Hamburgische Staatsoper, 26. Februar 2022
Zusammengefasst war es musikalisch wohl die qualitativ dichteste Don Giovanni-Aufführung der letzten Jahre in der Hamburgischen Staatsoper. Hohen Anteil hatte daran auch das Philharmonische Staatsorchester unter der Leitung von Ádám Fischer, der in den Jubel des Publikums ausdrücklich eingeschlossen wurde. Auf die letzten Monate zurückblickend hat die Hamburgische Staatsoper auch damit ein deutlich höheres gesangliches Niveau erreicht. Es lohnt sich wieder, dorthin zu gehen.
Foto (RW): Alexander Roslavets (Masetto), Julia Lezhneva (Zerlina), Jana Kurucová (Donna Elvira), Andrei Bondarenko (Don Giovanni), Luca Pisaroni (Leporello), Nadezhda Pavlova (Donna Anna), Dovlet Nurgeldiyey (Don Ottavio), Alexander Vinogradov (Il Commendatore), Anne Müller (Amor/Tod, stumme Rolle)
von Dr. Ralf Wegner
Es gibt zwei Opern, bei denen hängt der Erfolg nicht nur an der Gesangeskunst, sondern auch an der Ausstrahlung des jeweiligen Protagonisten. Es handelt sich um den weiblichen Part in Bizets Oper Carmen und um Mozarts Don Giovanni. Der erst 34-jährige ukrainische Bariton Andrei Bondarenko hatte für den Don Giovanni die nötige Strahlkraft, ein schönes Timbre und einen dominant virilen Stimmkern; was ihm aber fehlte, war die offenbar nicht erlernbare Aura eines egomanen Wüstlings, der, wie es im Programmheft heißt, zwischen Eros und Tod wandelt. Also die Ausstrahlung eines Mannes, dem nicht nur die Frauen nicht widerstehen können. Aber gesungen hat Bondarenko wirklich gut, ebenso wie sein Diener Leporello, dem Luca Pisaroni Stimme und Darstellungskraft verlieh.
Die Frauenpartien waren herausragend besetzt. Der russischen Sopranistin Nadezhda Pavlova (Donna Anna) geriet ihre erste Arie „Or sai chi l’onore“ in den dramatischen Ausbrüchen zum Teil etwas scharf, ihr deutlich längeres „Non mi dir“ im zweiten Akt gelang ihr aber zum Niederknien schön mit farbreichem Stimmklang, weichen Piani, feiner Legatokultur und perlenden Koloraturen. Jana Kurucovás Stimme (Donna Elvira) verfügte zwar nicht über einen solchen stimmlichen Farbreichtum, sie sang ihre zweite große Arie aber sehr beseelt, klangschön und ohne jede Schärfe: Eine schöne Leistung des Hamburger Ensemblemitglieds. Die Partie der Zerlina war mit Julia Lezhneva fast überbesetzt. Noch vor zwei Monaten hatten wir ihre überwältigenden Koloraturfertigkeiten als Poppea in Händels Agrippina bewundern dürfen. Auch jetzt lieferte diese sympathische, auch darstellerisch sehr temperamentvolle Sängerin Beweise für ihre agilen Sangeskunst, wenngleich der Rolle wegen in eingeschränktem Umfang.
Dovlet Nurgeldiyev sang den Don Ottavio, wie schon bei der Premiere dieser Aufführung vor gut zwei Jahren. Sein Tenor verfügt, bei vorbildlicher Stimmführung, unverändert über ein schönes, farbenreiches, auch glanzvolles Timbre. Nur die Koloraturen der ersten Arie „Dalla sua pace“ klangen etwas verschliffen. Die gesanglich undankbare Rolle des Masetto oblag dem von der Regie zum Haupt einer Straßengang verpflichteten Alexander Roslavets. Alexander Vinogradovs (Komtur) letzter Auftritt gelang großartig, seine Don Giovanni-Rufe vor dessen Höllenfahrt klangen markerschütternd und bildeten den letzten Höhepunkt dieser insgesamt gesanglich herausragenden Wiederaufnahme von Mozarts Oper.
Zusammengefasst war es musikalisch wohl die qualitativ dichteste Don Giovanni-Aufführung der letzten Jahre in der Hamburgischen Staatsoper. Hohen Anteil hatte daran auch das Philharmonische Staatsorchester unter der Leitung von Ádám Fischer, der in den Jubel des Publikums ausdrücklich eingeschlossen wurde. Auf die letzten Monate zurückblickend hat die Hamburgische Staatsoper auch damit ein deutlich höheres gesangliches Niveau erreicht. Es lohnt sich wieder, dorthin zu gehen.
Dr. Ralf Wegner, 26. Februar 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Georg Friedrich Händel, Agrippina Staatsoper Hamburg, 15. Dezember 2021
Georg Friedrich Händel, Agrippina, PREMIERE Staatsoper Hamburg, 28. Mai. 2021
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