Anette Behr-König 2019 © Anja Göring
4. Philharmonisches Konzert : Gala für Götter
Joseph Martin Kraus: Ouvertüre zur Oper Olympie
Wolfgang Amadeus Mozart: Sinfonia Concertante für Violine und Viola Es-Dur KV 364
Symphonie Nr. 41 C-Dur KV 551 „Jupiter“
Enrico Onofri Dirigent
Anette Behr-König Violine
Boris Faust Viola
Die Bremer Philharmoniker
Bremer Konzerthaus Die Glocke, 16. Dezember 2024
von Dr. Gerd Klingeberg
„Warum in die Ferne schweifen?“ – wenn man doch auch in den eigenen Reihen hochqualifizierte Musiker hat. Das mag, angelehnt an Goethe, die Überlegung gewesen sein. Jedenfalls standen diesmal beim Konzert der Bremer Philharmoniker die Konzertmeisterin Anette Behr-König und Primbratscher Boris Faust als Solisten vor ihrem Ensemble. Und waren dabei ganz offensichtlich guter Dinge, da sie mit absolut verlässlichen Kolleginnen und Kollegen konzertierten.
Das spürte man auch gleich beim schwungvollen Start in Mozarts „Sinfonia Concertante“. Beide Solisten und das Orchester waren sich uneingeschränkt einig, was die Homogenität und die Dynamik der Stimmen anbetraf: Eine unbedingte Voraussetzung; denn hinsichtlich seiner an historischer Aufführungspraxis orientierten Interpretation hatte der italienische Dirigent Enrico Onofri so manche Überraschung parat. Wer glaubte, mozartische Musik sei vor allem locker entspannte Unterhaltung, der musste sich gehörig umstellen: Onofri setzte auf ausgeprägten Ausdruck mit einer gehörigen Portion an Dramatik. Das erreichte er durch mitunter plötzliche, nur wenige Töne betreffende, jedoch sehr deutliche Tempoänderungen, aber auch durch eine sich immer wieder stark variierende Dynamikkurve.
Orchester und Solisten gingen exakt mit und ließen dadurch eine ungemein hohe Spannungsdichte entstehen. Die nicht sonderlich lange, in bester Synchronizität vorgetragene Kadenz im Kopfsatz vermittelte geradezu den Eindruck einer fesselnden Kurzgeschichte.
Nuancierte Klangdichte und höchste Virtuosität
Das ruhevolle, eher dunkel eingefärbt dargebotene Mittelsatz-Andante atmete dagegen Wehmut und Weite, aber auch ein unterschwellig zu erahnendes Maß an packender Dramatik. Da konnten sich die beiden Solisten mit expressiv klangdichter, nuanciert gestalteter Tongebung bestens präsentieren. Forsche Herangehensweise und höchste Virtuosität war hingegen gefordert beim finalen Presto-Satz. Onofri setzte dabei jedoch nicht unbedingt auf Temporekorde, sondern auf ein eher luftig leichtes, tänzerisch schwingendes Wechselspiel aus den dialogischen Einsätzen der Solisten und effektvoller Orchesteraktion. Seine Vorgaben wurden allerseits exzellent umgesetzt, um schließlich kulminierend zu einem rasanten Finale auszuwachsen. Die vom heimischen Publikum wahrhaft frenetisch gefeierten Solisten bedankten sich mit einem „stets lustig heißa hopsassa“ gefiedelten, „mozärtlichen“ Vogelfänger-Duett.
Energiestrotzende Sinfonik
Sein interpretatorisch auf hohe Ausdrucksintensität abzielendes Dirigat hatte Onofri bereits eingangs bei der düsterfarbigen Ouvertüre zur Oper „Olympie“ des kaum bekannten Mozart-Zeitgenossen Joseph Martin Kraus eingesetzt. Diesen Ansatz verfolgte er auch, und vielleicht sogar noch intensiver, bei Mozarts großer Jupiter-Sinfonie. Deren markante Eingangsakkorde wurden den Zuhörern geradezu um die Ohren gewatscht, um dann von deutlich angenehmeren Klängen konterkariert zu werden. Knallharte Kontraste also, fernab jeglicher Lieblichkeit, eher ein sinfonisches „Confutatis maledictis“, kraftvoll und energiestrotzend, das mit Hochspannung verfolgt wurde. Im kantablen, zunächst ruhig dahinfließenden Andante-Satz schien besinnliche Ruhe angesagt zu sein, zumindest dann, wenn man nicht von so mancher unerwartet auftauchender „Stromschnelle“ überrascht wurde.
Im Folgesatz Menuetto wirkten scharfkantige Akkordfanfaren der Blechbläser wie solide Pfeiler in einer sorgfältig erstellten Architektur. Anfangs noch eher verhalten ging es in den Schlusssatz, der, wie die gesamte Sinfonie Nr. 41, als der Höhepunkt mozartischer Sinfonik gilt. Auch hier spielte Onofri wieder mit teils abrupten Änderungen von Dynamik und Tempo, stoppte urplötzlich das Geschehen mit ganz kurzen Generalpausen, und hielt so den Spannungsbogen auf einem konstant hohen Level. Mit unübersehbar deutlicher Körpersprache forderte er maximalen Einsatz. Und das Orchester setzte jede Änderung unverzüglich um, bis es in der Schlussphase, in der Mozart eine Reihe vorangegangener Themen kompositorisch überaus raffiniert miteinander verwoben hat, mit schier überbordender Klangdichte imponierte.
Ein grandioses Heimspiel, das die Bremer Philharmoniker kurz vor Weihnachten abgeliefert haben, und das, in jeder Hinsicht verdient, mit begeistertem Beifall und Fußgetrampel auch angemessen gewürdigt wurde.
Dr. Gerd Klingeberg, 17. Dezember 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at