Das Gelbe vom Ei ist es nicht: Benjamins Bruns erobert als „Lohengrin“ dennoch Elsas Herz

Richard Wagner, Lohengrin  Bayerische Staatsoper, 18. Februar 2024

Benjamin Bruns © Sara Schöngen 

Weißwurst isst man ohne Haut. „Mit Haut essen sie nur die Chinesen – aber die essen auch Hunde und Katzen“, raunt mir die Bedienung in der „Münchner Stubn“ um die Ohren. An der Bayerischen Staatsoper bekommt man alles. Den Inhalt, den Benjamin Bruns als „Lohengrin“ bemerkenswert aufs Parkett zaubert. Und die Hülle, sprich die Inszenierung, bei der Regisseur Kornél Mundruczó einer Art Sekte unter einem Meteoriten die Erlösung schenkt.

Lohengrin, Richard Wagner

Bayerische Staatsoper, 18. Februar 2024

von Jürgen Pathy

Seit Jahren ziehen nur Klaus Florian Vogt, Andreas Schager oder Piotr Beczała als „Lohengrin“ von einem Opernhaus zum anderen. Etwas Abwechslung kann da nicht schaden. An der Bayerischen Staatsoper versucht nun Benjamin Bruns sein Bestes, um Elsa davon zu überzeugen, den Mund zu halten. Gelingt ihm natürlich nicht. Liegt aber am Libretto, nicht an Bruns’ Versuch, mit Nachdruck bei der Wiederholung des Frageverbots auf ihr Schweigen zu pochen. Vom Auftreten gewinnt dieser Schwanenritter zwar keine Kriege, Elsas Herz erobert er aber mit seiner Stimme.

Wer Benjamin Bruns noch als Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper in Erinnerung hat, weiß, wo dessen Qualitäten liegen. Sein sanftmütiges „Dalla sua pace“ aus Mozarts „Don Giovanni“ liegt mir heute noch im Ohr. Als „Lohengrin“ setzt er ebenfalls auf Güte, Sanftheit und weich geführte Phrasen, denen man auch ohne Übertitel und Kenntnis des Librettos einwandfrei folgen könnte. Elsa dankt es natürlich nicht. Die Frauen haben in München generell die Hosen an.

Johanni van Oostrum steht als Elsa ihrer Widersacherin Ortrud kaum um etwas nach. Der Kontrast der beiden, wie großartig sie auch sein mögen, kristallisiert sich bei dieser Konstellation nicht heraus. Anja Kampe nähert sich als Ortrud zwar etwas in zartere Gefilde, Johanni van Oostrum schreitet ihr aber mit viel Kampfgeist und Widerstand entgegen.

Der einzige, der den mächtigen Weibern ordentlich Paroli bietet, ist Andrè Schuen als Heerrufer. Besser geht das nicht, schießt mir während des ersten Akts so durch den Kopf, während der Ladiner seinen Lied erprobten Bariton edel ins Rennen führt. Ryan Speedo Green, den Wienern ebenfalls kein Unbekannter, kann gerade wegen seiner enorm forcierten Deklamation die Schwächen seiner Aussprache nicht verschleiern. Ohne Übertitel würde man hier hoffnungslos schwimmen. Martin Gantner als Telramund zeigt diesbezüglich absolut null Schwächen, wird aber von der Wucht der Frauenstimmen etwas erschlagen. Durchwegs alles solide, ohne wirklich viel Feuer zu entfachen.

Lohengrin 2022, München © W. Hoesl

Ebenso misslingt es Sebastian Weigle, das durchaus glühende Anfangspathos am Pult des Bayerischen Staatsorchesters bis zum Ende ins Ziel zu retten. 1. Akt sensationell, mit viel Blut und martialischer Wehmut. Im 2. Akt nur auffallend, weil der Wagner erprobte Dirigent den durchgestylten Sir im Frack kurz über Board wirft. Wenn Blicke töten könnten, liegt der Zuschauer aus dem vorderen Parkett heute sicherlich im Totenbett, nachdem seine Keuchhusten-Anfälle die Ruhe im Vorspiel des 2. Akts schmerzhaft durchbrechen. General-Pausen könnte man eindrucksvoller gestalten. Einzelne Orchesterstimmen hat man schon subtiler aus der Masse des Gesamtklangs hervorstechen hören.

Benjamin Bruns bleibt somit der Lichtblick des Abends. Neben den dominanten Furien, die im Duo vielleicht nicht optimal gewählt sind. Andrè Schuen natürlich nicht zu vergessen. Auch wenn Bruns mit Fortdauer des Abends an Souveränität verliert. Glaubt man den Zuschauerstimmen, hatte der doch eher lyrische Tenor bei der ersten Vorstellung gar leichtes Metall in seiner Stimme durchblitzen lassen. Im Ansatz also ein Schwanenritter, der im Antlitz eines Klaus Florian Vogt wandelt – zumindest stimmlich. Von der Bühnenpräsenz neigt er eher zum Unschuldslamm, als zum Helden.

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