Foto: A. Declair ©
Die Zauberflöte, Wolfgang Amadeus Mozart
Hamburgische Staatsoper, 23. September 2016
Mit sehr schönen Worten hatte die Hamburgische Staatsoper zur Eröffnung der Saison 2016/17 zur Premiere der „Zauberflöte“ von Wolfgang Amadeus Mozart in das Haus an der Dammtorstraße geladen: „Diese Oper ist ein Theater der Welt: Sie erzählt vom Älterwerden, von Prüfungen, von undurchsichtigen Entscheidungen. Einer ist auf der Suche nach Individualität, manch anderer ist zu bequem dazu. Andere propagieren, dass die Gemeinschaft der einzig richtige Ort für den Einzelnen sei. Es wird geliebt und geträumt, getäuscht und vertraut. Selbstmorde werden verhindert, Examina abgenommen, Abenteuer bestanden. Die Welt der Zauberflöte ist undurchsichtig, jeder versucht, seinen Weg zu finden: in ihr, aus ihr hinaus oder in sie hinein. Wer steuert das Ganze? Wem ist zu trauen? Der Musik vielleicht?“
Man war also auf einen musikalisch bewegenden wie tiefgründigen Abend eingestimmt. Aber dann kam alles anders: Eine ziemlich nichtssagende Inszenierung von Jette Steckel, die fast nur aus Lichteffekten bestand – vor allem aus blinkenden, teils grellen bis störenden Leuchten, die von der Decke hingen – lenkte von der betörend schönen Musik des Jahrtausendkomponisten Wolfgang Amadeus Mozart ab. Dazu kamen eine ordentliche Leistung des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg unter der Leitung von Jean-Christophe Spinosi, ein guter Staatsopernchor und eine überwiegend mittelmäßige Gesangsleistung, die internationalen Ansprüchen keinerlei Rechnung trug.
Der Hamburger Opernbesucher Matthias Schmidt, 47, der mit seinem Sohn Tom Leo Stegemann, 12, seiner Mutter Inge Schmidt, 74 und seiner Nichte Anna-Sophie Müller, 26, die Premiere besuchte, brachte es treffend auf den Punkt: „Es sah so aus, als ob Weihnachtsbaumlichterketten von der Decke hingen. Das ist für mich kein Opernbühnenbild, sondern eher geeignet für die Außenbeleuchtung des Alsterhauses zur Adventszeit.“
Die Norderstedterin Ingrid Graese, 74, empfand die Lichterketten von Paulus Vogt als „zu grell und von der Musik ablenkend“. Auch der Opernliebhaber Peter Suhren, 66, war von der Inszenierung sehr enttäuscht: „Die Lichterketten erinnern mich an die digitale Welt – damit bin ich ja im normalen Leben schon genug konfrontiert, das möchte ich nicht auch noch in einem Opernhaus sehen. Ich habe die Zauberflöte schon 15 Mal gesehen und habe noch nie in meinem Leben gebuht. Aber heute bin ich fast geneigt dazu.“
Peter Suhren unterdrückte als höflicher Mensch seine Kritik – ganz im Gegensatz zu hunderten von Opernbesuchern, die das Regieteam um Jette Steckel nach der Aufführung mit lauten Buh-Rufen bedachten. Man braucht kein Prophet zu sein: Diese „Zauberflöte“ wird kein nachhaltiger Erfolg an der Hamburgischen Staatsoper werden und nicht allzu viele Jahre auf dem Spielplan verbleiben. „Zwei Welten, die Bühne und die Musik, trudeln und trödeln mitunter aneinander vorbei“, beobachtet Joachim Mischke vom Hamburger Abendblatt treffend.
Staatsopernintendant Georges Delnon umschrieb den „Buh-Orkan“ (NDR 90,3) in der Staatsoper indes diplomatisch: „Dass die Inszenierung von Jette Steckel so kontrovers aufgenommen wurde, zeigt, wie lebendig der Dialog in Hamburg sein kann.“
Das katastrophale Bühnenbild mit dem Hightech-Vorhang aus Leuchtdioden, das seinen Namen nicht einmal verdient hatte, wurde an diesem Abend überwiegend besungen von Sängern, die mit ihren Leistungen im europäischen Maßstab – und da sieht sich die Hamburgische Staatsoper gerne – keine Blumentöpfe gewonnen hätten.
Die beste Leistung des Abends bot der britische Bariton Jonathan McGovern als Papageno. Er sang klar, deutlich und brilliant und stach gesanglich aus dem Mittelmaß, das ihn umgab, hervor. Dem 30 Jahre alten Briten, der im Süden Londons lebt, könnte eine hoffnungsvolle Karriere bevorstehen.
Den meisten Beifall an diesem Abend bekam Christina Poulitsi als Königin der Nacht. Sie hat aber im europäischen Maßstab gesehen nur einen mittelmäßig ausgestatteten Sopran und ließ es bisweilen an Stimmsauberkeit vermissen; leider sang sie auch bei der bekanntesten Arie im zweiten Akt bis zu einen halben Ton zu tief die Töne an – obwohl sie seit 2010 fast ausschließlich die Königin der Nacht darbietet.
Dovlet Nurgeldiyev, der zum Ensemble der Staatsoper gehört, hat einen schönen lyrischen, aber zu dünnen Tenor und ließ es an diesem Abend an Strahlkraft vermissen. Auch der Sopran Christina Gansch als Pamina, ebenfalls Ensemble-Mitglied, hat eine gute Stimme, sang aber auch einige Töne bis zu einen halben Ton daneben. Eine absolut inakzeptable Leistung bot Maria Chabounia in der kleinen Rolle der Papagena im zweiten Akt, die sehr dünn und oft bis zu einen Ton daneben sang.
Sehr gewöhnungsbedürftig war, dass die bedeutenden Partien der Königin der Nacht und des Sarastros – Andrea Mastroni als guter Bass mit einer nicht überbordend üppig ausgelegten Tiefe – bis kurz vor Ende des Stücks aus dem Orchestergraben gesungen wurden und die Rollen nur als Lichtanimationen erschienen. Das ist ein schöner Gag, aber für diese stimmlich so wichtigen Rollen einfach nicht angemessen. Doch es gibt auch noch etwas zu loben an dieser Aufführung: Die Textverständlichkeit sämtlicher Darbieter war ganz hervorragend – auf das Lesen der Übertitel konnte fast ausschließlich verzichtet werden.
Andreas Schmidt, 24. September 2016
klassik-begeistert.de
Schade, für so eine schöne Oper.
Sollte mit der LED-Lichtershow junges Publikum angelockt werden?
Für mich bedeutet eine Opernaufführung einen Ohren- und Augenschmaus.
Diese Aufführung werde ich mir nicht antun.
Danke für den ausführlichen Bericht.