Teodor Currentzis: „L’éclat c’est moi!“... oder der Kaiser ohne Kleider blamiert sich in der Elbphilharmonie

UTOPIA Dirigent Teodor Currentzis  Elbphilharmonie, 18. Mai 2024

P.S.: Anmerkung des Herausgebers: Je länger ich den sicherlich ver-rückten Teodor Currentzis, im Gesicht leidend, mit den Armen gestikulierend, anschaue, um so mehr erblicke ich in der Gesamtanmutung eine feine Genialität: Lädt dieser Griechisch-Russe in der Nacht zu Pfingstsonntag, in dieser heiligen Nacht, nicht zu einem weltumspannenden heiligen Frieden, 50 Tage nach Ostern, ein? Ist dieses Bild nicht die moderne Inkarnation des Glaubens an friedvolle Zeiten auch in dem Riesenreich Russland und in der Ukraine. ?Lesen Sie bitte weiter nach dem Beitrag von Harald Stazol.

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Ja, er wird weiterziehen, der Zirkus, Russland-entschuldigend, und womöglich zieht sich Teodor Currentzis bald noch weiter aus? Zuzutrauen wär’s ihm! Ja, in aller Entschiedenheit: Dem Mann traue ich alles zu!

Utopia / Teodor Currentzis © Daniel Dittus

INTERNATIONALES MUSIKFEST HAMBURG

UTOPIA
Dirigent Teodor Currentzis

Anton Bruckner (1824–1896),
Sinfonie Nr. 9 d-Moll (1887
–1894)


Elbphilharmonie,
Hamburg, 18. Mai 2024

von Harald Nicolas Stazol

Wenigstens hat er sich die Achselhaare rasiert, und dass ich noch einmal für ein Brasilian Waxing dankbar sein würde, außerhalb meines Privatlebens, hätte ich mir bei einem Dirigenten dieses Formats nicht träumen lassen:

Der Kaiser hat ja gar nichts an!!! Ich verzeihe ja viel, und besonders Genies, die toleranten Hamburger ja auch? – aber das Outfit, dass Teodor Currentzis für diesen, ja, im Verlaufe wirklich EPOCHALEN Anton Bruckner, gewählt hat, einen schwarzen Fetzen bis über den Hintern, hoffentlich wenigstens Dior Homme – nun nach den Maßgaben zur Kleiderordnung der Elbphilharmonie dieser Seiten, wundert es mich, dass man den Skandal-Meister überhaupt hineingelassen hat, geschweige denn ans Pult.

Ich vergesse – entschuldige ihm auch die immerhin schwarzen, engen Leggins nicht,  er scheint stolz auf seine schlanken Beine zu sein, was er mit Louis Quatorze gemein hat – in dessen Staatsportrait ja auch die Beine eines Tänzers, das Kronoutfit zur Seite gerafft, prominent in weißen Strümpfen gemalt wird, aber „l’état, c’est moi“ – bzw. „l’éclat, c’est moi!“ scheint ja eh das Motto der feinen Herren zu sein, und Teodor Currentzis nimmt es für sich nun offenbar gänzlich und absolutistisch in Anspruch!?

„So ein verrücktes Huhn“, stöhnt die Dame hinter mir gerade, da ist der ganze Saal schon von einem überrascht-entsetzten Aufstöhnen erfüllt, und in meinem Falle bin ich ob des Dirigenten Egomanie schlicht angewidert, auch das im kollektiven Ganzen im Bühnenrund nach Atem schöpfendem Publikum – wirklich, wir ringen alle um Fassung! – und gerade vergesse ich die ganze Russland-Sympathisanten-Debatte, die sich um Teodor rankt wie Poison Ivy, giftiger Efeu, ich äußerte mich im SPIEGEL schon Anfang 2023 dazu (https://www.spiegel.de/kultur/musik/teodor-currentzis-in-der-elphi-wie-bei-einem-rave-a-4bcf6d1e-d488-4584-8f6e-18cd29eac9f6) – und von der die Skandalnudel mit seinem lackschwarz-gefärbten und gegeltem Haar wohl ablenken will? Meine zentrale These, die übrigens einer sich im (Auflagen-)Sturzflug befindenden „Tageszeitung“ aus Hamburg , wie so vieles, entgangen ist: „In einer Demokratie herrscht auch das Recht zu schweigen!“ Ein Vorwurf ist TC zumindest darin, bei aller Liebe zur Kritik, nicht zu deichseln!

Er fetzt also los in die Neunte, im Leibchen, wie man es in Fitness-Studios tragen mag oder bei einem brüllendheißen Rave oder bei der Anbahnung eines One-Night-Stands, „eitel, es ist alles eitel“ – aber er halt besonders!

Aber kommen wir doch endlich zu Bruckner selbst und seiner Neunten in d-moll, vor der der Komponist nichts als Angst hat, und der wohl allein der Dirigats-Klamotte wegen gerade auf dem Friedhof des Stift St. Florian im Grab rotiert, er, der er nur Bratenrock trug – meinen Segen dazu jedenfalls hätte er!

Utopia / Teodor Currentzis © Daniel Dittus

Oft nämlich ist die 9. der Symphonien das Ende eines Komponisten-Lebens, und so sieht Bruckner es auch! „Sehen Sie, ich habe bereits zwei irdischen Majestäten Symphonien gewidmet, dem armen König Ludwig als dem königlichen Förderer der Kunst, unserem erlauchten, lieben Kaiser als der höchsten irdischen Majestät, die ich anerkenne, und nun widme ich der Majestät aller Majestäten, dem lieben Gott, mein letztes Werk und hoffe, dass er mir so viel Zeit schenken wird, dasselbe zu vollenden.“

Und der HERR hat ein Einsehen, zumindest bis zum dritten Satz – dem HERRN sei Lob und Preis!!! – zu einem 4. kommt es dann doch nicht mehr…

Und da setzt das Utopia-Orchester, die ganze Hundertschaft steht im Übrigen wie eine Eins, unter dem Ärmellosen wirklich so ein Zeichen, dass es wiederum hinter mir nur heißt „ergreifend!“ – das höchste Lob, das eine Hanseatin in höchster Lust ausdrücken kann! Die Tempi, die Dynamik, die Einsätze, alles über die Maßen perfekt, vom ersten, ja auf einer Note stehenden Takt an, aber schon wird es glänzend tief, und wirklich auch utopistisch, ja zukunftsweisend, ein Exempel für weitere Interpretationen, und nun legt sich über die Ränge völlige Hingerissenheit – aber sprachen wir davon, dass der inzwischen im glänzenden Schweiß Stehende zwischendurch noch aus einer Plastik-Evian-Flasche trinkt? Dégoûtant!

Er kriegt den Hals einfach nicht voll!!!

Der zweite Satz, das Scherzo, wird von Mathias Hansen (Die Achte und Neunte Sinfonie. In: Hans-Joachim Hinrichsen (Hrsg.): Bruckner Handbuch. Metzler / Bärenreiter, Stuttgart / Weimar 2010, S. 218) so beschrieben: „Nicht wenige glauben, dass das Scherzo der IX. das genialste sei, das Bruckner je geschrieben habe.“

Und dann wird das bis an die Nähte platzende Haus vom dritten Satz schlicht hinweggefegt!

Utopia / Teodor Currentzis © Daniel Dittus

In der Tat, da lassen die Musiker aus 30 Nationen selbst Paavo Järvi in der Tonhalle Zürich weit, ganz weit hinter sich – aber der trägt zumindest, Werk und Standard angemessen, natürlich Frack.

Bruckner-Fracking also  (https://klassik-begeistert.de/utopia-ensemble-musikalische-leitung-teodor-currentzis-bruckner-9-symphonie-philharmonie-berlin-16-mai/ ) dann doch heute Abend, nach einer knappen Stunde ist der Spaß vorbei, oder „der Zirkus“, wie der Herr neben mir vertraulich mitteilt, da stehen wir nach dem Letztverklingenden schon alle, immerhin lässt der Maestro sehr lange die nackten Arme oben.

Ja, er wird weiterziehen, der Zirkus, Russland-entschuldigend, und womöglich zieht sich Teodor Currentzis bald noch weiter aus? Zuzutrauen wär’s ihm!

Ja, in aller Entschiedenheit: Dem Mann traue ich alles zu!

Harald Nicolas Stazol, 20. Mai 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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P.S.: Anmerkung des Herausgebers: Je länger ich den sicherlich ver-rückten Teodor Currentzis, im Gesicht leidend, mit den Armen gestikulierend, anschaue, um so mehr erblicke ich in der Gesamtanmutung eine feine Genialität: Lädt dieser Griechisch-Russe in der Nacht zu Pfingstsonntag, in dieser heiligen Nacht, nicht zu einem weltumspannenden heiligen Frieden, 50 Tage nach Ostern, ein? Ist dieses Bild nicht die moderne Inkarnation des Glaubens an friedvolle Zeiten auch in dem Riesenreich Russland und in der Ukraine?

In meinem stillen Zimmer höre ich vor meinem geistigen Auge die Matthäus-Passion von Johann Sebastian Bach: „Erbarme Dich, mein Gott“, diese Jahrtausend-Arie, das scheint der Gestus und der Anblick des ent-rückten Teodor C. zu sagen. Ich sehe einen starken Mann mit ansehnlichen Muckis. Ich sehe einen gebrechlichen Mann, der mit seiner partiellen Nacktheit auch Verletzlichkeit und Schwäche offenbart.

Teodor Currentzis spricht in diesen Zeiten nicht mit Kritikern, mit Journalisten. Nur er selbst und seine nächste Entourage wissen, was ihn zu diesem Auf-Tritt in der Elphi bewogen hat. Kann dieser Ausnahme-Künstler so doof sein, und keinen Frieden wollen?

Pfingsten ist das Fest des Heiligen Geistes, der dem christlichen Glauben zufolge alle Gläubigen weltweit erfüllt und verbindet, erklärt die Evangelische Kirche auf ihrer Website. Pfingsten gelte daher als der „Geburtstag der Kirche“. TC ist als Mensch, der mit griechischer und russischer Kultur aufwuchs und bestens mit den Religionen dieser Welt vertraut ist, ist sich dieses besonderen Christen-Festes bewusst.

Pfingsten (von griech. „fünfzigster Tag“) ist ein christliches Fest. Der Festinhalt ist die Sendung des Geistes Gottes zu den Jüngern Jesu und seine bleibende Gegenwart in der Kirche. Ikonografisch wird Pfingsten auch Aussendung des heiligen Geistes oder auch Ausgießung des heiligen Geistes genannt. Der Pfingstsonntag ist der 50. Tag der Osterzeit, also 49 Tage nach dem Ostersonntag, und kann zwischen dem 10. Mai (frühester Termin) und dem 13. Juni (spätester Termin) liegen.

Liturgische Feier

Byzantinischer Ritus

Pfingstikone, Kirillo-Beloserski-Kloster (um 1497)

In den orthodoxen Kirchen wurde der Charakter der pentēkostē als fünfzigtägiger Festzeit bewahrt, die mit dem Pfingstsonntag schließt.[9] Das Buch mit den Hymnen und Lesungen für diesen Zeitraum heißt Pentekostarion oder Blumen-Triodion. Die Kirchen des byzantinischen Ritus[10] verstehen die Osterzeit als geprägt von der Anwesenheit des Auferstandenen auf Erden. Sie endet also mit der Himmelfahrt, und mit dem Entschwinden des sichtbaren Christus beginnt die Erwartung der versprochenen Geistsendung. Die Herabkunft des Geistes an Pfingsten ist dann die Vollendung der Selbstoffenbarung des dreieinigen Gottes.

Utopia Ensemble, Musikalische Leitung: Teodor Currentzis, Bruckner 9. Symphonie Philharmonie Berlin, 16. Mai 2024

SWR Symphonieorchester, Teodor Currentzis Dirigent, MAHLER unFINISHED Philharmonie Berlin, 18. Dezember 2023

Klein beleuchtet kurz 6: Teodor Currentzis in der Elphi Elbphilharmonie, 12. Dezember 2023

3 Gedanken zu „UTOPIA Dirigent Teodor Currentzis
Elbphilharmonie, 18. Mai 2024“

  1. Etwas wirrer Kommentar… erstaunlich, dass Sie einen ganzen Absatz (ca. 400 Wörter) nur über das Outfit des Dirigenten schwadronieren. Ich denke, der Maestro ist erwachsen und darf sich kleiden wie er will – oder schreiben Sie der Pianistin Yuja Wang auch vor, wie sie sich zu kleiden hat? Aber da ist es ja ok, weil sie ja eine sexy Frau ist und sich durchaus auch so kleiden darf, weil es „Mann“ ja sicher gefällt? Bitte fokussieren Sie einfach auf die Musik und lassen Sie einen erwachsenen Menschen sein, wie er sein möchte, ohne subjektive Interpretationen über seine Persönlichkeit.

    Nala P.

    1. Liebe Nala,

      in der Tat war es vlt. etwas zu viel über das Outfit. Aber seien Sie sicher, dass Herr Currentzis das „Arrangement“ so penibel ausarbeitet wie auch Frau Wang. Ich bin sicher, seine partielle Nacktheit hatte viel mit Pfingsten zu tun. „Erbarme Dich, mein Herr!“
      Nach dem Ausbruch des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine trat Monsieur Currentzis für seine Verhältnisse recht konventionell und bieder auf. Jetzt will er uns wieder Neues sagen.

      Herzlichen Dank für Ihre Gedanken,

      Andreas Schmidt, Herausgeber

  2. Volle Zustimmung für Nala P.
    Würde in diesem Beitrag über eine Frau gesprochen, wäre heutzutage zum Glück völlig klar, wie unangebracht diese Ausführungen sind.
    Ein ungewöhnliches Outfit reicht wohl aus, damit zwei Männer das komplette Konzert in den Hintergrund geraten lassen und den Körper des „verrückten“ Dirigenten bewerten und dessen Geisteszustand in Frage stellen.

    Julian P.

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