Ravel im neun-Tage-Takt: Beatrice Rana läßt das jazzige Klavierkonzert ein zweites Mal durch die Hamburger Elphi flitzen

2. Ravel-Klavierkonzert, Beatrice Rana, Klavier  Elbphilharmonie Hamburg, 2. Dezember 2024

Beatrice Rana © Simon Fowler/Promo pictures

Winterzeit ist Klassikzeit: Kaum kommt man mit frisch Maroni-gewärtmen Fingern durch die Eiseskälte am Elbufer an, steht im Hamburg gleich das zweite Ravel-Klavierkonzert in neun Tagen auf dem Programm. Beatrice Ranas glitzerndes Klavierspiel stand Yuja Wangs pianistisches Kunstwerk um nichts nach, das Orchestre National de France hingegen ließ den Strawinsky-Strudel ein wenig auf der Strecke liegen.

Orchestre National de France
Cristian Măcelaru, Dirigent

Beatrice Rana, Klavier

Werke von Paul Dukas, Maurice Ravel und Igor Strawinsky

Elbphilharmonie Hamburg, 2. Dezember 2024

von Johannes Karl Fischer

Erst vor anderthalb Wochen hatte Yuja Wang in diesem Saal mit Ravels Klavierkonzert für Furore gesorgt, heute stellt sich Beatrice Rana diesem jazzigen, lebenslustigen wie technisch extrem anspruchsvollen Klavierkonzert. Auch sie ließ die locker-flockige Energie dieser Melodien durch die Ränge flitzen und die Melodien mühelos aus dem Flügel tanzen.

Mit dem ersten Satz aus Ravels Gaspard de la Nuit als Zugabe durfte auch das Hamburger Publikum eine wohlschmeckende musikalische Kostprobe ihrer jüngst umjubelt aufgenommenen Klaviertour goutieren. Frau Ranas glitzerndes Klavierspiel stand Frau Wangs eigenartigem pianistischen Kunstwerk um nichts nach!

Leider ließ sich das Orchestre National de France in diesen sausenden musikalischen Strudel nicht wirklich mitreißen. Sorry, Dukas’ Zauberlehrling und Strawinskys Feuervogel müssten eigentlich die Decke von der Elphi fegen, so intensiv und emotional sind diese beiden Partituren geschrieben. Leider kam das Orchester fast zwei Stunden lang nicht wirklich in Schwung, ließ das fast schon explosive Potential dieser Partituren teilweise auf der Strecke liegen.

Beginnen wir mit Strawinsky: Mit einem flirrenden Klangteppich, auf dem die Federn des Feuervogels in den Saal zu schweben schienen, legten Cristian Măcelaru und seine Musiker zwar einen mehr als ordentlichen Start hin. Auch das auf dem in diesem Orchester einzigartig verwendete französische Fagott aus Strawinskys Zeiten ließ das Berceuse-Solo sonor durch den Saal strahlen, so weit so gut. Sehr gut sogar, nicht zuletzt schimmerten die zauberhaften Harfenarpeggien in der musikalischen Seele des Orchesters.

Es folgten drei der wohl magischsten Minuten der Klassik, in denen der Komponist quasi alle Kräfte aufeinander prallen lässt. Alle Noten waren da, saßen sauber und die Akkorde resonierten solide im Saal. Es hätte auch gar nicht unbedingt lauter, schneller oder größer sein müssen und vielleicht geriet auch die Elphi-Akustik ein wenig an ihre Grenzen. Aber irgendetwas fehlte, ein bisschen wie ein zahnloser Tiger, der zwar mit drohender Miene vor dem bösen Kastschei steht, vor dem sich der Zauberer jedoch nicht fürchten muss…

Cristian Macelaru © Sorin Popa

Eine ähnliche Bilanz konnte man leider schon nach Paul Dukas’ Zauberlehrling ziehen. Das sehr großzügig besetzte, die räumlichen Grenzen dieser Bühne streckende Orchester kam schon in diesem konzerteröffnenden Werk nicht wirklich vom Fleck. Zwar spielten sie alle Noten der sehr herausfordernden Stimmen korrekt, den Zauber des Werks errieten sie aber nicht wirklich so recht. Anders gesagt: Goethes wasserschleppender Besenstil beendet seinen Dienst vorschriftsgemäß…

Umso begeisterter brach der Saal in nahezu grenzenloses Gejubel nach dem orchestralen Highlight des Abends, Ravels Bolero, aus. Zurecht – dieses sanft mitreißende, immer feuriger tanzende Schlagerwerk geriet dem Orchester mit viel Brillanz, hier konnten auch die sehr zahlreichen, allesamt herausragende besetzten Instrumentalsoli ihre Musik zum Vorschein bringen. Völlig mühelos und komplett natürlich steigerte der Klangkörper die Musik wie aus einer Seele spielend vom fast unhörbaren Trommelrhythmus bis zur tobenden Extase und schickte das Publikum mit einem musikalischen Show-Stopper in die Hamburger Winterkälte.

Leider fühlte sich das schon eher an wie eine Zugabe nach diesem zugegeben auch intensiv konzipierten Programm. Vielleicht war Zauberlehrling und Feuervogel an einem Abend auch einfach etwas zu viel?

Johannes Karl Fischer, 3. Dezember 2024 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Berliner Philharmoniker, Yannick Nézet-Séguin, Dirigent, Beatrice Rana, Klavier, Philharmonie Berlin, 23. Mai 2024

BRSO, Yannick Nézet-Séguin, Dirigent, Beatrice Rana, Klavier Elbphilharmonie, Hamburg, 11. Mai 2022

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert