© Westermann, Staatsoper Hamburg
Der Blick auf die neue Saison der Staatsoper Hamburg ist nicht ungetrübt, lockt aber auch in viele interessante und vor allem gesanglich gut besetzte Aufführungen
Warum aber die Opern Wagners praktisch nicht mehr aufgeführt werden, insbesondere der Ring des Nibelungen, obwohl es dafür ein großes Publikum gibt, bleibt blamabel für ein so großes und bedeutendes Opernhaus wie die Staatsoper Hamburg. Gesanglich setzt sich der in der vorletzten Saison begonnene Wiederaufstieg aber fort. Das hat mit dem Aufbau eines herausragenden Sängerensembles zu tun, aber auch mit dem Engagement zahlreicher bekannt guter Sängerinnen und Sänger.
von Dr. Ralf Wegner
Eine Frage vorweg: Wer besucht eine Oper allein wegen der Inszenierung oder des Bühnenbildes mehrmals? Es wird wohl einige geben, ich kenne aber niemanden. Sind es nicht die Sängerinnen und Sänger und vielleicht noch die Dirigenten, die uns immer wieder in das Opernhaus ziehen? Mit musikalischer Gestaltung und großer Gesangskunst werden wir gelockt und lassen uns berühren von Stimmen, die tiefen Einblick in Seelenlandschaften vermitteln. Jede Besetzung ist anders und führt zu neuen Blicken auf das Stück, während sich der Inszenierungseffekt schnell abnutzt und sich nicht selten ins Gegenteil verkehrt.
In der neuen Saison werden beliebte Ensemblemitglieder häufiger in wichtigen Partien zu erleben sein. So singt die großartige Elbenita Kajtazi erneut Violetta (Oktober), die Sopranpartien in Puccinis Dreiteiler Il Trittico (Januar), im April die Tatjana, sowie im Mai Manon (Massenet); Katharina Konradi ist als Servilia (Mozart, Mai), Susanna (Mai) und Adina (Juni) besetzt, Katja Pieweck wird im November als Prinzessin Eboli zu hören sein. Weiterhin singen Dovlet Nurgeldiyev Belmonte und Jaquino (Oktober) sowie Stewa (Januar) und Lenski (April), Alexey Bogdanchikov tritt als Posa im November an.
Auch unter den Gästen sind herausragende Gesangsleistungen zu erwarten. Alexander Tsymbalyuk wird den Boris Godunow singen (September/Oktober) sowie im April den Fürsten Gremin.
Catherine Foster wird sicher eine großartige Turandot sein (September/Oktober), leider nicht zusammen mit Gregory Kunde, der die Rolle des Calaf im März/April singen wird. Kunde ist zudem noch als Peter Grimes besetzt (Februar). Freuen wir uns auf Asmik Grigorian als Salome im November, im Februar wird sich Olga Peretyatko an die Norma wagen.
Michael Volle singt im Dezember an 5 Terminen den Holländer. Das war’s aber auch schon mit Wagner, d.h. Opern dieses großen Komponisten werden nur an blamablen fünf Abenden während der ganzen Saison aufgeführt. Über die gesamte jetzige Intendanz gemittelt gab es ca. neun Aufführungen von etwa zwei Opern Wagners jährlich, unter der vorherigen Intendanz von Simone Young noch 15 Aufführungen von jeweils durchschnittlich vier Wagneropern.
Dafür wird es nach fast zwei Jahrzehnten wieder einen Troubadour an der Hamburgischen Staatsoper geben (März/April), mit Guanqun Yu als Leonora. Gut besetzt sind ab dem 29. März 2024 fünf Aufführungen von Cavalleria rusticana und Pagliacci mit Ekaterina Gubanova als Santuzza, Vittorio Grigolo als Turiddu und Canio sowie George Petean als Alfio und Tonio/Taddeo. Zu erwähnen ist noch Julia Lezhneva, die leider nicht ihre faszinierenden Koloratursalven in den Opernhimmel schießen, sondern den Cherubino singen wird (Mai). Schließlich treten im Juni noch Klaus Florian Vogt als Paul und Simone Schneider als Marietta (Die tote Stadt) auf.
Kent Nagano dirigiert u.a. Boris Godunow, Salome, Fidelio, Peter Grimes, Lady Macbeth von Mzensk und Saint François d’Assise (Oliver Messiaen), Axel Kober Turandot, Ádám Fischer den Fliegenden Holländer und La Clemenza di Tito; im italienischen Repertoire werden u.a. Paolo Carignani (Tosca), Paolo Arrivabeni (Rigoletto, Norma) und Alexander Joel (Il Trittico, Madama Butterfly) eingesetzt.
Es gibt also Lichtblicke, Verdis Don Carlos wird wieder aufgenommen und der Troubadour erscheint neu auf dem Programm, allerdings mit wechselnden Dirigenten, einem noch nicht gefundenen Grafen Luna, einer neben Elena Maximova mit Kristina Stanek aus dem Haus besetzten Azucena und mit Gwyn Hughes Jones einem Manrico, der zwar schon an großen Häusern sang, mit dieser Partie bisher aber noch nicht sehr bekannt geworden ist. Hoffen wir auf eine gute Leistung, denn für die Partie des Manrico ist es derzeit wohl nur schwer möglich, einen adäquaten Tenor zu gewinnen. Zumindest die zuletzt von mir u.a. als Manrico gehörten Tenöre Kaufmann (München) und Alagna (Paris) scheiterten am hohen C und Eyvazov (Wien) wegen seines unschönen Timbres; besser sangen Yonghoon Lee (München) und vor allem Murat Karahan (Riga).
Warum aber die Opern Wagners praktisch nicht mehr aufgeführt werden, insbesondere der Ring des Nibelungen, obwohl es dafür ein großes Publikum gibt, bleibt blamabel für ein so großes und bedeutendes Opernhaus wie die Hamburgische Staatsoper. Gesanglich setzt sich der in der vorletzten Saison begonnene Wiederaufstieg aber fort. Das hat mit dem Aufbau eines herausragenden Sängerensembles zu tun, aber auch mit dem Engagement zahlreicher bekannt guter Sängerinnen und Sänger.
Was uns in Hamburg aber bleibt und das Gesamtbild der neuen Saison glänzen lässt, ist das umfangreiche Ballettrepertoire von John Neumeier. Es wird seine letzte Saison sein, insgesamt 16 verschiedene abendfüllende Werke werden zur Aufführung gelangen, darunter Nussknacker und Schwanensee, Romeo und Julia, Kameliendame, Anna Karenina und Nijinsky sowie die sinfonischen Werke Dona nobis pacem (Bachs h-Moll-Messe), sein Weihnachtsoratorium und Mahlers 3. Sinfonie.
Neumeier steuert ein neues Ballet mit dem Arbeitstitel Epilog bei, von Cathy Marston premiert das Ballett Jane Eyre. Im Ensemble bleibt es zum Glück beim alten, allerdings sind die erst vor kurzer Zeit zu Solisten ernannten David Rodríguez und leider auch Yaiza Coll nicht mehr unter den Mitwirkenden verzeichnet.
Dr. Ralf Wegner, 11. März 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Illusionen wie Schwanensee, Ballett von John Neumeier Staatsoper Hamburg, 11. Februar 2023
Auch ich finde, dass eine Staatsoper mehr zu bieten haben sollte, als es in den letzten 5 Jahren in Hamburg der Fall war.
Ich bin nur 2x angereist, u.a. für einen inszenatorisch schlechten, musikalisch aber ausgezeichneten Parsifal.
Diese Woche bin ich wieder dort, für den selten aufgeführten Don Carlos in der 5-aktigen französischen Fassung.
Ich komme wegen besonderer Besetzungen (wovon es nicht viele gab) oder seltener gespielten Opern/Opernfassungen und erinnere mich mit Freude an die Serie der, die allerdings schon über 10 /15 Jahre zurück liegt und nicht einmal mehr im Internet zu finden ist.
Da startete ein junger Tenor seine Weltkarriere: Yonghoon Lee…
Dagmar Pietsch
Hier fehlt leider ein Teil meines o.g. Kommentars, in dem ich von der Serie des frühen/jungen Verdi sprach, u.a. „I due Foscari“.
Der 5-aktige Don Carlos war, bis auf das peinliche Sitcom-Intermezzo und die verwässerte, als Event aufgezogene Autodafé-Szene, deren Beklemmung total verloren ging, eine erstaunlich aktuelle Inszenierung mit einer über die Maßen brillanten Eboli. Den Don Carlos-Sänger hätte ich allerdings lieber als OTELLO gesehen; man fühlt sich für eine Weile im falschen Stück. Tenorale Schwächen im Fontainebleau-Akt machte er allerdings später mehr als wett.
Dagmar Pietsch