Foto: Elbenita Kajtazi , © Ralf Wegner
Staatsoper Hamburg, 17. März 2022
Giuseppe Verdi La Traviata
Libretto von Francesco Maria Piave
von Johannes Karl Fischer
Pretty Yende, Aida Garifullina, jetzt Elbenita Kajtazi. Dreimal Traviata, drei umjubelte Violettas. Auf Papier ist die Ensemble-Sopranistin klare Außenseiterin gegen die zwei Superstars. Trotzdem meisterte die Kosovarin die anspruchsvolle Arie „Sempre libera“ mit Bravour und Brillanz. Selbst das hohe Es – eine koloraturische Oktavierung aufwärts, die Aida Garifullina übrigens ausgelassen hatte – strahlte mit Freude in alle Ecken des Zuschauerraums. Reichlich Applaus und Brava-Rufe. Und das absolut verdient!
Damit war aber noch längst nicht Schluss. Im ersten Akt musste sie hier und da noch ein paar kleine Intonationsprobleme wegsteckten – eben der minimale Unterschied zu Aida Garifullina vor drei Wochen. Aber den großen Violetta-Auftritt im dritten Akt – erst den Brief, dann die Arie „Addio del passato“ – habe ich noch nie so mitreißend und emotional gehört. „Tutto finì“ – alles ist zu Ende, Elbenita Kajtazi singt, als wäre es erst der Anfang. Man wünschte, es wäre nie zu Ende. Ein großes Glück für die Staatsoper, sie im Ensemble zu haben.
Noch mehr Applaus gab es für Artur Ruciński (Giorgio Germont). Mit starker Stimme sang er einen sehr durchschlagskräftigen Vater Alfredos. Erst will er Violetta überzeugen, sich von ihrem Geliebten zu trennen, am Ende sieht er, was er damit angerichtet hat. „Piangi, piangi“ – man musste weder italienisch noch die Untertitel lesen können, um zu verstehen, was er singt.
Auch Stephen Costello (Alfredo Germont) war sehr gut, wenn auch nicht ganz so stimmstark wie Ruciński und Kajtazi. Etwas lyrischer, nicht ganz so viel Dramatik, wie man es sich vielleicht von Verdi wünschen würde. Aber immer eine verlässliche Bank, routiniert in dieser Rolle wie vor Corona. Keine Spur davon, dass er als last-Minute-Einspringer für Pavol Breslik angeblich erst wenige Stunden vor der Vorstellung in Hamburg gelandet ist.
Mit Ida Aldrian war auch die Flora Bervoix sehr stark besetzt. Wenig relevant für die Handlung, umso mehr für die Musik. So möchte man Floras Feste gerne feiern! Katja Pieweck sang mit warmer Stimme die Annina, Peter Galliard in gewohnter Form den Gastone. Auch die anderen Nebenrollen – aus dem Ensemble und Opernstudio besetzt – konnten durchweg mit soliden Leistungen überzeugen.
Der Chor war – im Vergleich zu Lohengrin und Rigoletto – deutlich verbessert. Nur noch zwei SängerInnen mit Masken-Dämpfer, alle Stellen wieder da, wie sie in der Partitur stehen. Aber so richtig mit Ausdruck und Leidenschaft wie vor Weihnachten klang das leider noch nicht wieder. Etwa so, als würden alle ihren Job machen, nicht mehr und nicht weniger. Vielleicht haben sie aber auch nur mit den Tannhäuser-Proben angefangen…
Auch Stefano Ranzani (Dirigent) schien das Orchester teilweise nicht wirklich im Griff zu haben. Vor allem am Anfang – bei Floras Ball – hatte ich den Eindruck, die rechte Hälfte des Orchesters würde seinem etwas schleppenden Dirigat folgen, die linke – vor allem die Flöten – wollte lieber Allegro brillantissimo nach Verdi spielen. Dazu waren – quer durch alle Instrumentalgruppen – leider einige Individualfehler zu hören. Auch in der sehr lyrischen Ouvertüre.
Auf die Inszenierung von Johannes Erath war die Presse – seit der Premiere – meist nicht gut zu sprechen. Aber die letzte Szene mit der Person Violetta als Statistin im Grab, die Sängerin als Geist und Seele der sterbenden Protagonistin… Ist das nicht die Lösung schlechthin des Opern-Dauerproblems, dass am Ende alle immer halbtot auf der Bühne rumliegen und dabei noch singen sollen? Vielleicht sollte man Butterfly, Rigoletto oder Aida auch mal so inszenieren?
Alles im allen eine sehr gelungene Aufführung. Vor allem Elbenita Kajtazi hat sich mehr als wacker gegen ihre direkte Superstar-Konkurrenz gehalten. Eine Vorstellung gibt es noch… und viel zu viele freie Karten.
Johannes Karl Fischer, 18. März 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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