Foto: Michael Pöhn (c)
WIENER STAATSOPER, 12. Mai 2018
Camille Saint-Saëns: SAMSON ET DALILA
Ein Rückblick von Charles E. Ritterband
Es hätte ein Glanzlicht der Saison im Haus am Ring werden können – mit Weltstars: Als Dalila debütierte die unvergleichliche Mezzosopranistin Elina Garanca und als ebenbürtiger Partner stand ihr Roberto Alagna als der von ihr verratene Geliebte gegenüber. Es hätte alles so schön sein können. War es aber nicht.
Schuld an diesem Fiasko trug die pratentiöse, aber kaum überzeugende Inszenierung von Alexandra Liedtke. Aber auch sängerische Unzulänglichkeiten der beiden Titelhelden. Ob diese auf deren Unbehagen mit Inszenierung, ungelenker Personenführung und düsterem oder klaustrophobem Bühnenbild zu tun hatten, bleibe dahingestellt. Jedenfalls sang Alagna über weite Strecken unmotiviert laut, geradezu schrill – und die für ihren warmen, verführerischen Mezzo weltberühmte Elina Garanca (großartig als Carmen vor wenigen Jahren an der New Yorker Met) blieb kalt und eher unerotisch. Das mag zur Zwiespältigkeit dieser Figur durchaus passen, die ja hin- und hergerissen ist zwischen ihrer Liebe und ihrem verräterischen Auftrag – aber elektrisierend war ihre große Arie „mon coeur s‘ ouvre a ta voix“ nicht, sondern eher unterkühlt.
Fühlten sich die beiden Protagonisten von der Regie allein gelassen – oder gar genervt? Wir werden es nie erfahren. Bei der Premierenfeier wirkte die Garanca jedenfalls eher etwas unglücklich. Vorbehaltlos möchte man eigentlich nur Carlos Alvarez als durch und durch überzeugenden Oberpriester des Gottes Dagon loben – mit einem sonoren, maskulinen Bariton als wohltuender Kontrast zu dem an jenem Abend eher unerfreulichen Tenor.
In der Verführungs- und damit auch Schlüsselszene im 2. Akt steht gewissermassen in einer Bühne auf der Bühne statt eines Betts eine altmodische Badewanne. Außerdem begann es in diesem eleganten Badezimmer plötzlich zu regnen – da liess die Dalila ihren Samson buchstäblich im Regen stehen. Schwüle Erotik jedenfalls kam da nicht auf. Das waren eher zwei schüchterne Teenager, die vor einer gefüllten Badewanne herumplanschten und sich gegenseitig anspritzten. Sonst nichts. Die Regisseurin begründete ihren seltsamen Regieeinfall im persönlichen Gespräch damit, dass sie so das abgedroschene Klischee des Schlafzimmers umgehen wollte. Denn auch ein Badezimmer sei ja ein Ort der Intimität. War es hier aber mitnichten.
Man hätte dieser Oper ihren Fin-de-Siècle Exotismus belassen sollen statt sie in einer düster-nichtssagenden Zeitlosigkeit zu versenken. Auch das berühmte Bacchanal – einer der wenigen musikalischen Höhepunkte dieser eher selten gespielten Oper – enttäuschte, trotz aller Bemühungen des an sich ja ausgezeichneten Balletts. Da kam keinerlei Magie, Exotik oder Erotik auf. Das Ganze diente lediglich dazu, möglichst drastisch und brutal die Erniedrigung des durch Dalila seiner legendären Kraft beraubten Ex-Supermanns Samson zu zeigen. Und der Staatsopern-Chor? Wurde mangels besserer Einfälle auf Stühlen platziert. Diese Neuinszenierung ging baden. Buchstäblich.
Der Journalist Dr. Charles E. Ritterband schreibt exklusiv für klassik-begeistert.at. Er war für die renommierte Neue Zürcher Zeitung (NZZ) Korrespondent in Jerusalem, London, Washington D.C. und Buenos Aires. Der gebürtige Schweizer lebt seit 2001 in Wien und war dort 12 Jahre lang Korrespondent für Österreich und Ungarn. Ritterband geht mit seinem Pudel Nando für die TV-Sendung „Des Pudels Kern“ auf dem Kultursender ORF III den Wiener Eigenheiten auf den Grund.