Foto: © Benjamin Suomela
Elbphilharmonie Hamburg, 01. Oktober 2019
Philharmonia Orchestra
Dirigent: Esa-Pekka Salonen
Gustav Mahler
Sinfonie Nr. 9 D-Dur
von Wilfried Feldhusen
Gustav Mahler kam nie in den Genuss, seine 9. Sinfonie selbst hören zu können. Sein letztes kompositorisch in die Moderne wegweisendes Werk blieb die musikalische Vision eines durchgängigen Schaffensrausches. Aber Mahler stand in schöpferischem Glück im kleinen Komponierhäuschen unter den Dolomiten Südtirols vielleicht am Zenith seines künstlerischen Ausdrucksvermögens und expressiver Klangmalerei.
In der Elbphilharmonie Hamburg durften sich die Besucher eines Ausnahmekonzertes des Philharmonia Orchestra unter Esa-Pekka Salonen erfreuen. Bereits von Beginn des ersten Satzes an wurde die Souveränität eines Dirigenten vorgeführt, der die viel – und zu unrecht – kritisierte Akustik der Elbphilharmonie verstanden haben musste.
Die Konturen der Klangcharaktere von den Violinen bis zum lupenreinen gesanglichen Horn und sauber intonierenden Posaunen wurden in HD-Qualität abgebildet wie es ästhetisch anspruchsvoller nicht sein könnte.
Leichte Trübungen entstanden lediglich durch Huster aus dem Publikum, deren Entladung aber überwiegend auf die Satzpausen poniert wurden, ob Colophonium oder Raumtrockenheit – man weiss es nicht. Es scheint aber eine Assimilation in der Menge zu geben…
Salonen führte seinen erlesenen Klangkörper aus London durch das Kaleidoskop der Gedankenwelt Gustav Mahlers, wie er es sich sicherlich erträumt hätte.
In der Malerei würde der Betrachter von zarten Lasuren und pastosem Auftrag, von Pastellfarben und grellen Reintönen sprechen – sie wurden am Dienstagabend brillant in akustischer Gestalt in subtile Formen tiefer Einschnitte und im Licht gleißender Flächen gegossen.
Gustav Mahlers Wesen und sein Werk standen im schroffen Gegensatz zur Gewalt und Profanität der ihn umgebenden Realität und spiegelten die Unvereinbarkeit von Mahlers Persönlichkeitsstruktur sowie den Zeichen seiner gesellschaftspolitischen Zeit, die unheilvoll im Weltenbrand enden sollte, wider.
Unter diesem Aspekt steht dieser Edelstein menschlicher Schaffenskraft wieder im Umfeld bedenklicher Umstände auch den Frieden bedrohender Tendenzen und hat nichts an Aktualität und Aufmerksamkeitsbedarf verloren.
Das Adagio des vierten Satzes endete im flirrenden Streicherflüstern gleich dem Gräserflirren am Ende eines Sommers unter Einwurf zärtlicher Abschiedsworte solistischer Tonmaler – zum Sterben schön…
Wilfried Feldhusen, 2. Oktober 2019, für
klassik-begeistert.de