungen hat Mozart dafür an allen Ecken und Enden der Partitur hinterlassen. De Billy schaffte es, die auch umzusetzen.

Dass ihm dabei „nur“ die vermeintliche „B-Garnitur“ zur Verfügung stand – der Großteil der Wiener Philharmoniker tourt noch bis Donnerstag durch Europa –, ließ im Vorfeld zwar durchaus Zweifel aufkommen. Die waren aber völlig unberechtigt. Die hatte de Billy in Windeseile zerschlagen.

Wie der 57-jährige Franzose die gestandenen Musiker formte, von rasanten Staccatos über genussvolle Bögen bis hin zu vehement gebremsten Tempoverzögerungen – alles ein Hochgenuss. So lebendig, so abwechslungsreich darf die Zauberflöte ruhig öfter erklingen! Nur die Fuge, bei den Geharnischten, die ließ er ein wenig zu heftig anschwellen.

Groissböck und Kellner deutlich unter ihrem Wert

Ernüchternd hingegen, um nicht enttäuschend zu sagen, einige Zugpferde der Produktion. Günther Groissböck, in dieser Saison wieder vermehrt als Gast am Haus, erwischte einen rabenschwarzen Tag. Nicht nur, dass man dem gebürtigen Niederösterreicher den majestätischen Sarastro nicht ganz abgekauft hat. Auch in die Untiefen des Stimmregisters, die diese Partie fordert, konnte er nicht ganz vordringen.

In der Saison 2023/24 wird Groissböck wieder sesshaft. Als Ensemblemitglied wird man den sportlichen Hünen dann an 25 Abenden wieder an der Wiener Staatsoper erleben dürfen. Dass man ihm deswegen einen „Karriere-Knick“ andichten wolle, lässt Groissböck nicht zu. Eine Art Spezialmitglied könnte man ihn durchaus nennen, viel freier und ungebundener als ein klassisches Ensemblemitglied.

Als solches bereits zur fixen Größe gereift ist Peter Kellner. Seit der Saison 2018/19, als ihn Ex-Direktor Meyer ins Ensemble geholt hat, eigentlich ein Garant für gelungene Opernabende, stellt Kellner sich als Papageno selbst ein Bein. Viel zu dominant, zu viel Testosteron verströmend, ist er aufgetreten, um den tollpatschigen Naturburschen authentisch zu verkörpern. Nur seine extrem schöne Bassstimme, eigentlich ein unnötiger Luxus bei dieser Partie, konnte da zumindest noch halbwegs versöhnend schlichten.

Die Jugend springt in die Bresche

Mehr Licht als Schatten hingegen bei einem Jungspund des Abends. Durchaus bemerkenswert in sein Engagement gestartet ist Hiroshi Amako. Aus dem von Direktor Bogdan Roščić gegründeten Opernstudio entsprungen, lässt der junge Japaner einiges an lyrischem Potenzial erkennen. Als Tamino durchaus ein Versprechen für die Zukunft.

Golda Schultz, im Gegensatz längst schon ein Stern am Himmel, glüht zwar nicht immer so intensiv, lässt ihren Sopran aber überwiegend glasklar fließen. Und Kathryn Lewek, die man bereits aus Salzburg kennt, lässt die Wiener Staatsoper als Königin der Nacht durchaus überzeugend erzittern. Das Ruder herumreißen, konnte sie aber auch nicht mehr.

Schlussapplaus hat es kaum gegeben. Wäre man nicht gerade noch rechtzeitig auf den letzten verhallenden Zuspruch aufgesprungen, wäre nicht mal ein einziger! Vorhang drinnen gewesen.

Jürgen Pathy (klassikpunk.de), 9. September 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert