Teatro Malibran, Cannaregio – Venezia. Foto © Lothar Schweitzer
„Ein beeindruckender Bassbariton heißt uns willkommen. Wir werden an das „Venite pure avanti“ des Leporello erinnert. Im Laufe des Abends bewahrheitet es sich, aber wir getrauen uns nicht zu bemerken, für eine Gesangsausbildung wäre es noch nicht zu spät.“
von Lothar und Sylvia Schweitzer
Wir liegen entspannt auf der Terrasse und sehen nicht das Leben auf der Allee unter uns, nur die Kronen der Pinien. Wir hören vom gegenüber der Allee liegenden Tennisplatz das „Block – Block“ der von den Schlägern getroffenen Bälle. Zu manchen Uhrzeiten ist eine Stimme zu vernehmen, die uns immer vertrauter wird. Zurufe wie „bravo“, „e la“ und auch längere Sätze lassen denselben Coach erkennen. Uns wundert, dass wir seine italienisch gesprochenen Anweisungen zu einem großen Teil so gut verstehen, und denken an die treffende Idee eines Mikroports, die die Konversation mit den Schülern über einen Lautsprecher bei der Distanz erleichtern könnte.
An die Brüstung herantretend können wir uns aber überzeugen, dass keine technischen Hilfen in Anspruch genommen werden. Unser Trainer hat eben eine erstaunenswert tragende Stimme. Ohne je in Schreien, gar Brüllen oder in gekünstelte Erhöhung der Laute zu verfallen, wirkt seine Stimme am Spätnachmittag nicht entkräftet. Vom Stimmcharakter her reihen wir ihn als Tenor ein.
Sie nuscheln, lispeln, werden geheimnisvoll unverständlich leise an wichtigen Textstellen, sind keine Feuer-, aber Silbenschlucker – so manche Schauspieler der Telenovelas. Nicht jedoch Dirk Galuba.
Bei ihm versäumen wir in „Sturm der Liebe“ oft den Inhalt des Gesprochenen deshalb, weil wir uns ganz seiner wohltönenden Sprechstimme hingeben. Er ist der um Längen beste männliche Sprecher der Serie mit einer herrlichen Bassstimme. Erstaunlich ist dann, wenn er – zwar sehr selten – kurze Passagen zu singen hat. Zum Beispiel ein Kinderlied einem seiner Enkel. Da fehlt jegliches Selbstbewusstsein, als wüsste er nicht von seiner Gottesgabe. Dass man/frau sich selbst anders hört, hat anatomische Gründe. Aber warum glaubt unser Schauspieler und Synchronsprecher, Singen ist gleichbedeutend mit reiner Verwendung der hohen, nach oben begrenzten Lage? Oder würde sich der Kleine vor Sarastro-Tönen fürchten? Immer wieder werden wir verleitet, uns Dirk Galuba in unsrer Fantasie bei seinen Auftritten eine Bass-Arie singend vorzustellen.
Eine Party nach der gelungenen Aufführung einer Wanderbühne. Der in der Theatergruppe mitwirkende Sohn des Direktors öffnet uns die Tür. Ein beeindruckender Bassbariton heißt uns willkommen. Wir werden an das „Venite pure avanti“ des Leporello erinnert. Im Laufe des Abends bewahrheitet es sich, aber wir getrauen uns nicht zu bemerken, für eine Gesangsausbildung wäre es noch nicht zu spät. Wir wollen Rücksicht auf den Vater nehmen, der mit viel Liebe und großer Schwierigkeiten zum Trotz sein Theater aufgebaut hat und es dem Sohn übergeben möchte. Ob diese unsere Entscheidung wohl richtig war?
Lothar und Sylvia Schweitzer, 24. August 2021, für
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Lothar Schweitzer ist Apotheker im Ruhestand. Gemeinsam mit seiner Frau Sylvia schreibt er seit 2019 für klassik-begeistert.de: „Wir wohnen im 18. Wiener Gemeindebezirk im ehemaligen Vorort Weinhaus. Sylvia ist am 12. September 1946 und ich am 9. April 1943 geboren. Sylvia hörte schon als Kind mit Freude ihrem sehr musikalischen Vater beim Klavierspiel zu und besuchte mit ihren Eltern die nahe gelegene Volksoper. Im Zuge ihrer Schauspielausbildung statierte sie in der Wiener Staatsoper und erhielt auch Gesangsunterricht (Mezzosopran). Aus familiären Rücksichten konnte sie leider einen ihr angebotenen Fixvertrag am Volkstheater nicht annehmen und übernahm später das Musikinstrumentengeschäft ihres Vaters. Ich war von Beruf Apotheker und wurde durch Crossover zum Opernnarren. Als nur für Schlager Interessierter bekam ich zu Weihnachten 1957 endlich einen Plattenspieler und auch eine Single meines Lieblingsliedes „Granada“ mit einem mir nichts sagenden Interpreten. Die Stimme fesselte mich. Am ersten Werktag nach den Feiertagen besuchte ich schon am Vormittag ein Schallplattengeschäft, um von dem Sänger Mario Lanza mehr zu hören, und kehrte mit einer LP mit Opernarien nach Hause zurück.“
Schweitzers Klassikwelt 41: Opern und ihr Wiedererleben in reiferen Lebensjahren