Foto: Philippe Herreweghe © Michiel Hendryckx
Elbphilharmonie, Großer Saal, 25. Oktober 2018
Wolfgang Amadeus Mozart, Requiem in d-Moll
Orchestre des Champs-Elysées
Collegium Vocale Gent, Chor
Philippe Herreweghe, Dirigent
Emőke Baráth, Sopran
Eva Zaïcik, Mezzosopran
Maximilian Schmitt, Tenor
Florian Boesch, Bassbariton
von Sarah Schnoor
Das Mozart-Requiem ist ein Werk, das fast unabhängig von der Qualität der Aufführenden zu Tränen rührt. Spätestens nachdem man die bewegende Szene aus Miloš Formans Film „Amadeus“ gesehen hat, stoßen die engelsgleichen Frauenstimmen mit dem Erlösungswunsch „voca me“ („Rufe mich“) direkt ins Herz. Wenn dann auch noch Philippe Herreweghe mit seinem Collegium Vocale Gent und dem Orchestre des Champs-Elysées nach Hamburg kommt, um dieses mythenumwobene Stück aufzuführen, sind die Erwartungen an den Abend hoch.
Ganz allein soll das Requiem für sich stehen. Für 60 Minuten Mozart kommen 2100 Menschen in der Elbphilharmonie zusammen und lauschen andächtig den Klängen des harmonischen Collegium Vocale Gent. Herreweghes Dirigat ist unglaublich zurückhaltend, und etwas wird schnell hörbar: Dieses Requiem ist keine emotionale Show, sondern eine klare und feine, teils eher sachliche Mozart-Interpretation mit wenigen großen Akzenten.
Vor dem Chor steht ein Quartett auf der Bühne, dessen Stimmen sich herrlich ineinanderfügen: die ungarische Sopranistin Emőke Baráth, die Mezzosopranistin Eva Zaïcik, der deutsche Tenor Maximilian Schmitt und der österreichische Bassbariton Florian Boesch. Ein Quartett, das besonders im „Benedictus“ mit seinen Stimmen die Musik geradezu streichelt. Solistisch überzeugt an diesem Abend vor allem die Mezzosopranistin Eva Zaïcik mit raumergreifender Wärme.
Mit den Bildern von Mozart auf dem Sterbebett im Kopf erklingt der Ausruf „voca me“: Die zarten Frauenstimmen des Collegiums sind herzzerreißend. Auch das „Agnus dei“ (Lamm Gottes) singt der Chor klar und mit Spannung getragen.
In jedem Moment schafft es das Orchester des Champs-Elysées sich dem Chor und dem Quartett unterzuordnen und trotzdem aufwühlende Stimmungen wie im „Dies irae“ (Tag des Zorns) heraufzubeschwören. Mächtig und zärtlich ist dieser Gott des Requiems, grausam und umarmend dieser Tod. Doch in der hell erleuchteten Elbphilharmonie bleibt diese göttliche Musik in der weltlichen Sphäre. Auch die Spannung wird mehrfach durch vereinzelt applaudierende und hustende Personen unterbrochen. Es wird nicht intim im großen Saal.
Dennoch überzeugt die musikalische Leistung. Besonders dem Chor, dessen homogener Klang große Bögen spannte und Herreweghe blind vertraute, gilt der herzliche Applaus!
Sarah Schnoor, 28. Oktober 2018, für
klassik-begeistert.de