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von Peter Sommeregger
Am 31. März 1893 wird Clemens Krauss in Wien geboren. Der uneheliche Sohn einer Tänzerin und eines höheren Militärs trägt den Mädchennamen seiner Mutter. Bereits als Kind zeigt sich seine musikalische Begabung, er wird 1902 Sängerknabe an der Wiener Hofmusikkapelle, später studiert er am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde Klavier, Komposition und Chorleitung.
Bereits 1913 wird er Chordirektor in Brünn, weitere Stationen sind Riga, Nürnberg, Stettin und Graz. Ab 1922 wirkte er bereits als Dirigent an der Wiener Staatsoper, wo er sich mit Richard Strauss anfreundet, ging anschließend nach Frankfurt, wo er Intendant der Frankfurter Oper wurde und gleichzeitig die Museumskonzerte leitete. Nach Wien kehrt er 1929 als Musikdirektor an die Staatsoper zurück.
Für die gleiche Position wechselt er 1935 nach Berlin, wo bereits die Nationalsozialisten das Sagen haben. Dass er 1937 zum Generalmusikdirektor der Münchner Oper ernannt wird, lässt doch eine Nähe zu den braunen Machthabern vermuten, obwohl Krauss es zeitlebens geschickt vermied, sich eindeutig zu positionieren. Richard Strauss schätzte Clemens Krauss sehr, einige Uraufführungen seiner Werke hat Krauss dirigiert, so 1933 die „Arabella“, 1936 „Friedenstag“, diese Oper ist Krauss ausdrücklich gewidmet. Eine weitere starke Verbindung bedeutete für die beiden die Zusammenarbeit an Strauss‘ letzter Oper „Capriccio“, für die Krauss das Libretto schrieb.
In zweiter Ehe war Clemens Krauss mit der rumänischen Sopranistin Viorica Ursuleac verheiratet, die von Richard Strauss ebenfalls sehr geschätzt wurde und insgesamt drei Uraufführungen seiner Opern sang, nämlich die Titelrolle in „Arabella“, die Maria im „Friedenstag“ und schließlich die Gräfin Madeleine in „Capriccio“. Nachdem die berühmte Sopranistin Lotte Lehmann sich geweigert hatte, sich von den Nazis vereinnahmen zu lassen und Europa verließ, avancierte Ursuleac zum Aushängeschild des Regimes. Clemens Krauss bekleidete bis zum Kriegsende zahlreiche herausragende Stellungen im deutschen Musikleben, so war er zeitweilig Direktor der Salzburger Festspiele und Leiter der Stiftung Mozarteum. Sein Verhältnis zu den Wiener Philharmonikern war nicht ungetrübt, aber ab 1943 bis Kriegsende erschien er wieder regelmäßig als deren Dirigent.
Die berühmten Wiener Neujahrskonzerte begründete Krauss mit einem Konzert am 31. Dezember 1939. Ab 1941 findet es nun traditionell am 1. Januar statt, nach seiner Entnazifizierung übernahm Krauss 1948 wieder die Leitung der Konzerte, bis zu seinem Tod im Jahre 1954.
Die Fülle seiner Ämter während der Jahre 1933 bis 1945 lässt es als unwahrscheinlich erscheinen, dass Krauss nicht den Nationalsozialisten nahestand. Im Gegensatz dazu gibt es aber glaubwürdige Aussagen, dass Krauss kein überzeugter Nazi war, sogar verfolgten jüdischen Menschen zur Flucht verhalf. Die englischen Schwestern Cook, die dafür ein Netzwerk aufgebaut hatten, bestätigten das später.
Alles sah danach aus, dass Clemens Krauss seine Karriere im Nachkriegs-Österreich hätte fortsetzen können. Zur Wiedereröffnung der Wiener Staatsoper nach dem Wiederaufbau, die 1955 stattfinden sollte, sollte Krauss erneut Direktor des Hauses werden, da ereilte ihn auf einer Südamerika-Tournee am 16. Mai 1954 in Mexico-City der Herztod.
Hinterlassen hat Clemens Krauss eine Reihe bedeutender Schallplatten-Aufnahmen, so einen Zyklus der Tondichtungen von Richard Strauss, eine Gesamtaufnahme der „Salome“ und der „Fledermaus“, und viele andere mehr. Auch Clemens Krauss ist ein Beispiel für die Vereinnahmung der Künste durch ein politisches System, was seinen Nachruhm leider überschattet.
Peter Sommeregger, 16. Mai 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Sommereggers Klassikwelt (c) erscheint jeden Mittwoch.
Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Barcelona, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen’. Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.
Unerhört, unverschämt. Sie stempeln ihn als Parteigänger der Nazis, als Opportunisten ab, was falsch ist.
Clemens Krauss hat zahlreichen Juden das Leben gerettet, angefangen von M. Bokor, die er 1933 in Arabella besetzte und danach nach Wien holte. Er und seine Lebensgefährtin V. Ursuleac haben die Schwestern Cook von der Notwendigkeit überzeugt, Juden aus Deutschland zu retten, und haben deren Rettungsaktionen auf mannigfache Weise gefördert bzw. ermöglicht. Auf diese Weise konnten in den Jahren 1937 bis 1939 neunundzwanzig Juden gerettet werden. Wäre das aufgeflogen, es hätte Lebensgefahr für Krauss und Ursuleac bedeutet, auf jeden Fall einen tiefen Fall. (siehe Ouverture of Hope von Isabel Vincent).
Er hat noch Anfang der 1940er Jahre sehr wahrscheinlich seinem langjährigen Mitarbeiter Lothar Wallerstein, als dieser in den Niederlanden gefasst wurde, durch Intervention das Leben gerettet.
Das sind nur drei Episoden. Ich bin kein Clemens-Krauss-Forscher, aber der aufgesetzt-„antifaschistische“ Gestus des Wikipedia-Artikels hat mich misstrauisch gemacht.
Als Gentleman hat Krauss in den Nachkriegsjahren nie ein Wort darüber verloren. Hätte Yad Vashem Kenntnis von den Rettungsaktionen gehabt, er und Ursuleac wären sicherlich zu Gerechten unter den Völkern ernannt worden.
Christian Michelides