Anna Netrebko als „Mimì“. Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn
Eröffnung der Saison 2022/23 der Wiener Staatsoper mit dem Kassenschlager “La Bohème” von Giacomo Puccini am 5. September 2022
Die Saison 2022/23 sollte eigentlich mit der Oper „La Juive“ von Fromental Halévy, jedoch aufgrund der Erkrankung der zwei Hauptprotagonisten wurde die Oper abgesetzt und durch „La Bohème” von Giacomo Puccini ersetzt. Als besonderes Schmankerl hat die Staatsoper Anna Netrebko für die Rolle der Mimì engagiert neben dem Tenor Vittorio Grigolo als Rodolfo.
von Jean-Nico Schambourg
Vor der Oper manifestierten ungefähr 50 Menschen gegen den Überfall Russlands auf die Ukraine und Anna Netrebko. Drinnen in der Oper war man gespannt, wie der Empfang für die Sopranistin sein würde, die ja wegen ihrer langjährigen Putin-Nähe längere Zeit an den großen Opernhäusern ausgeschlossen wurde.
Ja, es gab zu ihrem Auftritt Buhrufe von einigen wenigen Zuschauern. Es brauchte aber nicht viele “Brava”–Rufer um die ersteren ziemlich schnell verstummen zu lassen, so dass die Vorstellung ohne weiteren Störungen über die Bühne ging.
Öfters gestört wurde die Vorstellung allerdings durch das Weinen und Schreien von Kleinkindern, die, gemäß Murphy’s Law, natürlich immer bei großen Arien (zum Beispiel von Rodolfo und Musetta) einsetzten. Die Altersuntergrenze von 6 Jahren wurde vom jetzigen Staatsoperndirektor Bogdan Roščić abgeschafft. Leider kann man sich aber nicht auf den Verstand der Eltern verlassen, die mit ihrem Opernbesuch mit der ganzen Familie weder den anderen Zuhörern, noch den Kindern selbst eine große Freude bereiten.
Ansonsten gab es keine „Aufregung“ bei dieser Saisoneröffnung. Die Aufführung hatte lange Zeit sehr gutes Repertoireniveau, nicht mehr, nicht weniger. Erst ab dem 3. Akt kam richtig Leben in die Geschichte. Ein Opernereignis war es aber aufgrund allein der musikalischen Darbietung nicht, sondern eher aufgrund des erstmaligen Auftritts nach Kriegsbeginn von Anna Netrebko.
Diese begann die Vorstellung verhalten. Sie sang eigentlich gut, aber irgendwie gehemmt. Ab dem 3. Akt klang sie auf einmal befreit. Sie sang die Arie “Donde lieta uscì” mit ruhiger, wunderbar geführter Stimme. Der Glanz ihres Timbres war endlich wieder so, wie man es von ihr gewohnt ist. Dabei war sie eine nicht dauerhaft hustende Mimì, sondern drückte deren Erkrankung durch stimmliche Nuancen aus. So gelang ihr auch ein sehr berührender Moment mit dem Tod der Mimì. Der tosende Schlussapplaus ihrer Fans war ihr sicher, auch wenn sich einige Buhs in diesen mischten.
Vittorio Grigolo bestach durch großes schauspielerisches und gesangliches Engagement und war sehr stark in den Ensembles, wo seine Stimme sich mühelos über das Orchester erhob. Als Rodolfo ist er verliebt in das Leben, in Mimì, aber auch manchmal zu sehr in seine eigene Stimme, wo er dann die langen Noten zu sehr auskostet und die Gesanglinie dann manchmal verloren geht. In der großen Arie „Che gelida manina“ fehlte es somit an Legato und Sicherheit. Im Schlussakt steigerte auch er sich. Sein Aufschrei und die Schlussszene nach Mimì’s Tod war herzzerreißend.
Nina Minasyn war eine ordentliche Musetta, der es allerdings ein wenig an Koketterie fehlte. George Petean als Marcello stellte seine kultivierte Baritonstimme in den Dienst der Oper, ebenso wie Martin Häßler in der Rolle des Schaunards.
Günther Groissböck als Colline heischte mit seiner Arie „Vecchia zimarra“ einen persönlichen Erfolg ein. Er sang die Arie mit klangvoller Bassstimme, die auch die hohen Piano-Passagen der Arie nicht fürchtete. Beim Schlussvorhang wurde er berechtigterweise mit sehr viel Applaus belohnt.
Bertrand de Billy leitete das Orchester mit fester Hand durch den Abend, ohne dass das Orchester die Sänger überdeckte. Er behielt auch bei den Buhs zum Auftritt von Anna Netrebko die Ruhe und unterbrach den Vortrag nicht.
Über die Zeffirelli-Produktion braucht man nach der 448. Vorstellung nicht mehr viele Worte zu verlieren. Sie ist noch immer effektiv, mit allen Klischees (im positiven wie negativen Sinn) behaftet, die man dem Pariser Künstlerleben andichtet.
Jean-Nico Schambourg, 8. September 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Am nächsten Abend stand “Carmen” auf dem Programm – siehe Beitrag!
Werter Herr Staatsoperndirektor Bogdan Roščić,
Babies im berühmtesten Opernhaus der Welt: Waren das junge Sängerinnen in Karenz mit ihrem Nachwuchs? Oder war das ein Ausflug
von Helikopter-Müttern, die ihre Säuglinge stets im Blick haben und schon frühzeitig auf Hochkultur trimmen?
Oder sind das die neuen trendigen Mamis, die der Welt beweisen, dass sie auf nichts verzichten müssen?
Ob die Babies das wohl lustig gefunden haben oder die Ruhe im trauten Heim vorgezogen hätten?
Was wird sich wohl Anna Netrebko nach längerer Bühnenabstinenz gedacht haben? Und die anderen Sänger, die Musiker, der Dirigent?
Und hat die Wiener Staatsoper schon heiße Milchgetränke in der Pause im Angebot? Milupa und Champagner, und alles gesponsort von Lexus… Die Mütter hatten auch Milchflaschen mit….
Herzlich, mit Bitte um Antwort,
Andreas Schmidt, Herausgeber
Werter Hausherr, wie kommen die Lütten eigentlich in das bekannteste Opernhaus der Welt?
Was erwarten Sie sich von dem Baby-Publikum? Money, money, money, die Opernenthusiasten nach ihrer Regentschaft oder ein komplettes Haus am Ring, dessen Zuschauer vollkommen genervt sind?
Begrüßen Sie die laxe Türpolitik Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter? Last not least: Missachten Sie nicht die große Majorität der Zuschauer, die einfach nur IN RUHE eine wunderschöne Oper hören will? Wie kann es dazu kommen, dass 3 Zwerge rund 1700 Menschen und 560 Stehplätzlern den Abend versauen?
Babies in der Oper, werter Herr Bogdan Roščić, das nenne ich MISSMANAGEMENT. Unter Ihrem Vorgänger Dominique Meyer wäre es unvorstellbar gewesen, dass sich die Wiener Staatsoper in persona ihres Chefs bei Säuglingsgruppen anbiedert…
Der onlinemerker.com berichtet:
Es ist mit unverständlich, warum man Frauen mit Babys oder Kleinstkindern in die Oper einlässt. Bis zur Pause wurde das Publikum auf der Galerie von einem andauernd schreienden und weinenden Kind gestört. Und die Tatsache, dass ausgerechnet jetzt die kaputten Betonblöcke auf der Terrasse der Galerie getauscht werden, wo man gerade noch wettermäßig vor der Vorstellung und in der Pause frische Luft genießen könnte, ist äußerst ärgerlich. Seit Jahren weiß man, dass die Terrasse saniert werden muss. Hätte man das nicht in den Monaten Juli/August machen können? Wer von der Bundestheaterverwaltung ist für diese Misswirtschaft verantwortlich?
Wiener Philharmoniker, Esa-Pekka Salonen Elbphilharmonie, Hamburg, 5. September 2022