Der 7. Juli ist der Geburtstag Gustav Mahlers, in diesem Jahr der 161. Den letztjährigen, runden konnte die Musikwelt aufgrund der Corona-Beschränkungen nicht gebührend feiern.
von Peter Sommeregger
Betrachtet man den Lebensweg und den Nachruhm des 1860 im böhmischen Kalischt geborenen Sohnes eines jüdischen Weinbrenners und Gastwirtes, so muss man deutlich zwischen Mahlers Erfolg als Dirigent und Operndirektor, und der zögerlichen Rezeption seines kompositorischen Schaffens unterscheiden.
Nach dem Musikstudium in Wien wirkte Mahler erfolgreich als Kapellmeister in verschiedenen deutschen Städten, als Dirigent trat er europaweit erfolgreich in Erscheinung. In Budapest wirkte er bereits als Operndirektor, in Hamburg als 1. Kapellmeister des dortigen Opernhauses. Sein größter Wunsch war es, Direktor der berühmten Wiener Hofoper zu werden, was ihm schließlich 1897 auch gelang. Dass er zu diesem Zeitpunkt zum Katholizismus konvertierte, wurde ihm vielfach als opportunistisch vorgeworfen, Mahler selbst hat aber glaubwürdig versichert, es hätte sich um eine Gewissensentscheidung gehandelt.
In Wien konnte Gustav Mahler, unterstützt von dem Bühnenbildner Alfred Roller, eine von ihm lange geplante Opernreform in Angriff nehmen, die zum Ziel hatte, der Darstellung auf der Bühne mehr Augenmerk zu schenken und der verstaubten Ästhetik der Aufführungen glaubwürdiges Agieren der Sänger und ein erneuertes Regiekonzept entgegenzusetzen. In Ermangelung an Regisseuren, die das umsetzen konnten, übernahm Gustav Mahler diese Aufgabe schließlich selbst.
Schon während seiner frühen Jahre als Kapellmeister hatte Mahler selbst komponiert. Bedingt durch seinen anstrengenden Beruf konnte er nur die Sommermonate für seine Komponiertätigkeit nutzen. Seit 1902 mit Alma Schindler verheiratet verbrachte er die Sommer jeweils mit Familie am Atter- und später am Wörthersee, wo er jeweils ein kleines Komponierhäuschen einrichtete, in dem er ungestört arbeiten konnte.
Gefeiert wurde Mahler in erster Linie als Dirigent und Erneuerer der Oper. Seine ausladenden Symphonien wurden zwar aufgeführt, aber seinen Durchbruch als Komponist sollte Mahler nicht mehr erleben. Bereits 1907 resignierte Gustav Mahler in Wien, zu viele Steine wurden ihm in seinem Amt als Operndirektor in den Weg gelegt. Er folgte einem Ruf nach New York, wo er sowohl an der Metropolitan Opera, als später auch als Chefdirigent der neu gegründeten New Yorker Philharmoniker wirkte.
Seine inzwischen zerrüttete Ehe mit Alma Schindler und gesundheitliche Probleme setzten Mahler spätestens seit 1910 schwer zu, Ärzte in New York, Paris und schließlich Wien konnten seine Gesundheit nicht wirklich stabilisieren. Nach Wien kehrte er im Frühjahr 1911 zum Sterben zurück. Als er am 22. Mai 1911 auf dem Grinzinger Friedhof in Wien bestattet wurde, säumte praktisch die gesamte kulturelle Elite Wiens seinen letzten Weg. Geehrt wurde er unter anderem durch die Benennung der Mahlerstraße nahe dem Gebäude der Staatsoper. Während des Dritten Reiches wurde die Straße allerdings in Meistersingerstraße umbenannt, erhielt aber 1946 den Namen Mahlers zurück. Eine Porträtbüste Gustav Mahlers, die sich heute wieder im Schwindfoyer der Staatsoper befindet, war ursprünglich ein Geschenk Alma Mahlers, anlässlich des 20. Todestages Mahlers 1931. Dieses Exemplar wurde von den Nazis zerstört, 1948 stiftete Alma Mahler einen weiteren Abguss.
Bei seinem Tod waren neun Symphonien Gustav Mahlers vollendet, die neunte noch nicht uraufgeführt, und von einer zehnten nur das Adagio vollendet. Auch das „Lied von der Erde“ wartete noch auf seine erste Aufführung. Bruno Walter, über viele Jahre ein treuer Weggefährte Gustav Mahlers, brachte beide Werke zur erfolgreichen Uraufführung.
Das Verbot der Musik Gustav Mahlers in der Zeit des Nationalsozialismus behinderte die Verbreitung von Mahlers Musik nachhaltig. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg fanden sich Mahlers Symphonien immer häufiger auf den Konzertprogrammen der großen Symphonieorchester der Welt. Es dauerte bis in die 1960er Jahre, dass Mahlers komplettes symphonisches Oeuvre erstmals auf Schallplatten erschien. Leonard Bernstein spielte die Symphonien mit den New Yorker Philharmonikern ein, Mahlers früherem Orchester. In München realisierte Rafael Kubelik mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks zeitgleich eine weitere Gesamteinspielung. Heute ist die Zahl der aktuell verfügbaren Einspielungen kaum mehr zu überblicken. Große Dirigenten wie Pierre Boulez und Bernard Haitink haben neben vielen anderen Dirigenten eindrucksvolle Aufnahmen vorgelegt, aus dem Konzertsaal sind Mahlers Symphonien nicht mehr wegzudenken. Gustav Mahler hatte es geahnt: „Meine Zeit wird kommen“.
Peter Sommeregger, 5. Juli 2021, für
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Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Barcelona, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen’. Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.
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