"Hochwertige Unterhaltung" – ein zufälliges "Double Feature"an der Wien

Wolfgang Amadeus Mozart, La Finta Giardiniera, Gaspare Spontini, La Vestale,  Theater an der Wien, 19. / 20. November 2019

Foto: (c) Peter M. Mayr

Wolfgang Amadeus Mozart, „La Finta Giardiniera“ konzertant im Theater an der Wien (19. November 2019)

Gaspare Spontini, „La Vestale“ szenisch im Theater an der Wien (20. November 2019)

von Herbert Hiess

Nach den 2,5 Stunden konzertantem Mozart sagte eine Dame an der Garderobe zu ihrem Mann: „Es war wirklich eine nette Unterhaltung.“ Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Das war es wirklich; auch wenn Mozart und William Christie draufsteht, kann man sich nicht immer die größten Erlebnisse erwarten.

Dabei hätte es für „Les Arts Florissants“ (Anm.: Die blühenden Künste) unter William Christie ein glattes „Heimspiel“ werden können – überhaupt stand die ganze Produktion unter einem blumigen Stern. Neben den „Arts“ sangen die Sänger aus Christies Herzens-Projekt „Le Jardin des Voix 2019“ (Anm.: Der Garten der Stimmen 2019).

Hier werden hochbegabte Sängerinnen und Sänger für eine spezielle Produktion gewählt und auch international präsentiert. Die Leute waren alle sehr gut; herausragend waren interessanterweise nur die Herren – vor allem Sreten Manoljovic mit seinem Thomas-Hampson-artigen Bariton und einer hochmusikalischen Diktion. Absolut bemerkenswert der Countertenor Théo Imart, der es als einer der wenigen Counter schaffte, seine Stimmte total weiblich klingen zu lassen. Und zu guter Letzt der hervorragende Tenor Moritz Kallenberg, dem man jetzt schon eine große Karriere voraussagen kann. Hier kommen zur wunderschönen Stimme eine hohe Musikalität, Spielfreude und eine hervorragende Diktion als Atout.

Die Damen waren alle recht hübsch anzusehen und anzuhören; das konnte sich leider bei keiner einzigen auf die Stimme durchschlagen. Es wurde schön und sauber gesungen und trotzdem wurde man nicht beseelt und berührt. Offenbar arbeitet man heute im Gesangsunterricht nur an der Technik und nicht an der Präsentation und Interpretation. Warum die Rachearie der Arminda (Deborah Cachet) ungefähr so eindrucksvoll klingt, wie wenn eine Seite vom Telefonbuch vorgelesen wird, ist unerklärlich. Da hätte die Dame wirklich viel mehr daraus machen können.

Das lag vielleicht dann doch an dem Werk und nicht zuletzt auch am Dirigenten Christie und an seinem Ensemble. Mozarts Musik der „Giardiniera“ ist halt auch nicht der große Geniestreich wie die meisten seiner anderen Opern. Es gab natürlich geniale Momente wie im ersten Akt die Arie des Robertos (mit den Flöten und Oboen) und im dritten Akt das wunderschöne Duett Contino Belfiore und Marchesa Onesti (hier hervorragend Mariasole Mainini und Moritz Kallenberg).

Und William Christie mit seinen „Arts“ war oft viel zu zögerlich; Akzente wurden kaum gesetzt und oftmals spielten die Musiker recht unpräzise. Auch wenn Mozart hier nicht eines seiner größten Werke geschrieben hat – ein paar Höhepunkte hätten die Musiker da schon produzieren können.

Durch eine Terminänderung wurde gleich am Tag nach der „Giardiniera“ im gleichen Haus die aktuelle szenische Produktion von „La Vestale“ von Gaspare Spontini besucht. Auch hier war das Werk nur hochwertigste Unterhaltung und hinterließ absolut keine bleibenden Eindrücke.

Das ist schade, denn es wurde echt auf Weltklasseniveau gesungen und musiziert. Allen voran Bertrand Billy und die Wiener Symphoniker. Sie polierten die Partitur auf Hochglanz und selbst die musikalisch „leeren Momente“ klangen da ganz hervorragend.

Unbestritten ist, dass Spontinis Oper, die 1805 uraufgeführt wurde (lustigerweise im gleichen Jahr wie Beethovens Fidelio), viele Längen hat, was sehr schade ist. Denn der Komponist war ein hervorragender Instrumentierer und war vielleicht auch ein Vorbild für Beethovens „Fidelio“. Bei einer großen Arie von Julia, der jungen Vestalin, klang im Orchester ein wunderbares Hornsolo heraus, was sofort an die große Arie der Leonore im „Fidelio“ erinnert.

„La Vestale“ erzählt von einer Liebesgeschichte im Römischen Reich, wo sich die junge Vestalin Julia verbotenerweise in Licinius verliebt. Daher wird sie dann zum Tode verurteilt und dafür begnadigt, weil ein Blitz in sie eingeschlagen ist und damit die Prophezeiung erfüllt wurde, dass sie dadurch von Gott begnadigt werden würde.

Der häufig für das Stück verrissene Regisseur Johannes Erath hat eine recht interessante und stimmige Produktion geschaffen. Die Oper spielt irgendwo in Rom bei einer offensichtlichen „Hardcore“-Gruppe der Legio Mariae. Die Mutter Vestalin, die großartig vom deutschen Mezzo Claudia Mahnke gesungen wurde, hat hier eine wechselnde Persönlichkeit zwischen Göttin und Lebedame. Der Hohepriester schlüpft dafür dann wieder in die Rolle ihres Mannes. Erath versteht es, die wechselnden Persönlichkeiten interessant darzustellen und die zeitweise in überbordende Längen ausartende Musik mit Leben zu füllen.

Dabei hat das Theater an der Wien ein hervorragendes Sängerteam auf die Bühne gebracht. Neben der großartigen Claudia Mahnke ist vor allem die geniale Elza van den Heever hervorzuheben. Die Sängerin im Zwischenfach ist schon mehr im Dramatischen als im Lyrischen. Und trotzdem füllt sie jedes Piano, jedes Forte mit Leben und mit Sinnlichkeit. Das ist genau das, was die Damen in Mozarts „Giardiniera“ vermissen ließen. Auch die männlichen Hauptrollen dieser Produktion sind mehr als beeindruckend. Franz-Josef Selig als Hohepriester mit seinem sonoren Bass beeindruckt vom ersten bis zum letzten Takt. Und Michael Spyres als Liebhaber Julias steht ihm um nichts nach. Sein baritonaler Tenor klingt hochinteressant und beeindruckend.

Leider schade, dass die Musik zeitweise solche Schwächen hat. Man hat das Gefühl, es handelt sich mehr um ein Oratorium mit szenischen Einlagen als um ein dramatisches Werk. Trotzdem ist die Oper sehenswert – vor allem mit diesem Team.

Herbert Hiess, 21. November 2019, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

 

Wolfgang Amadeus Mozart, La finta giardiniera

Musikalische Leitung William Christie
Szenische Einrichtung Sophie Daneman
Don Anchise Rory Carver
Sandrina Mariasole Mainini
Contino Belfiore Moritz Kallenberg
Arminda Deborah Cachet
Cavaliere Ramiro Théo Imart
Serpetta Lauren Lodge Campbell
Roberto (Nardo) Sreten Manojlović
Orchester Les Arts Florissants

 

Gaspare Spontini: La Vestale

Julia, eine junge Vestalin Elza van den Heever
Licinius Michael Spyres
Cinna Sébastien Guèze
Hohepriester Franz-Josef Selig
Oberste Vestalin Claudia Mahnke
Anführer der Wahrsager Dumitru Mădăraşăn
Ein Konsul Ivan Zinoviev

Arnold Schoenberg Chor

Wiener Symphoniker/Bertrand de Billy

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert