80 Frauen und Männer, alle klassik-begeistert, reisen im Juni 2019 von Hamburg nach Malta, um auf der Schwesterinsel Gozo zu singen: Die erste Walpurgisnacht von Felix Mendelssohn Bartoldy und Carmina Burana von Carl Orff. Es waren ausgelassene Tage voller Musik und voller Lebensfreude. Der deutsche Botschafter kam eigens mit der Fähre von Valletta nach Gozo angereist. Der Symphonische Chor Hamburg, 1886 gegründet, gehört mit seinen 150 aktiven Mitgliedern zu den renommiertesten und traditionsreichsten Laienchören Deutschlands. Seit 1985 wird er von Professor Matthias Janz geleitet. Lesen Sie bitte den Bericht der Sopranistin Verena Redel, seit 35 Jahren aktive Sängerin des Chores.
von Verena Redel
Die Idee
Familiäre Bande eines Chormitgliedes nach Gozo führten bereits im Jahr 2017 zu der Idee, dass der Symphonische Chor Hamburg im Rahmen des jährlichen „Victoria International Arts Festivals”, kurz VIAF, in der Stadt Victoria auf Gozo (die kleine Schwester Maltas) ein Konzert geben könne. Damals stand das Festival noch unter der musikalischen Leitung des maltesischen Komponisten und Dirigenten Joseph Vella.
Es begannen Gespräche, in denen versucht wurde, ein Werk zu finden, das wir kurz nach der Reise noch einmal mit Matthias Janz in Hamburg aufführen könnten. Als geeignet erschien Brahms’ „Ein deutsches Requiem“, was auch dem Festival-Ausschuss gefiel.
Dann geschah es: Joseph Vella starb im Februar 2018 im Alter von 76 Jahren. Das Festival verlor seinen musikalischen Leiter. Niemand wusste, wie es mit dem Festival weitergehen sollte. Das Programm für 2018 stand bereits fest, aber ob es in 2019 ein VIAF geben würde, war vollkommen offen.
Die Planung
Nach dem VIAF 2018 aber wurde die Planung für das Folgejahr aufgenommen und uns damit sogar die Möglichkeit eröffnet, mit unserem eigenen Dirigenten anzureisen. Allerdings mit einer Einschränkung: Anstelle von Brahms sei doch bitte Carl Orff zu spielen – die „Carmina Burana“. Da das Werk nicht abendfüllend ist, durften wir noch ein weiteres kleineres Werk nach unserem Wunsch bestimmen. Die Wahl fiel auf „Die erste Walpurgisnacht“ von Felix Mendelssohn Bartoldy.
Termin für das Konzert: Der 12. Juni 2019. Mittwoch nach Pfingsten, leider nicht in den Schulferien, aber recht günstig gelegen, weil durch den Pfingstmontag nur drei Arbeitstage freigenommen werden mussten. Dies ermöglichte sogar einigen Lehrern mit Sondergenehmigung und offiziellem Schreiben des Chorvorstands an der Reise teilzunehmen.
80 Sängerinnen und Sänger meldeten sich spontan an. Leider musste nun plötzlich unser Maestro Matthias Janz die Reise aus Termingründen absagen. Eine würdige Vertretung fanden wir in Thomas Dahl, Kirchenmusikdirektor an der Hauptkirche St. Petri in Hamburg, der sich dankenswerterweise sehr spontan bereiterklärte, die noch verbleibenden Proben mit uns durchzuführen und dann mit uns nach Gozo zu reisen (“Wir werden die Insel rocken”).
Die Umsetzung
Der Reise- und Freizeitausschuss des Chors kümmerte sich vom Hin- bis zum Rücktransfer um fast alles, was auf der Insel stattfand. Herzlich empfangen wurden wir gleich am ersten Abend mit einer Führung durch die Basilika San Ġorġ und einem Umtrunk auf der Dachterasse des Il-Hagar Gozo Museums – hoch über den Dächern von Victoria. Mit von der Partie an diesem wunderbaren, hochsommerlichen Abend waren unsere Gastgeber, Maria Frendo, die Organisatorin des VIAF-Festivals und immer freundliche und offene Ansprechpartnerin vor und während unserer Reise für alle Fragen rund um Vorbereitung und Durchführung der Proben und Konzerte, Pater George und Mitglieder des Laudate Pueri Chores. Partner von Chormitgliedern und einige passive Mitglieder waren auch angereist.
Die folgenden Tage waren geprägt von Proben und der Generalprobe mit dem Malta Philharmonic Orchestra und dem Laudate Pueri Chor im Astra Theatre. Die selbst für die Einheimischen extrem hohen Temperaturen in den nicht klimatisierten Räumen in sehr ungewohnter Atmosphäre machten das Ganze zu einer spannenden Angelegenheit.
In unserer freien Zeit erkundeten wir die zauberhafte kleine Insel und belagerten den hoteleigenen Pool sowie den zentralen Platz von Victoria. In den zahlreichen Lokalen rund um den Platz konnte man zu jeder Tages- und Nachtzeit Mitglieder des Chores antreffen und in fröhlicher Runde essen und trinken sehen! Ein Höhepunkt war ein gemeinsamer Segeltörn rund um die Insel Camino und zur blauen Lagune. Hier konnten die Chormitglieder auch ihre Fähigkeiten im Synchronschwimmen unter Beweis stellen.
Das Konzert
Am 12. Juni war es soweit: Unser Konzert im Astra Theatre, offensichtlich ein großes Event auf der kleinen Insel. Das Theater war ausverkauft, und eine aufgeregte und erwartungsvolle Stimmung erfüllte den Saal. Im ersten Teil durften wir alleine die wunderschöne “Erste Walpurgisnacht” von Felix Mendelssohn Bartholdy singen. Im zweiten Teil stand – gemeinsam mit dem einheimischen Laudate Pueri Chor – die Carmina Burana auf dem Programm. Die große Hitze machte allen zu schaffen. Aber das Ganze wurde unter der immer souveränen Leitung von Thomas Dahl zu einem einmaligen Erlebnis und zu einem großen Erfolg.
Solistinnen und Solisten (Miriam Cauchi, Sopran; Frances Catherine Farrugia, Alt; Roberto Colavalle Counter-Tenor; Michael J. Connaire, Tenor; Louis Andrew Cassar, Bariton; Sönke Tams Freier, Bass) aus Malta und Deutschland waren dabei und hatten offensichtlich auch große Freude an dem ungewohnten, gemeinsamen Musizieren. Unter anderem waren die uns allen wohlbekannten Sänger Sönke Tams Freier und Michael Connaire mitgereist! Sie begleiteten uns auch auf unserer Segeltour. Für Aufregung sorgte kurz vor dem Konzert die Absage der maltesischen Altistin Claire Massa. Sie hatte sich das Bein gebrochen. Kurzfristig wurde Ersatz in der Sängerin Frances Catherine Farrugia gefunden, die es innerhalb kurzer Zeit meisterhaft verstand, die schwierigen Partien zu übernehmen und – vor allem – den deutschen Text der “Walpurgisnacht” einzustudieren.
Eine fröhliche Aftershow-Party, bei der wir uns mit lokalen Spezialitäten und Getränken stärken und abkühlen konnten, rundete das gemeinsame Erlebnis ab. Nach drei wunderbaren Tagen waren innerhalb des Chores, aber natürlich auch zu unseren Gastgebern auf Gozo neue Freundschaften entstanden, und es war der Wunsch gereift, auch zukünftig wieder mehr auf Reisen zu gehen
Verena Redel, 26. März 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Der Symphonische Chor Hamburg, 1886 gegründet, gehört mit seinen heute etwa 150 aktiven Mitgliedern zu den renommiertesten und traditionsreichsten Laienchören Deutschlands. Seit 1985 wird er von Professor Matthias Janz geleitet.
Matthias Janz ist Kirchenmusikdirektor a.D. in Flensburg und lehrte Oratorienleitung und -gestaltung an der Musikhochschule Lübeck. Für seine kulturellen Verdienste erhielt Matthias Janz internationale Preise und Auszeichnungen, darunter das Bundesverdienstkreuz, den Brahmspreis, den dänischen Danebrogorden und weitere.
Der Nachfolger von Wilhelm Brückner-Rüggeberg hat es sich gemeinsam mit dem Chor zur Aufgabe gemacht, neben den großen und bekannten Werken der Chorliteratur auch selten zu hörende Kompositionen wie z. B. Schmidts „Das Buch mit sieben Siegeln“, Francks „Les Béatitudes“, Janáčeks „Glagolitische Messe“, Honeggers „La danse des morts“, Vaughan Williams’ „Dona nobis pacem“ oder Stravinskys „Symphony of Psalms“ zur Aufführung zu bringen. Zum Repertoire des Chores gehören ferner die Oratorien „Messiah“ und „Saul“ von Händel, Mendelssohns „Paulus“ und „Elias“, Mozarts „Requiem“, Schumanns „Faust-Szenen“, Dvořáks „Requiem“ und „Stabat mater“, das „Deutsche Requiem“ von Brahms sowie Elgars „The Dream of Gerontius“. Weihnachten 2016 führte der Chor erstmals Bachs „Weihnachtsoratorium“ auf.
Regelmäßig konzertiert der Chor mit namhaften Solisten und Orchestern in der Hamburger Laeiszhalle und bei Konzertreihen in Schleswig-Holstein und Dänemark. Mit einem Weihnachtsprogramm ist der Symphonische Chor fast jedes Jahr in Hamburg in der Hauptkirche St. Petri zu hören. Mit Beethovens „Missa solemnis“ gastierte er im Schweriner Dom, mit Berlioz’ „Grande Messe des morts“ in der Lübecker Musik- und Kongresshalle, mit Bruckners „f-Moll-Messe“ im Kulturpalast Dresden und mit Verdis „Messa da Requiem“ auf einer Konzertreise durch Polen. Im Rahmen des Schleswig-Holstein Musik Festivals 2014 führte der Symphonische Chor zusammen mit dem Flensburger Bach-Chor Felix Mendelssohns Oratorium „Paulus“ auf. Im Sommer 2016 wurde das 30-jährige Bestehen des Festivals von der Chorgemeinschaft in zwei umjubelten Konzerten mit Joseph Haydns Oratorium „Die Jahreszeiten“ gefeiert. Sprecher war der Weltstar Klaus Maria Brandauer.
Der Chor ist Mitglied im Verein Deutscher Konzertchöre, VDKC, und eröffnete mit Mendelssohns „Paulus“ die Konzerttage des Vereins in Rendsburg. Das eigene 125- jährige Jubiläum feierte der Chor im Jahr 2011 mit dem Verdi-Requiem in der Hamburger Laeiszhalle und wurde 2016 bei Deutschlandradio-Kultur als “Chor der Woche” präsentiert.
Ein Höhepunkt für den Chor war die Aufführung des „Messiah“ von Händel in voller Länge und mit historischen Instrumenten in der Hamburger Elbphilharmonie im Dezember 2017. Als erster Laienchor im Eröffnungsjahr dieses Jahrhundert-Bauwerks aufzutreten, empfindet der Chor als besondere Auszeichnung seiner musikalischen Qualität. Kurz vor der Corona-Krise trat der Chor am 23. Februar 2020 mit namhaften Solisten in der Elbphilharmonie mit „Les Béatitudes“ von César Franck auf. Es war eines der meistbejubelten Konzerte in der Geschichte der Elbphilharmonie.