Foto: Mitridate, Staatsoper Berlin © Bernd Uhlig
Mozart war gerade 14 Jahre alt, als er seine erste italienische Opera seria “Mitridate, Re di Ponto” komponierte, die dann 1770 am Teatro Regio Ducale in Mailand uraufgeführt wurde. Noch ganz von der Barockmusik beeinflusst, wurde diese Oper zuerst ein großer Erfolg, verschwand aber dann für fast 200 Jahre in der Versenkung. Die Berliner Staatsoper Unter den Linden präsentiert MITRIDATE, RE DI PONTO nun im Programm anlässlich ihrer “Barocktage 2022” in einer Inszenierung des japanischen Regisseurs Satoshi Miyagi und unter der musikalischen Leitung von Marc Minkowski, mit seinem Orchester “Les Musiciens du Louvre” und einer internationalen Sängerbesetzung.
Wolfgang Amadeus Mozart
MITRIDATE, RE DI PONTO
Opera seria in 3 Akten
Marc Minkowski, Dirigent
Satoshi Miyagi, Inszenierung
Les Musiciens du Louvre
Mitridate: Pene Pati
Aspasia: Ana Maria Labin
Sifare: Angela Brower
Farnace: Paul-Antoine Bénos-Djian
Ismene: Sarah Aristidou
Staatsoper Unter den Linden, Berlin, 9. Dezember 2022
von Jean-Nico Schambourg
Marc Minkowski und sein Orchester “Les Musiciens du Louvre” sind die “Stars” des Abends. Diese Oper des jungen Mozarts kann, nein darf eigentlich nicht anders interpretiert werden als hier dargeboten. Mit seinem ruhigen, präzisen Dirigat spornt Minkowski das Orchester zu einem feurigen, aufregendem Spielen an, ganz in der Art der Barockopern, in deren Tradition man die vorliegende Komposition noch eindeutig klassifizieren kann. Dass das Orchester auf historischen Instrumenten spielt, verstärkt diese Wahrnehmung noch zusätzlich. Das Orchester erklingt dadurch schroffer, aufgewühlter und drückt somit die kämpferische und kriegerische Stimmung der Oper sehr adäquat aus. Dabei werden die Sänger nie überdeckt. Als Beweis dafür mit welch großartigen Instrumentalisten dieses Orchester gespickt ist, sei der Hornist des Orchesters erwähnt, der die Arie von Sifare “Lungi da te, mio bene”, wunderbar gefühlvoll begleitet. Er wird dabei zum Teil von Fahnen eingerahmt, auf denen der Körper eines Widders zu erkennen ist. Das Horn fungiert in dem Moment als Geweih des Tierkopfes, was ein eindrucksvolles Bild ergibt.
Aber Minkowski weiß auch das Orchester zu phantastischen Piani zu drosseln und den Sängern einen Klangteppich hinzulegen, auf dem sie ihre Arien ohne Druck ausführen können. So wird der erste Auftritt des heimkehrenden Königs von Ponto mit seiner Arie “Se di lauri il crine adorno” so pianissimo vom Orchester vorgetragen, dass Pene Pati als Mitridate seine Worte von seiner schmachvollen Niederlage im Krieg gegen die Römer fast flüsternd vortragen kann. Ein ganz beeindruckender Moment dieses Opernabends!
Trotz seinen jungen Alters weiß der Tenor aus Samoa auch sonst den König von Ponto glänzend zu gestalten, der sowohl erfolglos als Kriegsherr, als auch unerhört als Liebhaber zum Schluss der Oper Selbstmord begeht, um seine Ehre zu retten. Sein Gesang überzeugt mich an diesem Abend viel mehr als auf seiner letztlich erschienenen CD, wo doch einige Arien (noch) eine Nummer zu groß für ihn sind.
Die weiteren Sänger dieser internationalen Besetzung (neben Samoa stammen die Sänger aus Rumänien, den USA, Frankreich, Zypern, Gabun, Madagaskar) sind in ihren Rollen ebenfalls fast ideal besetzt. Aspasia, die unglückliche Verlobte von Mitridate, wird mit frischer jugendlicher Stimme virtuos gesungen von einer der aktuell führenden Barock-Spezialistinnen, Ana Maria Labin. Angela Browers, Mezzosopran, kommt stimmlich und szenisch ein wenig steif herüber, ist in anderen Szenen aber ein ergreifender Sifare, der seinem Vater Mitridate die Treue hält. Sein Bruder Farnace liegt in der Hand und in der Kehle des fulminanten Coutertenors Paul-Antoine Bénos-Djian. Dieser weiß, sowohl das Aufbegehren des treulosen Sohnes gegen seinen Vater, als auch seine spätere Einsicht, stimmlich toll auszudrücken.
Die kleineren Rollen werden gesungen von Sarah Aristidou als Ismene, Adriana Bignani Lesca als Arbate und von Sahy Ratia als Marzio und alle drei verdienen sich hierbei ein großes Lob.
Die Inszenierung liegt in den Händen des japanischen Regisseurs Satoshi Miyagi, der diese Oper im Geist des japanischen Kabuki-Theaters aufführen läßt. Die Figuren bewegen sich nicht viel, und wenn, dann sehr langsam, und erstarren während ihrer Arien oft in einer künstlichen Haltung, die ihre Gefühle in dem jeweiligen Moment ausdrücken soll.
Diese Auffassung passt perfekt zur Musik Mozarts, die auch ziemlich starr erscheint. Neben vielen Arien gibt es nur ein Duett zwischen Aspasia und Sifare und ein kurzes Ensemble am Schluss der Oper. Hier schließt sich der Kreis der Inszenierung: der Regisseur zeigt, genauso wie am Beginn der Oper, eine verbrannte Landschaft, als Referenz an das in Schutt and Asche gelegte Tokyo am Ende des 2. Weltkrieges, aber auch an viele andere Kriegsstätte jüngerer Zeit.
Zwischen diesen beiden Szenen besteht die Bühne aus vier Ebenen. Die Frontseite der oberen Ebenen öffnen sich des öfteren und dienen zum Beispiel als Gefängnis. Das ermöglicht schnelle Übergänge zwischen den einzelnen Szenen. Das Bühnenbild, konzipiert von Junpei Kiz mit dem Wanddesign von Eri Fukazawa, genau wie die Kostüme von Kayo Takahashi Deschene, sind zum größtenteils in Gold gehalten. Das unterstreicht diese Aufführung, die ihr Geld und Gold wirklich wert ist!
Die Vorstellung war an diesem Abend leider nicht ausverkauft! Das anwesende Publikum dankte den Musikern aber beim Schlussvorhang mit viel Beifall und Begeisterung.
Jean-Nico Schambourg, 11. Dezember 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begegistert.at