Foto: Plakatwettbewerb 2023, 1. Preis: Lilli Charlotte Evers, Paula Kock, Oberschule zum Dom, Lübeck
Mit einem inszenatorischen Paukenschlag startet das Theater Lübeck in das noch junge Opernjahr: Weltstar Brigitte Fassbaender führt Regie in „Elektra“ von Richard Strauss!
Elektra-Soiree
Theater Lübeck, 15. Januar 2024
von Dr. Andreas Ströbl
Das auf hochdramatischen antiken Stoff zurückgehende Psychodrama hat am 27. Januar Premiere im Jugendstiltheater der Hansestadt, das am 15. Januar zur traditionellen Soirée und öffentlichen Probe lud. Die war noch besser besucht als die ohnehin vom Lübecker Publikum geschätzten Abende, an denen Theaterleitung und Regie zusammen mit Solistinnen und Solisten eine detaillierte Einführung in Werk und Produktion geben, bevor man dann die Probenarbeit miterleben kann.
Auf dem Podium saßen, Brigitte Fassbaender flankierend, Jens Ponath, Leitender Dramaturg Musiktheater und Konzert, und Stefan Vladar, Opern- und Generalmusikdirektor. Letzterer begleitete die Solistinnen auch auf dem Klavier und stellte wesentliche Motive vor; Vladar hat auch die musikalische Leitung der Produktion inne.
Auf seine Vorstellung der großen Sängerin als „Ehrengast“ entgegnete sie in ihrer unvergleichlichen unprätentiösen Art nur „Ich bin kein Ehrengast, ich arbeite hier!“. Diese Haltung, nämlich sich ganz in den Dienst der Kunst und der ernsthaftesten Arbeit daran zu stellen, äußerte sie bereits im Exklusiv-Interview mit „Klassik begeistert“, das vor Weihnachten erschien.
Interview mit Brigitte Fassbaender – Teil 1 klassik-begeistert.de, 20. Dezember 2023
Jens Ponath informierte über das Stück vor dem Hintergrund der griechischen Mythologie, die – im doppelten Wortsinne – dramatischen Zusammenhänge und die gemeinsame Arbeit von Strauss und Hugo von Hofmannsthal, die mit diesem Werk begann.
Gemeinsam mit Brigitte Fassbaender arbeitete Stefan Vladar die musikalischen und werkgeschichtlichen Bezüge zwischen der Vorgängeroper „Salome“ und ihrer griechischen Schwester heraus. „In jeder Sekunde“, so Vladar über diese emotional aufgeladene Oper, „sagt die Musik, was Sache ist“. Sie lässt niemanden kalt, aber hinterlässt auch Ratlosigkeit. Auf die Frage, was die Regisseurin an diesem inhaltlich so harten Werk mit seinen innerfamiliären Morden fasziniere, hob sie die menschlichen Abgründe hervor und betonte die besondere Herausforderung an die Phantasie bei diesem Stück, „das einem immer auch fernbleibt“. Es sei ein „klaustrophobisches Geschehen von geballter Emotionalität“ mit einem gewaltigen, ja gewalttätigen Text.
Der lebt und verstört in dieser Oper ganz besonders intensiv mit der Musik, aber bevor es ins Dramatische ging, sang gleich zu Beginn die Sopranistin Andrea Stadel mit bezaubernder Freude an Wort und Ton das arglose Strauss-Lied „Schlagende Herzen“. Auch das „Ständchen“, das Laila Salome Fischer mit ihrem transluziden Mezzosopran und angemessener dynamischer Reduktion zum Besten gab, bot ein Gegengewicht zur Kälte und Härte, die grundlegend die „Elektra“ prägt. Die Titelpartie singt als Rollendebüt die dänische Sopranistin Trine Møller und ihr glühendes „O laß deine Augen mich sehn!“ drang tief in so manche Seele des Soirée-Publikums, es rollten bereits die ersten Tränen. Was für eine Stimme! Auf die Frage Ponaths, was ihr bei dieser Rolle am wichtigsten sei, entgegnete sie lakonisch „first of all to survive!“
Solch eine anspruchsvolle Produktion ist nur zu überleben, wenn man eine derart als Sängerin und Regisseurin erfahrene, bodenständige und zugleich begnadete Leiterin wie Brigitte Fassbaender hat und unter ihr – nein, mit ihr – singen und schauspielern darf.
Bevor es an die Arbeit ging, stellte sie Bettina Munzer vor, die einige wesentliche Worte zu Kostümen und Bühnenbild verlor, jedoch ohne zuviel zu verraten.
Über die folgende Probe mit Edna Prochnik als erschütterte und erschütternde Klytämnestra ließe sich problemlos seitenlang berichten, daher hier die Kurzfassung: Selten hatte man bei diesen informativen Veranstaltungen, die jedes Mal wirklich Appetit auf die Premiere machen, den Eindruck von einer solchen Dichte und Konzentration. Brigitte Fassbaender zeigte sich als einfühlsame, anteilnehmende Regisseurin, die mit stets klaren Anweisungen, verbaler Deutlichkeit und pädagogischer Wärme sowohl den großen Bogen als auch die winzigen Gesten im Blick hat. Von dieser detaillierten Art der Personenregie können sich viele Kollegen mehr als eine Scheibe abschneiden. Eine in jeder Sekunde fühlbare ruhige Autorität verbindet sich bei ihr mit der Fähigkeit zur Selbstkritik und einer liebenswerten Menschlichkeit.
Glücklich darf sich nennen, wer da mittun darf und ebenfalls glücklich, wer bereits Premierenkarten für den 27. Januar um 19.30 hat!
Interview mit Brigitte Fassbaender – Teil 2 klassik-begeistert.de, 21. Dezember 2023
Interview mit Brigitte Fassbaender – Teil 3 klassik-begeistert.de, 23. Dezember 2023