75 Jahre Chor des Bayerischen Rundfunks – eine Hommage

75 Jahre Chor des Bayerischen Rundfunks – eine Hommage  klassik-begeistert.de

München, 2. Mai 2021

Bildquelle: Johannes Rodach ©

von Frank Heublein

Ich beginne mit dem mir nächstliegenden, dem 6. März 2021. Da zeigte mir der Chor des Bayerischen Rundfunks seine ganze Bandbreite. Henry Purcells Funeral Music for Queen Mary von 1695 kombiniert mit Georg Friedrich Haas in vain aus dem Jahr 2000. In der Reihe musica viva, die sich der zeitgenössischen Musik widmet. Mit Sir Simon Rattle am Pult zeigt der Chor, dass Purcell auch im 21. Jahrhundert nichts von seiner emotionalen Aktualität verloren hat. Genauso wie das Stück das einen Titel trägt, der dem Chor so gar nicht entspricht. Vergebens (in vain), so mag sich die Expression des Stücks anfühlen. Wie der Chor – und das Orchester – diese Expression erzeugen, das hat mich sehr beeindruckt, wie Sie hier nachlesen können. Nachsehen können Sie diesen Konzertabend hier.

Die Reihe musica viva ist noch ein Jahr älter als der Chor des Bayerischen Rundfunks. Die Reihe wurde 1945 von Karl Amadeus Hartmann ins Leben gerufen und ist bis heute eines der weltweit bedeutendsten Foren der Gegenwartsmusik. Der Chor des Bayerischen Rundfunks hat ein großes Stück Bedeutung beigetragen.

Der 6. März 2021 zeigt einmal mehr: dieser Chor singt alles, nimmt sich die volle musikalische Bandbreite vor. Genau daraus erwächst aus meiner Sicht seine Stärke: variabel zu sein. Sich auf alles einstellen zu können.

Viele musikalische Lichtgestalten haben mit dem Chor gearbeitet. Die künstlerischen Leiter, Dirigenten und Chefdirigenten sowie auch Komponisten, die ihre eigenen Kompositionen mithören und sich mit dem Chor austauschen wie Arvo Pärt oder Igor Strawinsky, der 1951 den Chor mit eigenen Kompositionen selbst dirigiert.

Robert Seiler gründet den Chor ein knappes Jahr nach dem Ende des zweiten Weltkriegs. Am 1. Mai 1946 tritt der Chor erstmals öffentlich auf. Der Chor ist damit drei Jahre älter als das Symphonieorchester des Senders.

Sehr viele Chefdirigenten sind es nicht, die neben dem Symphonieorchester auch dem Chor vorstehen. Alles große Namen. Ab 1949 zuerst Eugen Jochum, von 1961 bis 1982 dann Rafael Kubelik. Auf ihn folgt Sir Colin Davis 1983–1992. 1993–2002 übernimmt Lorin Maazel, der den Stab an Mariss Jansons übergibt, der 2003-2020 amtierte. Sir Simon Rattle tritt offiziell erst in zwei Jahren die Nachfolge an. Doch mag ich nicht von einer Lücke sprechen.

Denn Unrecht wäre es, den Glanz des Chores allein mit den genannten Chefdirigenten zu verbinden. Viele große Dirigenten und selbstverständlich auch die künstlerischen Leiter haben mit dem Chor viel Großes erarbeitet.

Unter anderem Leonard Bernstein, der Folgendes über den Chor sagt: „So mit diesem Chor ist mein Lieblingschor der Welt. Sie machen alles, was ich im Kopf habe. Ich muss nur daran ein bisschen denken und sie machen es.“ (Dokumentation „Der Chor des Bayerischen Rundfunks“ hier abzurufen, Zitat ab 6’04”).  Unter ihm wurden die eindrucksvollen beiden Konzerttermine anlässlich der deutschen Wiedervereinigung am 23. und 25. Dezember 1989 in Berlin realisiert. Beethovens „Neunte“ mit einer kleiner Textvariante anlässlich des Berliner Mauerfalls: „Freiheit, schöner Götterfunken“.

Aktuell steht dem Chor Howard Arman vor. In genannter filmischer Dokumentation sagt Arman, „Jede Periode in der Geschichte des Chores hat das gemacht, was für die Zeit wichtig und notwendig und zeitgemäß war“ (Zitat ab 2’40”). Der Chor hat sich mit der Zeit mitentwickelt und sich mit ihr verändert. Ist nicht stehen geblieben bei einer künstlerischen Auffassung, sondern hat Anpassungsfähigkeit bewiesen. Jede Ära hat ihn auf jeweils andere Weise geprägt. Das verstehe ich zugleich als Versprechen des Chores für die eigene Zukunft, zeitgemäß bleiben zu wollen.

Die ganze Geschichte können Sie hier auf der Webseite des Chores nachlesen. In der BR Mediathek können Sie die bereits oben erwähnte knapp 30-minütige aktuell produzierte Dokumentation ansehen, in der auch ein sehr entdeckungsfreudiger Sir Simon über sein erstes Zusammentreffen mit dem Chor spricht, eben den oben genannten 6. März 2021. Wunderbar hoffnungsfroh und offen schaut er auf das zukünftige gemeinsame künstlerische Schaffen.

Der Wermutstropfen ist selbstredend ein pandemiebedingter. Das für den 8. Mai geplante Jubiläumskonzert unter der Leitung von Howard Arman mit Werken von Henry Purcell, Daniel Purcell und Georg Friedrich Händel muss verschoben werden. Das Konzert wird zu einem späteren Zeitpunkt in diesem Jahr nachgeholt. Hoffentlich in einem vollen Haus, vor und mit einem Publikum, das endlich wieder eine gegenseitige energetische Aufladung zulässt. Mich und allen, die danach lechzen, die Freude am Musikmachen und Musikerleben in jeder Faser des eigenen Körpers und mit allen anderen Menschen in Raum, mit allen Sinnen live erleben lässt.

Ein toller Chor, der praktisch immer als Gesamtheit gewürdigt und dargestellt wird. Zwar ist das Gesamte auch in diesem Fall sicher mehr als die Summe seiner Teile. Doch jeder Bestandteil, jeder Mensch, der diesen Chor – auch in sich – trägt, möchte ich hier würdigen: unten finden Sie alle Personen, die diesen Chor aktuell zu dem machen, was er ist: ein Ereignis, wann immer er singt.

Frank Heublein, 2. Mai 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Der Chor des Bayerischen Rundfunks

 

Designierter Chefdirigent:    Sir Simon Rattle

Künstlerischer Leiter:    Howard Arman

 

Sopran:

Hilke Brosius

Simona Brüninghaus

Priska Eser

Diana Fischer

Barbara Fleckenstein

Masako Goda

Michaela Knab

Anna-Maria Palii

Margit Pennartz

Sonja Philippin

Stefanie Rückel

Monika Schelhorn

Isabella Stettner

Atsuko Suzuki

Claudia Ulbrich

 

Alt:

Theresa Blank

Mareike Braun

Sigrid Kirsch

Lori Liebelt

Barbara Müller

Jutta Neumann

Merit Ostermann

Kerstin Rosenfeldt

Barbara Schmidt-Gaden

Sabine Staudinger

Ruth Volpert

Hanne Weber

Gabriele Weinfurter

 

Tenor:

Lorenz Fehenberger

Q-Won Han

Andreas Hirtreiter

Andrew Lepri Meyer

Andreas Mogl

Moon Yung Oh

Nikolaus Pfannkuch

Bernhard Schneider

Andreas Schulist

Taro Takagi

Theodor Weimer

 

Bass:

Manuel Adt

Andreas Burkhart

Christopher Dollins

Matthias Ettmayr

Gerald Häußler

Thomas Hamberger

Christof Hartkopf

Timo Janzen

Wolfgang Klose

Michael Mantaj

Werner Rollenmüller

Benedikt Weiß

 

Korrepetition:

Max Hanft

 

Chorvorstand:

Timo Janzen, Andrew Lepri Meyer, Bernhard Schneider

 

Künstlerischer Beirat:

Barbara Fleckenstein, Merit Ostermann, Taro Takagi, Wolfgang Klose

 

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