Konfettiregen am Ende der 47. Nijinsky-Gala (Foto RW)
Unschlagbar waren die Auftritte Madoka Sugais mit ihren Partnern, zum einen mit Alessandro Frola in einem Pas de deux aus Cinderella, zum anderen ihre überwältigende Fröhlichkeit bei hoher technischer Kompetenz im dritten Satz der 7. Sinfonie von Beethoven, mit Alexandr Trusch als kongenialem Partner.
Staatsoper Hamburg, 03. Juli 2022
Nijinsky Gala XLVII
Hamburger Ballett-Tage
von Dr. Ralf Wegner
Neumeiers dem Tänzer Vaslav Nijinsky gewidmeten Galas stehen immer unter einem übergreifenden Thema. Diesmal hieß es, etwas willkürlich gewählt, Anniversaries bzw. Jubiläen. Üblich sind immer Ausschnitte aus den in der auslaufenden Saison gespielten Balletten, gespickt mit einer Leistungsschau internationaler Gäste, aber stets mit Bezug zum Thema der Gala.
Es begann mit einem fulminantem Auftritt der Schülerinnen und Schüler der oberen Theaterklassen, der von einer hohen technische Kompetenz vor allem der jungen Männer zeugte; Konstantin Tselikov hatte ihnen Folkloristisches auf den Leib choreographiert, genannt Gopak. Das wirkte nach und überdeckte den folgenden Auftritt des Bundesjugendballetts, die nach einer modernen Choreographie von Raymond Hilbert tanzten.
Ausschnitte aus Neumeiers herausragenden Choreographien Ghost Light und Nijinsky nahmen einen größeren Zeitraum in Anspruch, ohne dass die gewählten Beispiele die innere Kraft sowie die Faszination dieser beiden Ballette eindeutig widerspiegeln konnten. Es wirkte auf mich, als würden Mozarts Opern anhand der Rezitative und nicht der Arien auf die Bühne gebracht werden.
Zu den tänzerischen Höhepunkten dieser Gala: Unschlagbar waren die Auftritte Madoka Sugais mit ihren Partnern, zum einen mit Alessandro Frola in einem Pas de deux aus Cinderella, zum anderen ihre überwältigende Fröhlichkeit bei hoher technischer Kompetenz im dritten Satz der 7. Sinfonie von Beethoven, mit Alexandr Trusch als kongenialem Partner. Trusch überzeugte auch als Don Juan, begleitet von einem Todesengel, den Alina Cojocaru deutlich prägnanter als in anderen Rollen zum Ausdruck brachte.
Einen weiteren Höhepunkt gestalteten Mayara Magri und Matthew Ball vom Londoner Royal Ballet. Sie tanzten nach einer Choreographie von Kenneth MacMillan einen Pas de deux aus dem Musical Carousel von Richard Rogers. Neumeier hatte dieses Stück mit Bedacht ausgewählt, denn es handelt sich um eine Vertanzung von Molnárs Bühnenwerk Liliom. Magri erinnerte mit ihrer Fröhlichkeit und Sprungkraft an Madoka Sugai, Ball sprang hoch und weit, zeigte ein hohes Drehmoment mit perfekten Doppeldrehungen und eine beeindruckende 540 Grad-Revoltade. Eine solche, wenngleich noch nicht so hoch und perfekt, gelang auch einem der Tänzer der eingangs erwähnten Theaterklassen.
Die Erste Solistin Leslie Heylmann verabschiedete sich als aktive Tänzerin mit dem Grand Pas de deux aus dem Nussknacker. Ihr stets freundliches Lächeln, John Neumeier nennt es im Programmheft trefflich Sonnenscheinlächeln, wird uns fehlen. Sie tanzte immer perfekt, hatte sich aber eigentlich nie das dramatische Fach erobert. Gesehen haben wir sie in all den Jahren mehrfach als Nussknacker-Louise, in Erinnerung werden auch ihre Olga in Crankos Onegin, Teresina in Napoli (Bournonville), vor allem aber die für sie kreierte Marie in Neumeiers Liliom bleiben. Leslie Heylmann wird nicht ganz ausscheiden, sondern im Ballettzentrum ihr Wissen an die Schülerinnen und Schüler weiter geben. Auch Marc Jubete scheidet aus, in Erinnerung bleiben seine Darstellungen des Kostja in Neumeiers Möwe sowie sein Jesus in der Matthäus-Passion. Der Solist Atte Kilpinen, der in den Nijinsky-Ausschnitten der Rolle des neuen Liebhabers des Impresario Diagilev Tiefe verlieh, geht nach Finnland zurück, und zwar als Erster Solist zum dortigen Nationalballett. Wie später bekannt gegeben wurde, tanzen Alessandro Frola sowie David Rodriguez in der nächsten Saison als Solisten und Xue Lin als Erste Solistin.
Eine weitere Tänzerin glänzte mit technischer Perfektion, Olga Smirnova vom Moskauer Bolschoi-Ballett, die jetzt beim niederländischen Het Nationale Ballet engagiert ist. Sie hatte sich von Neumeier den Grand Pas Classique in der Choreographie von Victor Gsovsky gewünscht. Da letzterer in Neumeiers neuester Kreation Die Unsichtbaren erwähnt wird, passte dieser technisch mit Schwierigkeiten gespickte Tanz gut in das Programm des Hamburger Ballettdirektors.
Zwischen den Pausen wurde eine Kreation Neumeiers für das Ballett am Rhein gezeigt, es nannte sich from time to time und handelte von den Beziehungen eines jungen Mannes (Julio Morel) zu wenigen Mitstreitern, die sich an einem Küchentisch offenbar langweilten. Auch dieses der Melancholie gewidmete Ballett würde sich sicher in Zusammenhang mit den von weiteren Choreographen für das Ballett am Rhein gestalteten Temperamenten schlüssiger erklären.
Die Hamburger Tänzerinnen und Tänzer glänzten vor allem in den die Gala abschließenden Ausschnitten aus Beethovens siebter Sinfonie, außerdem überzeugten Anna Laudere und Edvin Revazov sowie David Rodriguez in dem Pas de trois aus L’Après-midi d’un Faune. Die Ballettgala begann um 18 Uhr und endete einschließlich des langen Schlussjubels mit Konfettiregen auf alle Beteiligten erst nach 23 Uhr.
Dr. Ralf Wegner, 4. Juli 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Hamburger Ballett-Tage, Gastspiel des Polnischen Nationalballetts Staatsoper Hamburg, 28. Juni 2022
John Neumeier: Beethoven-Projekt II, Hamburger Ballett Tage, Hamburg Ballett, 26. Juni 2022