Valer Sabadus während des Konzerts im Markgräflichen Opernhaus Bayreuth am 10. Mai 2024 © Beth Chalmers
Zweiter Tag der Gluck Festspiele in Bayreuth
Arienabend von Valer Sabadus im Markgräflichen Opernhaus
Nachtkonzert in der Schlosskirche, 10. Mai 2024
von Jolanta Łada-Zielke
Eine der großen Stärken der Gluck Festspiele ist die geschickte Zusammenstellung des Programms jeder Aufführung. Langsame und lyrische Stücke wechseln sich mit den dynamischeren ab. Selbst wenn sich das Repertoire auf eine bestimmte Epoche oder einen einzelnen Komponisten bezieht, kommt keine Langeweile auf. Der zweite Festspielabend in Bayreuth war zwar lang, aber ich habe danach keinen Überdruss gespürt.
Den Anfang macht der Countertenor Valer Sabadus, den ich schon letztes Jahr beim Festival Bayreuth Baroque im Markgräflichen Opernhaus erleben durfte. Der Künstler kennt diese Bühne und fühlt sich hier wohl. Vor der Pause singt er Arien aus Händel-Opern wie „Giulio Cesare in Egitto“, „Ariodante“ und „Rinaldo“. Der zweite Teil gehörte dem Schirmherrn der Festspiele, Christoph Willibald Gluck.
Man kann sagen, dass Sabadus ein Meister der Verzierungen ist. Dadurch klingt jede Arie, selbst eine bekannte – wie „Ombra mai fu“ oder „Voi, che sapete“ – in seiner Interpretation so, als ob man sie zum ersten Mal gehört hätte. Der Countertenor übertreibt nicht mit den Ornamenten, er fügt nur so viele hinzu wie nötig – in da-capo-Arien natürlich in dem wiederholten Teil.
Jede Note in den Koloraturen hat bei ihm einen festen Platz, aber dennoch artikuliert er alles mit Freiheit und Leichtigkeit. Seine Stimme hat eine warme Samtfarbe. Richtig ausgewogene Lautstärke bei tiefen und hohen Tönen, sowie eine gute Textverständlichkeit machen die Botschaft dieses Sängers überzeugend.
Zwischen einzelnen Arien spielte das Barockorchester der Thüringen Philharmonie Gotha-Eisenach unter der Leitung von Michael Hofstetter Instrumentalstücke. Bei Glucks „Orpheus“ entschied der Dirigent sich nicht für die Ouvertüre, die ein häufig gespielter Hit ist, sondern für den Furientanz. Diese Wahl ist gerechtfertigt, weil danach der Countertenor die Arie des Orpheus nach seinem Abstieg in den Hades singt, der ein dramatisches Rezitativ vorausgeht: „Was sprach er? Hört’ ich recht?“
Sabadus gibt dreimal eine Zugabe und sein Auftritt endet zwanzig Minuten vor dem nächsten Konzert „Time stands still“ in der Schlosskirche. Das Publikum hat jedoch genug Zeit, um von einem Veranstaltungsort zum anderen zu wechseln. Die Stimmung beim Nachtkonzert ist speziell. Dazu tragen mehrere Faktoren bei: das Innere der Kirche, die Anwesenheit eines Tänzers (Alberto Pagani), der nicht nur mit seiner Körpersprache die Spannung baut, sondern auch die Bewegungen der Sänger auf der Bühne dirigiert. Dazu kommt eine dezente Beleuchtung, die es den Musikern erlaubt, in die Noten zu schauen, das Publikum bleibt aber im Dunkel.
Niemand wagt es, zwischen den einzelnen Stücken zu applaudieren – und das ist auch gut so, sonst wäre die außergewöhnliche Atmosphäre zerstört worden.
Manche Zuschauer sind überrascht, dass sechs Lieder von John Dowland auf dem Programm stehen. Immerhin handelt es sich um einen Renaissance-Komponisten, der mit einer anderen Technik als dem Belcanto gesungen wird. Aber für Aco Biščević ist das kein Problem. Er singt Dowlands Stücke etwas zarter als diese von Händel, Purcell oder Monteverdi, aber mit korrekter Phrasierung, ohne Vibrato und mit der richtigen emotionalen Ladung. Seine Tenorstimme klingt in diesen Kirchenmauern wunderschön und zeigt die Vielseitigkeit des Sängers, dessen Liederrepertoire alle möglichen Epochen abdeckt. Biščević präsentiert ebenfalls ein Lied in seiner Muttersprache, über einen Jungen, der nach Istanbul ging, um seiner Liebsten gelbe Früchte namens „Dunje“ zu bringen.
Mit dem Tenor tritt Hannah-Theres Weigl zusammen auf, die am Vorabend Publio in Glucks „La clemenza di Tito“ gesungen hat. Ihr schöner, angemessen proportionierter Kristallsopran und hohe Leistungskultur zeichnen diese Künstlerin aus. Schon in der Art, wie sie sich auf der Bühne bewegt, kann man eine gewisse Bescheidenheit und Würde zugleich erkennen. Das einzige Gluck-Stück auf diesem Programm, die Arie von Amor aus der Oper „Orpheus“, interpretiert sie meisterhaft.
Nur zwei Instrumentalisten begleiten die Sänger: Bastian Uhlig (Cembalo) und Stephan Rath (Laute). Außerdem tragen sie jeweils ein Solostück vor. Der Tanz von Alberto Pagani ist eine Art Kommentar zur Musik. In bestimmten Momenten interagiert er jedoch auf diskrete Weise mit den anderen Künstlern, als ob er die Rolle des Fatums einnehmen würde, das über das Schicksal der von den Sängern gespielten Figuren entscheidet.
Michael Hofstetter sagt, dass Gluck mit seinem Werk die Brücke zwischen Barock und Klassik schlägt. Aber nachdem ich Dowlands Werke gehört habe, habe ich den Eindruck, dass Glucks musikalische Inspiration noch weiter zurückreicht. Die Gluck-Festspiele zeigen diese musikalische Kontinuität auf.
Jolanta Łada-Zielke, 13. Mai 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at