Titelbild: Wiener Konzerthaus / L. Beck (c)
Matthias Goerne / Daniil Trifonov, Wiener Konzerthaus, Großer Saal,
16. Februar 2018
von Thomas Genser
Matthias Goerne, Bariton
Daniil Trifonov, Klavier
Das prunkvolle Ambiente lässt die Bühne beinahe zum Thronsaal werden, in dem sich zwei Generationen in intimem Rahmen eine Audienz besonderer Art geben. Wo sonst große Orchester spielen, sollen an diesem Abend fünf Liederzyklen als ununterbrochener Klangstrom hintereinander realisiert werden. Dass ein kühnes Unterfangen wie dieses funktionieren kann, ist naheliegend, wenn der erst 26-jährige Grammy-Gewinner Daniil Trifonov auf den etablierten Bariton Matthias Goerne trifft.
Die beiden eröffnen den Abend mit Alban Bergs Vier Liedern. Die nahtlose Abfolge vermittelt den Eindruck als handele es sich um ein einziges Stück. Diese Empfindung sollte sich im Laufe des Programmes noch intensivieren. Kern des Liederabends ist die darauffolgende Dichterliebe von Robert Schumann. Erneut werden die verschiedenen Ausdruckscharaktere sehr rasch, fast collageartig aneinandergereiht. Trifonov fühlt sich in seiner Rolle als Begleiter sichtlich wohl und zeigt abwechslungsreiches Mienenspiel, während sich Matthias Goerne bei Hör ich das Liedchen klingen fast erotisch an den Steinway schmiegt.
Der Sänger erweist sich an diesem Abend generell als sehr agil, sowohl stimmlich als auch in seiner Körpersprache. Auf die eher schnell abgearbeiteten Michelangelo-Lieder von Hugo Wolf folgt Schostakowitschs ebenfalls auf Texten von Michelangelo beruhende Suite op. 145. Die auf drei Lieder reduzierte Version wechselt zwischen schroffem und hochgradig empfindsamem Vortrag, bleibt dabei stets ausgewogen und expressiv. Hier traut sich Trifonov erstmals, vermehrt ins musikalische Rampenlicht zu treten, Goerne stimmt in breitem Russisch an. Die auf der Bühne entstehende Energie ist auch im Parkett zu spüren, ist aber hochgradig kräftezehrend.
Nach annähernd 90 Minuten ohne Verschnaufpausen – weder für Musiker, noch für das Publikum, kommt das Programm mit Johannes Brahms‘ Vier ernsten Gesängen zum Abschluss – souverän vorgetragen zwischen Schmachten und Wehklagen. Ein kleiner Lichtblick gegen Ende hin darf auch nicht fehlen, wenn Matthias Goerne zum galoppierenden E-Dur des Schlusssatzes ein wenig zu tanzen beginnt.
Die facettenreiche Dynamik zwischen den beiden Künstlern und die kurzweilige Gestaltung des Abends wird schließlich mit großem Jubel und Standing Ovations belohnt. Als Zugabe beschenkt das Duo das Publikum mit dem kurzen Bist du bei mir von Johann Sebastian Bach. Im Anschluss geht es zur Autogrammstunde ins Konzerthaus-Foyer, wo sich Daniil Trifonov und Matthias Goerne bei einer letzten Audienz mit ihren Fans auf Augenhöhe begegnen.
Thomas Genser, 16. Februar 2018, für
klassik-begeistert.de