Katharina Konradi (Susanna, Kammerzofe der Gräfin), Olga Peretyatko (Gräfin Almaviva), Kartal Karagedik (Graf Almaviva) und Julia Lezhneva (Cherubino, Page des Grafen) (Foto: RW)
Mit einer musikalisch wie szenisch spitzenmäßigen Aufführung von Stefan Herheims köstlich amüsierenden Figaro-Inszenierung verabschiedet die Hamburgische Staatsoper ihren Intendanten Georges Delnon. Großen Applaus gab es vor allem für die Sänger des Abends, weniger für den nun pensionierten Opernchef.
Hamburgische Staatsoper, 3. Juli 2025
Le nozze di Figaro
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart
Libretto von Lorenzo Da Ponte
von Johannes Karl Fischer
Ein fabelhaftes Abschiedsgeschenk der Hamburgischen Staatsoper hätte sich der scheidende Intendant wohl kaum wünschen können: Zum Ende der Ära Delnon hatte man an der Dammtorstraße die wahrscheinlich genialste und amüsierende Inszenierung dieses Hauses auf die Bühne gebracht und mit einem exzellenten Gesangensemble verziert.
Großes Gelächter im Publikum an allen Ecken des Abends, für die im Chaos der Notenblätter versinkende Opernaufführung gab es an den Hamburger Standards gemessen beispiellos begeisterten Beifall. Einzig für Herrn Delnon waren die Reaktionen respektvoll bis verhalten, vielleicht das deutlichste Urteil des Abends?
Vielleicht wäre da der Hamburger Kultursenator anderer Meinung, so zählte er die vielen Verdienste von Herrn Delnon in seiner Lobesrede auf. Beim Publikum wird die Bilanz wohl deutlich gemischter ausfallen. Den eindrucksvollen Serebrennikow-Nabucco wird wohl hoffentlich niemand so schnell vergessen, anders eventuell die hauseigene Fidelio-Inszenierung. Mal ganz abgesehen von der deutschsprachigen (!) Schostakowitsch-Nase, die selbst unter Herrn Delnon Gott sei Dank keine zweite Spielzeit gesehen hat. Egal, jetzt ist Kratzer in Charge, Kinder, macht Neues!
Auf der heutigen Bühne präsentierte sich das Haus auch musikalisch mal wieder in glanzvoller Höchstform. Katharina Konradi sang die Susanna mit leuchtendem Sopran und ließ ihre Melodien liebevoll wie luftig in den Saal segeln. Man spürte ihre ganze Liebe zu Figaro tief im musikalischen Herzen, von Beginn an sprang sie stimmig durch das überaus heitere Bühnenbild und ließ die ganze Freude der Mozartlichen Musik durch die Partiturblätter tanzen. Auch Julia Lezhneva als Cherubino hatte einen fantastischen Abend. Freudestrahlend verzierte sie ihre bekannten Canzoni mit den kunstvollen Koloraturen ihrer streichelnd sanften Stimme und erntete dafür viel verdienten Beifall!
Olga Peretyatko sang eine äußerst ausdrucksstarke Contessa d’Almaviva, die insbesondere in ihrer ersten Arie „Porgi, amor“ die Eifersucht ihrer Partie innig und intensiv zum Klingen brachte. Für das eine oder andere Ohr könnte da ein ganz klein bisschen zu viel Verdi-Romantik durchgeklungen haben, wobei… würde das eigentlich jemand über die ganzen Sarastro singenden Wagner-Bässe sagen? Mozart war eben seiner Zeit musikalisch weit voraus. Kartal Karagediks Conte d’Almaviva ließ keinen Zweifel an seinen Herrschaftsansprüchen, so spielte er den eigentlich gar nicht so lustigem Humor des Grafen mit viel musikalischer Exzellenz. Sein mächtiger Bariton passte bestens in die kommandierende und respektlos auftretende Partie.
Einzig Chao Deng in der Titelrolle Figaro hatte sicherlich schon bessere Abende. Zwar sang der Bass die Noten sauber und ordentlich, seine Stimme war der Partie durchwegs gewachsen. Allerdings fehlte es seinen Arien ein wenig an der humoristischen Rollengestaltung des Strippenziehers. So duellierte er sich in „Se vuol ballare“ schauspielerisch mit dem Schatten des Grafen, stimmlich reihte er sich allerdings brav in die Reihen seines Herren sein und ließ sich von seiner Susanna ordentlich an die Wand singen…

Für eine äußerst positive Überraschung sorgte allerdings Han Kim als Don Bartolo. Sein präsenter, stimmstarker Bass setze seine Melodien mindestens solide in den Saal, als würde er sich für seinen nächsten Sarastro warm singen. Von den restlichen Nebenrollen machten insbesondere die beiden Opernstudiopartien besonders stark aufmerksam, so verteidigte Keith Kleins Gärtner Antonio seine wohl einmaligen Beobachtungen des vom Balkon springenden Cherubinos stimmlich furchtlos gegenüber dem Adel und auch Maria Maidowskis liebevolle Barbarina stand ihrem Cherubino stimmlich um nichts nach!
Das Orchester unter der Leitung Nicholas Carter präsentierte sich in Mozartlicher Bestform. Die Geigen tanzten federleicht durch ihre flotten Läufe und die Klarinetten schwebten in wohlklingenden Melodien durch die Partitur. Würden sie bitte doch immer so spielen und nicht nur zur Abschiedsfeier ihres Vorgesetzten, dann würde dieses Haus vielleicht sogar wieder in die internationale Spitzenliga aufsteigen… Auch der Chor sang seine eher nebensächliche Rolle mindestens solide, die vielen Bauern schienen viel Spaß an Figaros Hochzeitsfeier zu haben!

Am Ende gab es viel feierlichen Applaus vor allem für die Sänger des Abends. Allerdings, von einer wirklichen Abschiedsfeierstimmung wie für Christian Thielemann letztes Jahr in Dresden war man hier noch mindestens einige Dutzend Bravo-Rufe und noch viel mehr gefüllte Plätze entfernt. Wie das Hamburger Publikum Herrn Kratzer wohl in Empfang nehmen wird? Oder traut sich der Operneifer einfach nicht in die Elbströmung?
Johannes Karl Fischer, 4. Juli 2025 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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Kommentar: Rückblick Intendanz Georges Delnon Hamburgische Staatsoper, 15. Mai 2025
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