Schwungvolles zu Smetanas 200. Geburtstag – und wie man im Nonett einen überzeugenden Eulenspiegel zustande bringt

6. Philharmonisches Kammerkonzert der Philharmonischen Gesellschaft Bremen  Bremer Konzerthaus Die Glocke, 2. März 2024

Fotos © SONATA Arts Agency

6Philharmonisches Kammerkonzert der Philharmonischen Gesellschaft Bremen

Bedřich Smetana: Drei Tschechische Tänze (1879)
Richard Wagner: Siegfried-Idyll WWV 103
Richard Strauss: Till Eulenspiegels lustige Streiche op. 28
Antonín Dvořák: Serenade d-Moll op.44

Das Tschechische Nonett

Bremer Konzerthaus Die Glocke, Kleiner Saal, 2.März 2024

Von Gerd Klingeberg

Vor genau einhundert Jahren wurde das „České noneto“, das Tschechische Nonett, aus Absolventen des Prager Konservatoriums gegründet und hat sich längst weltweit einen Namen gemacht. Jetzt war es erstmalig bei der Reihe der Philharmonischen Kammerkonzerte in Bremen zu erleben.

de.wikipedia.org

Dass die Formation aus Streichquartett (Violine, Viola, Cello, Kontrabass) und Holzbläserquintett (Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott, Waldhorn) ihren Landsmann Bedřich Smetana gleich an den Beginn ihres Abendprogramms gesetzt hatte, kam gewiss nicht von ungefähr; denn auf den Tag genau war es der 200. Geburtstag des tschechischen Komponisten, der auch „Die Moldau“ und „Die verkaufte Braut“ schrieb.

 

 

Seine Drei Tschechischen Tänze, die das Nonett präsentierte, gerieten atmosphärisch gemütvoll und gefielen mit typisch tschechisch-folkloristischer Note. War der erste Tanz noch eher ruhig, an ein freundliches  Abendständchen erinnernd, so überwogen bei den beiden weiteren Werken die schwungvoll launigen Melodien, das Tirilieren der Flöte, das Humpta des Fagotts und die paprikafeurigen Partien der rasant gestrichenen Violine. Da brauchte es nicht viel Fantasie, um sich Bilder eines ausgelassenen Volksfestvergnügens und frohgemutem Landvolk bei wirbelndem Tanz vorzustellen.

In ausgeprägtem Kontrast dazu stand Richard Wagners sinfonische Dichtung „Siegfried-Idyll“, die er am Weihnachtstag 1870 seiner Gattin Cosima als liebevollen Gruß zum 33. Geburtstag darbrachte. Vor allem eingangs bezauberten die intimen, schmachtend schmuseweichen und sanft dahinfließenden Streicherharmonien. Im Tutti ging es indes in Auslotung dynamischer Bandbreite auch deutlich zupackender zu. Da zeigte sich, dass die seltene Nonett-Besetzung hervorragend sowohl kammermusikalisch zurückhaltend als auch mit orchestraler Klangfülle zu agieren weiß. Von ihrer abwechslungsreichen, erstaunlich vielfarbigen Ausführung wäre gewiss auch Cosima dereinst begeistert gewesen.

Die Timbres und klanglichen Möglichkeiten der neun doch recht unterschiedlichen Instrumente brachte das Ensemble auch bei „Till Eulenspiegels lustige Streiche“ bestens zum Ausdruck. Richard Strauss, vor genau 160 Jahren geboren, (am 11.Juni 1864 – wieder ein Jubiläum!), hat seine Tondichtung eigentlich für großes Orchester konzipiert. Ganz so voluminös konnten die neun Musiker selbst bei maximalem Einsatz nicht auftrumpfen.

© SONATA Arts Agency

Dafür ließen sich in ihrer instrumental abgespeckten Version manche Einzelheiten akzentuierter herausarbeiten, die bei großer Besetzung nicht selten im Donnergetöse von Blechbläsern und Schlagzeug untergehen. Aber auch so reichte es locker, etwa das turbulente „Hop! Zu Pferde mitten durch die Marktweiber“ (1. Streich) oder das gemächliche „Als Pastor verkleidet trieft er von Salbung und Moral“ (2. Streich) mit dem nötigen schelmisch-ironischen Unterton in inspirierenden Darstellungen zu erzählen. Und es vermittelte geradezu ein leichtes Gruseln, als in drohend dumpfen Tönen das Gericht über den zunächst noch gleichgültig vor sich hin pfeifenden Schelmen tagt – und dieser kurz darauf, am Galgen in der Luft baumelnd, nach einer letzten Zuckung sein Leben aushaucht.

Wie gut, dass die „sehr lebhaft“-Coda dann doch wieder die heiteren Erinnerungen an Tills fröhliches Schelmenleben beschwor.

© de.wikipedia.org

Und noch ein weiteres Jubiläum stand an bei diesem abwechslungsreichen Konzert: Nämlich das 120. Todesjahr des wohl bedeutendsten tschechischen Komponisten Antonín Dvořák (er starb am 1. Mai 1904 in Prag). Seine eher selten gespielte Serenade d-Moll op.44 bestach eingangs mit moderatem Pulsieren und markantem Rhythmus. Klangvoll ruhig, mit zart melancholischem Hauch veredelt, geriet der sentimental anmutende 3. Satz Andante. Kontrastierend dagegen das wuchtige Eingangs-Unisono des Finalsatzes. Danach straff tackernde, rasante Metren bei durchweg von musikantischem Elan und nie nachlassender Stringenz geprägter Ausführung.

So kennt und liebt man den böhmischen Dvořák etwa auch aus seinen Slawischen Tänzen. Und wenn es mit der ziemlich diffizilen Balance der neun Instrumente zu Konzertbeginn gelegentlich noch etwas gehapert haben mochte: spätestens jetzt passte alles optimal.

Wer schließlich, nach begeistert gespendetem Beifall, doch noch etwas Belebendes für einen guten Heimweg brauchte, für den hatten die munteren Tschechen mit ihrer Zugabe, dem berühmten Menuett von Luigi Boccherini, dann auch noch einen passenden Gute-Laune-Ohrwurm parat.

Gerd Klingeberg, 3. März 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Karen Vourc’h Sopran, Marko Letonja Dirigent, Bremer Philharmoniker Bremen, Die Glocke, 26. Februar 2024

Martin Helmchen Klavier, Anja Bihlmaier Dirigentin, Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen Konzerthaus Die Glocke Bremen, 24. Februar 2024

„Intensive Begegnungen“ der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen Die Glocke Bremen, 9. Februar 2024

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert