Kristina Mkhitaryan wird in einigen Jahren zu den großen Sopranistinnen unserer Zeit gehören

Giuseppe Verdi, La Traviata,  Deutsche Oper Berlin

Foto: Kristina Mkhitaryan © Emil Matveev
Deutsche Oper Berlin
, 19. Mai 2018
Giuseppe Verdi, La Traviata
Carlo Montanaro
, Dirigent
Götz Friedrich, Inszenierung
Frank Philipp Schlößmann, Bühne
Kristina Mkhitaryan, Violetta
Attilio Glaser, Alfredo Germont
Gabriele Viviani, Giorgio Germont

von Yehya Alazem

„La Traviata“ ist eine der absolut beliebtesten Opern im ganzen Repertoire, und laut der Internetseite „Operabase“ ist sie die meist gespielte Oper überhaupt. Aber eine erfolgreiche Aufführung dieser Oper ist sehr abhängig von der Titelheldin – es wird auch oft gesagt, für die Violetta brauche man drei Sopranistinnen, da sich der Charakter vom einen zum nächsten Akt sehr entwickelt und jeder Akt verschiedene Fähigkeiten in Anspruch nimmt.

Nur eine Woche vor der Aufführung kam die Mitteilung, dass Kristina Mkhitaryan die Rolle der Violetta anstelle von Maria Agresta übernehmen würde. Einen besseren Ersatz konnte man kaum finden!

Geboren 1987 in Novorossyisk in Russland, Gewinnerin des zweiten Preises beim „Operalia“-Wettbewerb 2017 von Placido Domingo: Kristina Mkhitaryan besitzt eine Stimme mit einem ganz wunderbaren, mitteldunklen Timbre, das warm, vollherzig und schwellend ist. Sie verkörpert die Titelheldin an der Deutschen Oper Berlin phantastisch, sowohl gesanglich als auch darstellerisch. Abgesehen von ein paar weniger gelungenen Spitzentönen in „Sempre Libera“ ist ihre Leistung von der höchsten Klasse, und man hört vom ersten Ton an, dass diese Stimme eine hervorragende Zukunft vor sich hat. Ihre Violetta ist unglaublich ergreifend!

Der deutsch-italienische Tenor Attilio Glaser liefert einen überzeugenden Einsatz in der Rolle des Alfredo Germont, obwohl er nicht ganz in der gleichen Liga wie Mkhitaryan spielt, aber darstellerisch findet das Liebespaar ein schönes Zusammenspiel. Sein Tenor ist mittelhell und klingt sehr angenehm und sympatisch. Allerdings fließt die Stimme zwischen dem mittleren und dem oberen Register nicht ganz mühelos.

Leider überzeugt der italienische Bariton Gabriele Viviani als der Vater Giorgio Germont nicht vollends. Er ist kompromisslos in seiner Interpretation gegenüber Violetta als auch gegenüber seinem Sohn Alfredo. Sein Bariton ist tief und solide, allein es fehlt die erforderliche Technik für einen Verdi-Bariton. Größtenteils klingt er atemlos und am Ende seiner Arie „Di Proveza il mar, il suol“ hört man, dass seine Stimme in der Höhe gar keine Stabilität hat.

Der Chor singt mit herrlicher, klarer Harmonik, und das Orchester der Deutschen Oper Berlin findet sich unter dem italienischen Dirigenten Carlo Montanaro an diesem Abend gut zurecht. Das Orchesterspiel ist dynamisch, sensibel und hält eine gute Balance mit den Sängern, die ohne größere Anstrengung über das Orchester kommen, manchmal kommen die Tempowechsel zu rasch und die Sänger müssen plötzlich das Tempo heraufschrauben.

Kristina Mkhitaryan als Violetta zu erleben in Götz Friedrichs wunderschöner Inszenierung aus dem Jahr 1999, in der der ganze Fokus auf der kranken Violetta liegt und alles um sie herum passiert, ist ein großer Genuss. Aber in diesem Fach wird sie wahrscheinlich nicht lange bleiben: Ihre Stimme ist für dramatischere Sopranrollen in den späteren Verdi-Opern und Puccini geeignet, und in einigen Jahren wird sie zu den großen Sopranistinnen unserer Zeit gehören.

Yehya Alazem, 20. Mai 2018, für
klassik-begeistert.de

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