Der Hamburgischen Staatsoper war es gelungen, als Manon für die erkrankte Elbenita Kajtazi die hier bereits als Violetta umjubelte Pretty Yende zu engagieren. Vor allem sie war den Besuch wert. Mit ihrem goldfarbenen Timbre und einer glänzenden, alles überstrahlenden Höhe betörte sie das Publikum.
Pretty Yende mit dem Ensemble (Foto: RW)
Staatsoper Hamburg, 4. Februar 2022
Jules Massenet, Manon
von Dr. Ralf Wegner
„Gesungen wurde sehr gut, die Musik gefiel mir aber nicht und die Handlung schon gar nicht“. So hörte ich es am Ende der Vorstellung. Der Hamburgischen Staatsoper war es gelungen, als Manon für die erkrankte Elbenita Kajtazi die hier bereits als Violetta umjubelte Pretty Yende zu engagieren. Vor allem sie war den Besuch wert. Mit ihrem goldfarbenen Timbre und einer glänzenden, alles überstrahlenden Höhe betörte sie das Publikum; wenngleich die Sympathien wohl eher nicht der Person Manon galten, einer sich dem Hedonismus hingebenden jungen Frau.
Bemitleidenswert war da eher ihr Liebhaber Des Grieux. Stimmstark, aber mit eher uncharakteristischem Timbre gesungen von dem sizilianischen Tenor Enea Scala. Außerdem sangen u.a. Thomas Oliemans Manons der Drogensucht verfallenden Cousin Lescaut, Wilhelm Schwinghammer den väterlichen Grafen Des Grieux und James Kryshak den begüterten und spielsüchtigen Guillot-Morfontaine.
Mit der Komposition Massenets hatte auch ich Probleme. Sie wirkte oberflächlich und in den beiden letzten Akten zunehmend pompös, die Tiefe der Gefühle der Handelnden nur unzureichend charakterisierend. Mit wenigen Ausnahmen, wie der Wiedersehensszene Manons und Des Grieux’ in Saint Sulpice. Ein Beispiel für Massenets kompositorische Gefühlskälte: Im ersten Akt wartet Manon in einem Gasthof auf ihren Cousin, der sie ins Kloster begleiten soll. Des Grieux, auf dem Weg zum gräflichen Vater, betritt die Lokalität und verliebt sich umgehend unsterblich in die 15jährige, die ihm wiederum ohne zu zögern nach Paris folgt. Man mag an die Wirksamkeit von Amors Liebespfeilen glauben; man kennt das von Taminos Bildnisarie in Mozarts Zauberflöte. Bei Massenet klingt und wirkt diese kurze, aber für den Verlauf des Stücks entscheidende Szene wie das Aufsagen der Speisekarte. Vielleicht hätte ein Tenor wie Jonas Kaufmann auch mehr aus diesem kurzen Moment herausgeholt als Enea Scala. Puccinis Manon Lescaut und vor allem Verdis La Traviata sind da von einem ganz anderen Kaliber als Massenets Manon.
Das Bühnenbild von Patrick Bannwart und die Inszenierung von David Bösch sind durchaus sehenswert. Details können in diesem Blog bei Holger Voigt nachgelesen werden, der über die Premiere berichtet hatte. Der Chor sang, Corona-bedingt inszeniert, von den vorderen Seitenlogen aus. Mir fehlte er auf der Bühne. Manches wäre zumindest optisch glaubhafter gewesen.
Dr. Ralf Wegner, 5. Februar 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Jules Massenet, „Manon“, Hamburgische Staatsoper, 12. Juni 2021
Giuseppe Verdi, La Traviata, Pretty Yende, Dmytro Popov Staatsoper Hamburg, 2. Dezember 2021