Foto: Kaiser Franz Joseph (Jarosław Szwec) mit Hofdamen (Mitte: Jolanta Lada-Zielke)
„Nach jedem gesungenen Stück verneigte ich mich zuerst vor „unserem lieben Kaiser“, und dann vor dem versammelten Publikum. „Franz Joseph“ drückte seine Zufriedenheit mit einer liebenswürdigen Handbewegung aus.“
von Jolanta Łada-Zielke
Im dritten Jahr an der Musikschule (1997) haben wir die Biographie Joseph Haydns im Musikgeschichtsunterricht studiert und uns auch einige seiner Werke angehört, darunter das „Kaiserquartett“ C-Dur. Es war unser Pflichtstück, neben der Sinfonie Nr. 103 Es-Dur „Mit dem Paukenwirbel“, das wir beim Hörtest am Ende des Semesters erkennen mussten. Die Lehrerin machte uns darauf aufmerksam, dass die Melodie des zweiten Satzes des Streichquartetts jetzt die deutsche Nationalhymne ist. Ich hätte damals nicht gedacht, dass ich drei Jahre später die Gelegenheit haben würde, dieses Stück in seiner Gesangsversion öffentlich aufzuführen; aber nicht als die Hymne Deutschlands.
2000 gab es den 100. Jahrestag des Baus der österreichischen Festung Nr. 49 im Dorf Krzesławice bei Krakau. Heute gehört dieses Gebiet zum Stadtbezirk Nowa Huta. Ein Teil dieses historischen Gebäudes wurde Ende des letzten Jahrhunderts restauriert und funktioniert seitdem als ein Jugendkulturzentrum. 2000 war es auch 100 Jahre her, als Kaiser Franz Joseph, während seiner Reise durch Galizien, Krakau besuchte. Er traf die Vertreter der dortigen Hochschulen, hauptsächlich der Jagiellonen-Universität und der Akademie der Bildenden Künste. Außerdem besuchte er die Festung in Krzesławice.
Der Krakauer Stadtrat beschloss, beide Jahrestage an diesem Ort an einem Tag zu feiern. Die Feierlichkeiten fanden Ende Februar 2000 statt und begannen mit einer Kanonensalve zu Ehren des Kaisers, die vom Kommandeur der Festungsverteidigung gegeben wurde. Der künstlerische Teil der Veranstaltung fand in historischen Kostümen statt. Die Rolle von Franz Joseph spielte Jarosław Szwec, ein Schauspieler des Volkstheaters von Nowa Huta. Er leitete eine Theatergruppe im örtlichen Jugendzentrum, deren Mitglieder sich als Höflinge und Hofdamen verkleideten. Der „Kaiser“ kam also mit seinem Gefolge in die Festung und betrat als erster das renovierte Gebäude.
Ich war eine der Hofdamen mit einem speziellen Auftrag, ich wurde nämlich gebeten, die „Kaiserhymne“ der Österreichisch-Ungarischen Monarchie auf Polnisch zu singen. Das Stück, auch als „die Volkshymne“ bezeichnet, war in allen Sprachen der damaligen Donaumonarchie bekannt, darunter auch in Polnisch. 2000 war das Internet noch nicht so verbreitet wie heute, daher musste ich mich bemühen, den Text und die Noten des Stücks zu finden. Innerhalb einer Woche lernte ich es auswendig. Ich sang die Hymne gleich nach der offiziellen Begrüßung der Gäste im Festsaal der Festung. Das klang so:
Boże wspieraj, Boże ochroń Gott erhalte, Gott beschütze
Nam Cesarza i nasz kraj! Unsern Kaiser, unser Land!
Tarczą wiary rządy osłoń Mächtig durch des Glaubens Stütze
Państwu jego siłę daj Führ’ er uns mit weiser Hand
Brońmy przodków jego koron Laßt uns seiner Väter Krone
Zwróćmy wszelki wroga cios Schirmen wider jeden Feind:
Bo z Habsburgów tronem złączon Innig bleibt mit Habsburgs Throne
Jest na wieki Austrii los. Österreichs Geschick vereint!
Ich lieh mir ein passendes Kleid aus der Garderobe des Volkstheaters, ebenso wie die begleitenden Hofdamen. Später fand ein Tanz- und Theater-Happening mit dem Titel „Unbekannte Szenen aus dem Leben des Monarchen“ statt. Ich nahm auch daran teil und sang einige polnische Lieder, vor allem von Stanisław Moniuszko, mit Klavierbegleitung. Nach jedem gesungenen Stück verneigte ich mich zuerst vor „unserem lieben Kaiser“, und dann vor dem versammelten Publikum. „Franz Joseph“ drückte seine Zufriedenheit mit einer liebenswürdigen Handbewegung aus.
Am Ende wurden alle Gäste eingeladen, Süßwaren und Kaffee nach alten österreichischen Rezepten zu probieren. Der Wiener Käsekuchen und der Tee aus dem Samowar durften natürlich nicht fehlen.
Das Jubiläumsfest wurde mit großem Trara organisiert, aber am nächsten Tag gab es nur eine kurze Notiz in der lokalen Zeitung mit dem Titel „Kaiser in der Kaserne“ und ein Foto von Jarosław Szwec im Kostüm des Kaisers. Ich war jedoch zufrieden, weil ich an der Feier zum Jahrestag eines interessanten historischen Ereignisses in Bezug auf meinen Wohnort teilgenommen hatte.
Obwohl Krakau wie ganz Galizien im 19. Jahrhundert unter österreichischer Besetzung stand, blieb dort eine gewisse Vorliebe gegenüber Kaiser Franz Joseph. Auch er gehört zu der Welt, die mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs unwiederbringlich verging. Die weitere Geschichte der Melodie der „Kaiserhymne“ ist uns allen bekannt.
Jolanta Lada Zielke, 26. Oktober 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Ladas Klassikwelt 51: Richard Wagner als Verfechter der Versöhnung zwischen Christen und Muslimen