Mozart jubiliert weihnachtlich in der Mailänder Scala

Wolfgang Amadeus Mozart,  Teatro alla Scala, Milano,

Foto: Brenda Rae © Kristin Hoebermann
Teatro alla Scala, Milano,
23. Dezember 2017
Wolfgang Amadeus Mozart
Ouvertüre zu Lucio Silla
Exsultate, Jubilate KV 165
Messe KV 427 in C-Moll für Soli, Chor und Orchester („Große Messe“)

von Charles E. Ritterband

Wer in Wien wohnt und das Glück hat regelmäßig Opernaufführungen der Wiener Staatsoper beizuwohnen, ist überwältigt, wenn er den prachtvollen Zuschauerraum der Mailänder Scala betritt: Deutlich voluminöser, weist er mehr Sitzplätze (über 2000) auf, als das Haus am Ring – und statt der Ränge hat die Scala ausschließlich Logen und Galerie, angeordnet in sechs Stockwerken, was dem Haus eine unvergleichliche Eleganz verleiht.

Die historische Verbindung zu Wien personifizierte die Herrscherin Maria Theresia, die die Scala 1778 anstelle der Kirche Santa Maria alla Scala in der Hauptstadt der damals österreichischen Lombardei errichten ließ. Und in Wien wurde in diesem Jahr Maria Theresia gründlich gefeiert – die Herrscherin wurde vor genau 300 Jahren in Wien geboren.

Der Zufall wollte es, dass ich just am Abend zuvor eine der eher seltenen Vorstellungen im winzigen Stadttheater (Teatro Sociale) der Tessiner Kantonshauptstadt Bellinzona besuchte. Das Theater wurde 1847 von einem Mailänder Architekt erbaut und wird im Volksmund nur als „Mini-Scala“ bezeichnet – eine Miniatur-Kopie der Mailänder Scala.

Im Mailänder Original hingegen erklang am 23. Dezember das traditionelle Weihnachtskonzert von Chor und Orchester der Scala ­– es war dieses Jahr ausschließlich Werken Wolfgang Amadeus Mozarts gewidmet. Das Opernorchester intonierte einleitend die Ouvertüre zum „Dramma per musica“ Lucio Silla – und der Zusammenhang liegt auf der Hand: Die Uraufführung fand 1772 in den Weihnachtstagen statt (am 26. Dezember): ebenfalls in Mailand, allerdings in der damals knapp noch nicht erbauten Scala, sondern in ihrem Vorläufer, dem Teatro Regio Ducal.

Der italienische Dirigent Giovanni Antonioni, ein Spezialist für Barockmusik und Dozent am renommierten Conservatorio di S. Cecilia in Rom, war temperamentvoll und mit beträchtlichem körperlichem Einsatz bemüht, dem Musikstück Frische und Dramatik abzugewinnen, was auch durchaus gelang. Wenn man sich allerdings zum Vergleich die brillante Einspielung von Nikolaus Harnoncourt (2013) zu Gemüte führt, ist da doch noch ein hörbarer Unterschied. Dieser ist möglicherweise dem Umstand geschuldet, dass das Orchester der Scala zwar anerkanntermaßen eines der führenden Opernorchester der Welt ist – aber, gewohnt im Orchestergraben Teil einer Inszenierung zu sein, die außergewöhnliche Aufgabe eines Orchesters auf der Bühne nicht ganz optimal meistert.

Unbestrittener Star des Abends war die grandiose amerikanische Sopranistin Brenda Rae, deren jubelndes „Exsultate, Jubilate“ in perfekt harmonischem Zusammenspiel mit dem Opernorchester zum Hochgenuss und Höhepunkt des Abends wurde – hier zeigte sich die Stärke des altehrwürdigen, schon 1778 gegründeten Orchestra del Teatro alla Scala: Im Dialog mit Spitzen-Opernsängern.

Mozarts zwar als „Große Messe“ bezeichnetes, aber unvollendet gebliebenes Werk gilt dennoch als eine der herausragenden Messen der gesamten europäischen Musikgeschichte. Bewegend das Duett „Domine Deus“ der beiden Soprane (Brenda Rae mit der Italienerin Roberta Invernizzi – die deutlich hinter Rae zurückblieb). Großartig gleich darauf im folgenden Satz das Largo „Qui tollis“ mit seinem achtstimmigen Chor und am Ende dem subtilen Übergang von g-Moll zu Es-Dur.

Beglückt verließ man das ausverkaufte Haus – und falls da ein Besucher doch etwas frustriert war, weil er das Opernspektakel für ein Konzert vertauscht hatte, musste nur zum „Window Shopping“ das benachbarte Stadtviertel durchstreifen, wo sämtliche berühmten Mode-Labels der Welt repräsentiert sind und in ihren mit weihnachtlicher Grandezza aufgemachten Schaufenstern wahre Inszenierungen präsentieren, die an Originalität manche Spektakel auf der Opernbühne in den Schatten stellen könnten.

Der Journalist Dr. Charles E. Ritterband schreibt exklusiv für klassik-begeistert.at. Er war für die renommierte Neue Zürcher Zeitung (NZZ) Korrespondent in Jerusalem, London, Washington D.C. und Buenos Aires. Der gebürtige Schweizer lebt seit 2001 in Wien und war dort 12 Jahre lang Korrespondent für Österreich und Ungarn. Ritterband geht mit seinem Pudel Nando für die TV-Sendung „Des Pudels Kern“ auf dem Kultursender ORF III den Wiener Eigenheiten auf den Grund.

Photo by Kristin Hoebermann

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