"La Traviata" in Berlin – zum Weinen schön!

Giuseppe Verdi, La Traviata,  Staatsoper Unter den Linden

Foto: Bernd Uhlig (c)
Staatsoper Unter den Linden
, Berlin, 1. Juni 2018
Giuseppe Verdi, La Traviata

von Sarah Schnoor

Die Liebe verklärt jedes Leid. Ist das überhaupt Liebe? Zumindest für Verdi schien es Liebe und nicht Obsession und Besitzanspruch zu sein, was Alfredo für seine schwer kranke Violetta fühlt und andersrum.

Schon mit den ersten Tönen entführt die Staatskapelle Berlin das von der heißen Sommerluft noch schwitzende Publikum in die Traumwelt der Oper. Unter der Leitung von Domingo Hindoyan spielt sie herrlich fein, präzise und phrasiert wunderbar. Großartig berührende Solopartien spielen besonders die Holzbläser, allen voran der Soloklarinettist (Matthias Glander). Ob Tanz- oder Trauermusik, ob Begleitung oder Orchesterpart: Mit der Staatskapelle macht Verdi Freude, musikalisch ganz groß!

Passend dazu ist die Besetzung der zwei Hauptrollen. Ailyn Pérez singt die Violetta und gibt ihrer Figur sehr unterschiedliche Farben. Ihr Pianissimo ist ein Traum und auch ihr Forte ist beeindruckend groß und klangschön. Besonders zu Beginn holt sie ihre sehr mächtige Stimme jedoch zu oft heraus, und es wird schnell zu laut. Ihr „Amami, Alfredo, quant‘io t’amo“ („Liebe mich, Alfredo, so sehr wie ich dich liebe“) befeuchtet so manches Auge im Saal genau wie ihr herzzerreißend schön gesungenes Eingeständnis, dass selbst Alfredos Liebe sie nicht retten kann („Ma se tornando non m’hai salvato, a niuno in terra salvarmi é dato“).

Diese Liebe eines ungleichen Paares, wie es hier sehr überzeugend dargestellt wird, verändert beide. Ist Violetta am Anfang eine unangreifbare Frau, die für sich selber sorgt und Alfredo ein schüchterner junger Mann, der es kaum zustande bringt mutig ein Trinklied zu singen, macht die Liebe Violetta verletzlich und Alfredo stark und zornig, als er glaubt sie zu verlieren.

Benjamin Bernheim singt den Alfredo überragend musikalisch. Ist er zu Anfang auch stimmlich noch etwas schüchterner, blühen bald alle Farben einer sehr beweglichen Stimme. Besonders beeindruckend ist es, wie offen Bernheim die meisten Töne halten kann, wie klar und ungehindert die Stimme in den Saal hineinklingt. Alfredos Vater, Giorgio, singt Alfredo Daza mit einem schönen Timbre, allerdings zu viel Vibrato. David Oštrek und Natalia Skrycka fallen auch in den kleinen Nebenrollen mit ihren schönen warmen Stimmen auf, und auch der herrlich fein und präzise singende Frauenchor rundet den Abend ab.

Unnötig ist das inszenatorisch kalte Ende der Oper. Die Inszenierung von Dieter Dorn ist sehr statisch. Einzig das gute Spiel von Bernheim und Pérez lässt etwas Leben – oder Tod – auf die Bühne kommen. Es gibt lediglich ein größtenteils schwarzes Bild auf runder Bühne, in der Mitte einen großen Spiegel, ein paar transparent gekleidete Figuren, die gemeinsam meist einen Totenkopf formieren. Nette Ideen, die nicht konkret ausgeformt wurden. Mit den letzten Tönen verschwindet Violetta hinter dem eingerissenen Spiegel, und die Männer verkünden davorstehend ihren Tod. Ende. Aber auch diese Inszenierung kann die Ergriffenheit und Freude nicht mindern – alle Beteiligten werden mit großem Applaus und Standing Ovations belohnt.

Sarah Schnoor, 1. Juni 2018, für
klassik-begeistert.de

Musikalische Leitung: Domingo Hindoyan
Inszenierung: Dieter Dorn
Violetta Valéry: Ailyn Pérez
Flora Bervoix: Natalia Skrycka
Annina: Carinna Scheuerle
Alfredo Germont: Benjamin Bernheim
Giorgio Germont: Alfredo Daza
Gastone: Andrés Moreno García
Baron Douphol: Adam Kutny
Marquis d’Obigny: Arttu Kataja
Doktor Grenvil: David Oštrek
Staatsopernchor
Staatskapelle Berlin

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