Semperoper: Daniele Gattis Mahler steckt auch bei seinem Antrittskonzert im Schatten seines Vorgängers fest

1. Symphoniekonzert Staatskapelle Dresden, Daniele Gatti, Dirigent  Semperoper Dresden, 1. September 2024

Daniele Gatti © Markenphotografie

Trotz einer auf feinem Weltklasse-Niveau spielender Dresdner Staatskapelle konnte Daniele Gatti in seinem Antrittskonzert nur teilweise an den umjubelten Erfolg seines Vorgängers anknüpfen. In Ordnung, ja, in Christian Thielemanns Mahler-Universum angekommen, nein. 

1. Symphoniekonzert

Staatskapelle Dresden
Daniele Gatti, Dirigent

Arnold Schönberg: Verklärte Nacht
Gustav Mahler: Symphonie Nr. 1 D-Dur

Semperoper Dresden, 1. September 2024

von Johannes Karl Fischer

Sein Vorgänger Christian Thielemann nannte Gustav Mahler als einen der in seiner Amtszeit zu wenig gespielten Komponisten… um anschließend die Semperoper anderthalb Stunden in einem einzigartigen Mahler-Universum schweben zu lassen. Da legt Daniele Gatti nun mit einem ganzen Mahler-Zyklus gleich zu Beginn seiner Zeit als Chefdirigent ordentlich einen drauf… kann er auch musikalisch mit seinem Vorgänger mithalten?  

Leider nicht ganz, mehr dazu später. Zuerst allerdings zum Positiven: Arnold Schönbergs Verklärte Nacht, die die erste Hälfte des Konzerts schmückte. Hier flossen alle Stimmen völlig naht- und mühelos einander, wie ein richtig gut durchmischtes, kühles musikalisches Gurkengazpacho, um das Ohr auch an diesem schon morgendlich warmen Spätsommertag auf ein deftiges Mahler-Mahl einzustimmen! Mit üppig besetzten Streichern sorgte Gatti für einen quillenden, doch keinesfalls überintensiven Klang. Die perfekte Überleitung zwischen den sich mittlerweile überschlagenden Emotionen des heutigen Alltags und den stürmisch-fulminanten Emotionen von Mahlers eigener Welt…

Und nun zu Mahler selbst: Die Dresdner Staatskapelle ließ die Magie dieser Musik glänzen, an vielen Stelle schmolz das Orchester zu einem saugenden Strudel zusammen und nahm das Publikum ordentlich mit. Im Vordergrund standen dennoch Herr Gattis sehr zahlreiche und nicht immer nachvollziehbare Temposchwankungen, welche selbst einige der MusikerInnen zu verwirren schienen. Nein, ich will gar nicht die Tempi an sich kritisieren, die sind ja unwichtig. Entscheidend ist nicht, welches Tempo man wählt, sondern, was man mit dem Tempo macht. Leider schien mir genau das sein Problem zu sein…

Den gemächlich dahinplätschernden morgendlichen Spaziergang über Mahlers taubedecktes Feld im ersten Satz schien Gatti mit einem ungewohnt zugigen Trauermarsch im dritten Satz kompensieren zu wollen.

Sächsische Staatskapelle Dresden © Matthias Creutziger

Einige Fermaten ließ er fast stocken, während wieder anderswo die Noten vor lauter Energie in einem sehr kurzen Augenzwinkern vorbei sausten. Die MusikerInnen auf der Bühne meisterten dennoch ihre Stimmen und ließen die Melodien durch den Saal schweben. Besonders im quasi selbstlaufenden zweiten Satz zeigte sich die ganz große Klasse dieses Klangkörpers. Mit Mahlers quasi-Ländlern ließen sie das ganze Haus im Takt zu Musik schwingen!

Es hätte also nix zu meckern gegeben, hieße die Konkurrenz dieses Orchester nicht Wien und Berlin. Die teils monumentalen technischen wie auch musikalischen Herausforderungen, welche Mahler seinem Orchester bereits in seinen jungen Kompositionen stellte, meisterten die MusikerInnen mit Bravour. Es war auch richtig guter Mahler, das Publikum zeigte sich zurecht begeistert und applaudierte mit furiosem Beifall. Aber: Der Schlussapplaus versetzte die Semperoper etwa in die Stimmung eines ordentlichen Abonnementkonzerts, nicht in ein den Saal scheinbar stürmendes Applaus-Feuerwerk, wie es etwa von anderen vergleichbaren Antrittskonzerten dokumentiert ist.

Mit seinem Eröffnungskonzert versuchte Daniele Gatti offenbar direkt an die gefeierten Erfolge seines Vorgängers anzuknüpfen… das gelang ihm leider nur teilweise.

Anders als bei Christian Thielemann Abschlusskonzert im Juli war die Semperoper heute noch nicht ganz im Mahler-Universum angekommen. Für einen Dirigenten mit Mahler-Zyklus-Ambitionen an der Spitze einer der weltbesten Spitzenorchester ist das zu wenig!

Johannes Karl Fischer, 1. September 2024 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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