von Herbert Hiess
Die Corona-Krise zwingt viele der freischaffenden Künstler in die Knie; das quasi Auftrittsverbot bringt neben den Künstlern auch die Veranstalter in die sogenannte Bredouille. Und zwingt die besten Leute zu performanceartigen Auftritten, die irgendwie mehr das Auge als die Ohren erfreuen. Manche können/müssen sich damit abfinden. Ich nicht – daher ausnahmsweise eine Beschreibung in der von mir vehement abgelehnten Ich-Form.
Der österreichische Geiger russischer Herkunft wird heuer 29 Jahre alt und studierte an der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien MUK (früher das Konservatorium der Stadt Wien) Violine. Das großartige Institut, wo ich selbst studierte, ist offenbar eine „Kaderschmiede“ für Geiger. Nicht nur Yury Revich bekam in diesem Haus den musikalischen Impetus; auch Nikolaj Znaider und Julian Rachlin wurden dort zu Weltstars geformt.
Wenn man Yury mit seinem Instrument in diesen irgendwie beeindruckenden und bedrückenden Videos sieht und hört, erkennt man einen musikalischen Weltstar. Und natürlich ist er beeindruckend. Gleichzeitig bedrückend ist für mich zumindest der Zustand der „neuen Normalität“, wie man so oft zu hören bekam.
Natürlich ist für den Geiger und für die anderen Musiker klar, dass sie nicht anders auftreten konnten und durften. Und als ich die aktuellsten Bilder einer Aufführung aus dem Staatstheater Wiesbaden (Hessen) sah – da ist es mir regelrecht „vergangen“.
Deswegen tue ich mich schwer, Yury Revichs ambitioniertes Kunstwerk gebührend zu bewundern. Für das durch die Corona-Krise gebeutelte Italien opferte er Zeit und Mittel, um quasi als „Fundraiser“ Spenden für die armen Leute dort zu sammeln.
Da steckt viel von seinem Herzblut drinnen; er musizierte mit seiner Stradivari brillant und grandios mit dem Akkordeonisten Vivaldi, Bach-Gounods „Ave Maria“, die Ballerina tanzte traumhaft zu seinen wunderbaren Klängen ein Stück aus Tschaikovskys „Schwanensee“. Das tut aber leider meinem Wissen um die Situation keinen Abbruch; das Wissen, wie sehr die hervorragenden Künstler von der Politik in Stich gelassen werden und worden sind.
Es spricht auch für die Künstler, dass sie da unter Verzicht auf Geld auftraten. Beeindruckend war auch die Videokunst; die Schnitte, die Kameraführung (viel mit Drohnen). Alles beeindruckend.
Ich gebe aber zu, dass ich mit den ganzen Streamingsachen nichts anfange und anfangen will. Es zeigt mir allzu deutlich, wie schlecht es um die „Kunstszene“ bestellt ist. Deswegen bin ich hier auch absolut befangen und kann hier keinen „normalen“ Bericht verfassen.
Wie die Salzburger Festspiele 2020 oder das Grafenegg Festival verlaufen werden – da lasse ich mich einfach überraschen. Meine allzu pessimistischen Erwartungen werden (hoffentlich nur) 2020 dennoch eintreten.
Umso mehr ist dem großartigen Geiger Revich zu danken, dass er sich all diese Mühen gemacht hat, und ich freue mich regelrecht, ihn unter „normalen“ Umständen erleben zu dürfen. Ohne Mikrophone und Lautsprecher vor den Ohren und ohne Kameras vor den Augen.
Part 1 https://youtu.be/p6oR71eJg0s
Part 2 https://youtu.be/5HLJiyWEs8A
Herbert Hiess, 19. Mai 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Hintergrund:
Der Stargeiger Yury Revich veranstaltet im Wiener Stephansdom eine Benefizgala der besonderen Art. Mit „Dreamland with Yury Revich supports Italy“ setzen Dompfarrer Toni Faber, die Schauspieler Cornelius Obonya und Andrea Jonasson, erste Solotänzerin der Wiener Staatsoper Maria Yakovleva und Musiker Bogdan Laketic gemeinsam mit dem Musiker und Gastgeber Yury Revich ein starkes Zeichen gegen Corona und unterstützen italienische Krankenhäuser finanziell in ihrem Kampf gegen das Corona-Virus.
Musik von Paganini über Schubert bis Vivaldi, Tanz und Lesungen werden den Wiener Stephansdom in erhebende Stimmung versetzen. Im Gotteshaus sind keine Zuseher zugelassen, die virtuelle Gala „Dreamland with Yury Revich for Italy“ wird jedoch über You Tube und Yury Revichs Social Media Kanäle am 17. Mai um 17 Uhr übertragen.
Anstatt wie geplant, Ende Mai, erstmalig im weltberühmten Kolosseum in Rom zahlreiche Gäste auf seiner Dreamland Benefizgala zu begrüßen, sammelt der 28-jährige Yury Revich am 17. Mai für die Fundraising-Kampagne «COMIFAR & Friends per gli OSPEDALI» des Arzneimittelverteilers Comifar.
Diese spendet Gelder an drei italienische Krankenhäuser, die sich an vorderster Front im Kampf gegen COVID-19 engagieren: Sacco in Mailand, Spallanzani in Rom und Cotugno in Neapel. Das Land ist mit über 28.000 Corona-Toten besonders betroffen und benötigt dringend medizinisches Equipment.
Schade, dass der Bericht so einen negativen Touch hat. Wir haben auch Streamingkonzerte angeboten, gerade ist das erste vorbei. Mit Ticketpreisen und ohne guten Zweck (Yuri in Ehren), der gute Zweck waren wir selbst, da wir von heute auf morgen komplett ohne Auftritte dastanden.
Die Leute waren begeistert und so musikhungrig wie noch nie, wir haben richtig viel Feedback bekommen. Und uns hat es auch gut getan, nach fast drei Monaten Stillstand. In Kontakt kamen wir über den Livechat, und das tut auch gut. Es ist live, zwingt uns in den Moment und tut viel besser als ein normaler Kommentar unter einem irgendwann geposteten Video.
Sicher kein Ersatz für ein normales Konzert, aber lieber im Stream spielen als gar nicht. Das wurde uns jetzt nach dieser langen Zeit klar.
Und alle Schuld auf die Politik zu schieben, ist sicher auch nicht die Lösung. Ja die Hilfen und Anordnungen sind chaotisch, unlogisch und oft unzureichend. Aber das ist so in einer Krise. Wir alle hatten das noch nie und können keine perfekten Lösungen erwarten. Aber anpacken und neue Dinge und Technik ausprobieren können wir!
http://www.thetwiolins.de
Marie-Luise Dingler