Foto: Ariadne © Ludwig Olah
Ausgerechnet Ariadne: Selbst für den Richard-Strauss-Palast an der sächsischen Elbe ist diese Oper kein Selbstläufer. Trotz teils überragender Stimmen bleibt die kleine Komödie für Musik eine weitgehend humorlose Nachmittagsvorstellung. Das geht auch besser!
Semperoper Dresden, 26. März 2023
Ariadne auf Naxos
Musik von Richard Strauss
Libretto von Hugo von Hofmannsthal
von Johannes Karl Fischer
Schon die ersten Noten erinnern stark an die große Opernschwester – den Rosenkavalier, auch als Komödie für Musik bekannt. Hier ist alles eine Nummer kleiner, kürzer und dünner besetzt. Und dennoch genauso genial, genauso packend. Meistens. Nicht an diesem Sonntagsnachmittag, der mit einem recht metronomischen Vorspiel beginnt und an dem das Orchester unter der Leitung von Christoph Gedschold leider nur wenige Farben aus dem bunten Spektrum der Strauss-Partitur ausschöpft. Die Walzer wollen nicht tanzen, die saftig-dramatischen Stellen nicht umschlingen. Schade.
Völlig unbeeindruckt dessen reißen Ariadne (Simone Schneider) und ihr Retter Bacchus (Gregory Kunde) das Publikum in die Fluten jenes Meers, dass sie durchkreuzen. Trotz den inszenatorisch anspruchsvollen Bedingungen – ein gutes Stück seiner Hammerpartie singt der Tenor von der Seitenbühne – könnten dessen kraftvollen Heldenmelodien die Mächte jeder Zauberin entfliehen.
Dieser strahlend helle Gesang leuchtet mit einer Note mehr Licht in die Ariadne-Welt als die gesamte Inszenierung. Naxos ist hier eine sehr schwarze, dunkle Insel, fast eine Höhle, könnte man meinen. Das scheint diesen Sänger nicht zu beeindrucken: Wie ein furchtloser Held bläst er mit kräftiger Stimme alles andere musikalisch von der Bühne. Als würde die Welt in diesen Momenten nur ihm und seiner Stimme gehören. Und vielleicht seiner Ariadne.
In genau dieser Rolle ist mit Simone Schneider bereits die dritte Ariadne in dieser Spielzeit zu hören. Was sind das für mitreißende Momente, wenn ihre Stimme die hohen Emotionen dieser Partie durch den Saal fegt! Sie steht auf der Bühne samt opulenten Bühnenbild und einer zuschauenden Zerbinetta, trotzdem gehört die Bühne ihr ganz allein. Diese hochdramatischen Melodien fesseln das Publikum fest an ihre Plätze, das sind jene Momente, für die man eine Strauss-Oper aufsucht! Wie ein deftig dampfender Marillenknödel, mit süßer Frucht umgeben von köstlichem Knödelteig.
Die Opera seria Ariadne – die Oper in der Oper – ist also bestens gelungen. Dessen Komponist tritt bekanntlich auch als Figur in der Rahmenhandlung auf, hier wunderbar gesungen von Angela Brower. Ihr kräftiger Mezzosopran verteidigt sein Werk bis auf die Knochen und bricht in rastlose Wut aus, als dieses Kunstwerk fünf Minuten vor Beginn von den verrückten Vorstellungen des reichsten Manns in Wien zertrümmert wird.
Leider gehört zu Ariadne auf Naxos auch eine quasi parallellaufende Opera buffa und ein lustiges Vorspiel. Regisseur David Hermann macht es der Zerbinetta wirklich nicht leicht, lässt er sie wie eine Marionette mehrmals in derselben statischen Ballettposition auf die Bühne schieben. Sarah Aristidou macht noch das Beste aus dieser aufs Lächerliche inszenierten Figur, ist mit den zahlreichen Koloraturen dieser Rolle aber schon gut gefordert.
Viele luftige Noten schweben flockig durch die Gegend, so richtig humorvoll à la Fledermaus-Adele gelingt ihr die Partie dennoch nicht. Daran können – trotz eifrigen Versuchen – auch die Spielchen ihrer vier Liebhaber nichts ändern. Zum Lachen gibt es in diesem lustigen Nachspiel, Vorspiel, Zwischenspiel – wie auch immer man es nennen möchte – leider nicht viel.
Bleibt noch das eigentliche Vorspiel, eine fünfundvierzigminütige, höchst gehaltvolle Parodie der Macht- und Geldverhältnisse in der Kunstwelt. Haushofmeister Volker Muthmann und Musiklehrer Christoph Pohl rennen zwar eifrig durch die drei weißen Türen auf der Bühne. Doch vor allem der Musiklehrer verkörpert seine Partie gesanglich zwar extrem sauber, aber weitgehend humorlos. Von der prädestinierten Theatralik dieser Rolle bleibt leider wenig übrig.
Wie schon in Le nozze di Figaro vor knapp einem Jahr: Ein toller Sänger, in dieser Rolle leider eine Fehlbesetzung. Als Vertreter der Kunstwelt gegenüber den abstrusen Forderungen seines Mäzens scheint er dessen Vorschläge geradezu ernst zu nehmen.
Ich habe Ariadne auf Naxos zuletzt in Wien (2022), Berlin (2020) und Hamburg (2019) gesehen. Wien ist – wie immer – eine eigene Liga. Vielleicht bin ich von Thomas Guggeis, Camilla Nylund und Herbert Föttinger auch verwöhnt. Doch fehlt der Ariadne an der sächsischen Elbe trotzdem mehr als eine Prise an komödienhaftem Humor. Ein bisschen wie eine Sachertorte ohne Glasur und Schlagobers. Von einem Haus, das immerhin als Ort der Uraufführung für über die Hälfte aller Richard-Strauss-Opern diente, könnte man eigentlich mehr erwarten.
Johannes Karl Fischer, 28. März 2023 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Richard Strauss, Ariadne auf Naxos Semperoper Dresden, 15. März 2023